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Kolumne SternenflimmernDie fehlende Überraschung

Entgleisungen von Rechten überraschen kaum mehr. Der Fall Strache zeigt aber, dass Journalismus immer noch Möglichkeiten hat.

Das Strache-Video hat eins erreicht: Es hat politische Fakten geschaffen Foto: ap

Fast fühle ich mich wie zurückgespült in eine andere Zeit. Denn das Strache-Video hat das erreicht, was in Zeiten von Fake News schon lange kein Journalismus mehr zustande gebracht hat: Es hat politische Fakten geschaffen. Strache ist weg vom Fenster. Das ist fast wie früher, als es in der Regel die eine große Enthüllung im Spiegel war, die einen politischen Amtsträger eben jenes Amt gekostet hat. Als man der Presse noch glaubte und sich nicht jeder, der im Internet ein paar Zeilen schrieb, wie ein Journalist fühlte.

Ich glaube, dass Donald Trump mal einen Satz gesagt hat, der zu den wenigen gehörte, die stimmten: dass ihn seine Anhänger:innen immer noch wählen würden, wenn er einen Menschen auf der Straße erschießen würde. Natürlich würde das viele nicht abschrecken, denn sie mögen genau das an ihm: Härte, so wenig politische Korrektheit wie möglich, kein „Kuschen“ vor den Medien. Die Stärke dieser Leute liegt darin, dass ihre abschreckendsten Taten und Worte auf viele anziehend wirken.

Dass Rechten und Rechtspopulisten auch Veröffentlichungen diverser Entgleisungen nichts anhaben können, hat ja eine Ursache: Sie überraschen niemanden. Auch ich habe, als ich das Strache-Video sah, vieles gefühlt, Überraschung aber konnte ich nirgends entdecken.

Ein Sebastian Kurz wird vieles gewesen sein – überrascht sicher nicht. Er wird sich geärgert haben, das schon, doch dass er so lange brauchte, um Straches Rücktrittsgesuch anzunehmen und Neuwahlen vorzuschlagen, zeigt, dass er überlegt haben dürfte, wie er beides vermeiden könnte.

Auf den Erfolg nicht verlassen

Ich bin froh, dass es zumindest nicht so weit gekommen ist, dass sich antidemokratische Verschwörungen irgendwie rechtfertigen lassen, selbst in einer system- und medienkritischen, rechtskonservativen Regierung nicht. Kurz sieht sich als konservativen Verfassungsdemokraten, er kann Komplotte, die sich dagegen richten, selbstverständlich nicht durchgehen lassen.

Wären Strache und seine FPÖ allein oder aber mit noch rechteren Parteien in einer Regierung, hätte er, so meine These, sich wohl halten können. Weil ihn seine Anhänger:innen dafür gefeiert hätten, der Macho zu sein, der gegen die Eliten agitiert.

Der Fall Strache zeigt: Journalismus hat noch immer die Möglichkeit, Politiker:innen zu entmachten. Das funktioniert dann, wenn diese etwas zu verlieren haben, also schon an der Macht sind. Wichtiger aber ist die Arbeit, die verhindert, dass solche Menschen an die Macht kommen.

Und diese Lösungen können nur mit einer Politik gegen die soziale Spaltung unserer Gesellschaften erwirkt werden: Eine Politik, die Globalisierungsverlierer:innen nicht gegen Gewinner:innen ausspielt, eine, die Wirtschaften anderer Länder nicht ausbeutet und die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa mitdenkt. Am besten schon heute, spätestens aber nach der Europawahl. Denn auf Erfolge wie diesen sollten wir uns nicht verlassen.

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1 Kommentar

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  • Einspruch, Euer Ehren!



    Der Journalismus hat keine politischen Fakten geschaffen; der Journalismus hat lediglich auf politische Fakten aufmerksam gemacht und damit seine ureigene Aufgabe erfüllt. Nicht mehr und nicht weniger.



    Dass sich die politische Faktenlage daraufhin verschoben hat, ist nicht das Werk des Journalismus, sondern das Werk anderer Akteure. Der Journalismus sollte sich tunlichst nicht für mächtiger halten, als er tatsächlich ist. Sowas kann niemals gut gehen. Ein Journalismus, der politische Fakten schaffen will, hört damit augenblicklich auf, Journalismus zu sein. Journalismus kann Politikern möglicherweise zur Macht verhelfen. Zumindest sind Politiker immer sofort bereit, dies zu glauben, wie das Strache-Video ja eindrucksvoll beweist. Journalismus kann aber Politiker niemals entmachten. Wenn der Journalismus dies könnte, wäre das Gastspiel Donald Trumps in der Politik doch schon längst beendet, was es aber nicht ist - nicht zuletzt deshalb, weil der Journalismus seine Möglichkeiten hier mal wieder völlig falsch eingeschätzt hat.