piwik no script img

Kolumne PsychoWer Hilfe braucht, ist die CSU

Das neue Psychiatriegesetz in Bayern, das psychisch Kranke wie Straftäter behandeln soll, basiert auf Angst. Dagegen kann man etwas tun.

Wege aus der Angst – mit dem „CSU-Hilfe-Gesetz“ Foto: Marie Maerz / Photocase

E inen sperrigeren Namen hätte sich die CSU kaum ausdenken können: „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“. Vielleicht hatte sie gehofft, dass so niemand mitbekommt, welche Pläne da unter der Übergangsjacke der „Hilfe“ geschmiedet werden – nämlich, dass psychisch Kranke in Bayern künftig wie Straftäter behandelt werden sollen.

Nur vier Artikel des Gesetzentwurfs befassen sich mit der Stärkung der psychiatrischen Versorgung, unter anderem durch die flächendeckende Einführung von Krisendiensten. In den anderen 37 Artikeln wird die „öffentlich-rechtliche Unterbringung“ geregelt, die von ExpertInnen mit dem Maßregelvollzug in Haftanstalten verglichen wird.

Die CSU hat offenbar so große Angst vor „Gefährdern“, dass sie am liebsten vorsorglich alle Menschen wegsperren würde. Weil das nicht geht, fängt sie bei denen an, die eh schon stigmatisiert werden und in den allermeisten Fällen höchstens eine Gefahr für sich selbst sind.

Das geplante Gesetz soll Sicherheit vermitteln, schürt aber wiederum Angst – nicht nur bei Menschen wie mir, die eh schon eine Angsterkrankung haben, sondern auch bei Depressiven, Schizophrenen, Trauma-Opfern und allen anderen, die wissen, wie sich eine Krise anfühlt. Und die bisher froh waren, dass sie im Zweifel Hilfe in Anspruch nehmen können, ohne eine Durchsuchung ihrer Körperöffnungen und eine Erfassung ihrer Daten durch die Polizei befürchten zu müssen.

Es ist natürlich keine Lösung, die Politiker selbst für „irre“ zu erklären und vorzuschlagen, stattdessen doch lieber sie wegzusperren, wie es viele, nur halb im Spaß, jetzt machen. Aber von den Bewältigungsstrategien, die Menschen mit Angststörungen anwenden, können auch andere noch was lernen. Deshalb hier ein erster Entwurf zum „CSU-Hilfe-Gesetz“.

Art. 1: Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Gegenwart. Was Sie in der Zukunft fürchten, passiert nur in Ihrem Kopf.

Art. 2: Angst ist zwar unangenehm, aber nicht gefährlich. Gefährlich kann nur Ihr Verhalten in der Angst werden. Zum Beispiel, wenn Sie diskriminierende Gesetze entwerfen.

Art. 3: Sie haben das Gefühl, Sie schaffen das nicht alleine? Suchen Sie sich professionelle Unterstützung. Aber vor allem: Nehmen Sie sie auch an. Zum Beispiel, wenn ExpertInnen Ihren Gesetzentwurf kritisieren.

Art. 4: Verlassen Sie Ihre Komfortzone. Wer sich im Zimmer einigelt und nicht mehr vor die Tür geht, hat es zwar schön kuschelig, wird aber niemals über sich hinauswachsen und Erfolgserlebnisse haben. Gleiches gilt, wenn man es sich in seinem (Bundes-)Land gemütlich macht und alle, die stören könnten, aus- oder wegsperrt.

Art. 5: Verzichten Sie darauf, Ihre Angst zu rationalisieren. Einige psychisch Kranke mögen eine Gefahr darstellen, aber es ist auch gefährlich, zu fliegen, da man immer abstürzen kann. Flugzeuge zu verschrotten ist nicht die Lösung.

Art. 6: Machen Sie sich bewusst, dass es keine maximale Sicherheit gibt. Akzeptieren Sie dieses Restrisiko.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz am wochenende
Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • "Fear is a weapon of mass destruction"

    Faithless

  • Die Angststörung als Leitmotiv des 21. Jahrhunderts - passt.

     

    Aber andererseits: Gefühle sind immer wahr. Man fühlt sie halt und dass man sie fühlt, kann einem keiner ausreden. Man kann darüber reden, wer da der Herr (oder die Frau) im Hause ist und ob man sie hat oder ob sie einen haben, und man kann darüber reden, ob man sie haben will und ob sie einen gut tun, aber: Wer Angst hat, hat Angst. Gefühle heißen so, weil man sie fühlt und ob man sie fühlt, weiß man selber am besten und wenn einem das niemand glaubt, gehen sie dadurch allein noch lange nicht weg.

  • Angst hat sich leider als Treibstoff von Politik und Medien etabliert (egal welcher coleur).

    Ist ist vor allem und jedem Angst unabhöngig von faktenlagen gemacht wurden:

    : psysich Kranken, Migranten, Islam, Atomkraft, dieselstinker, glyphosat, offene TB, messer, etc

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich empfehle, tief durchzuatmen und die eigene Aufgeregtheit ein wenig runterzukochen. Danach nachlesen, was Franziska Seyboldt im Artikel 1 formuliert hat: "Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Gegenwart. Was Sie in der Zulunft fürchten, passiert nur in Ihrem Kopf."

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Ein gelungener Scherz. Denn wie kann die Autorin sich vor einem Gesetz fürchten, dass erst in der Zukunft Wirkung entfalten wird. Es leben doch die Gegenwart.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      ... in der ZUKUNFT ...

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass die CSU-Verantwortlichen diese sechs einfachen Regeln befolgen werden. Doch, sie würden funktionieren. Und genau deswegen werden sie nicht angewendet werden.

     

    Franziska Seyboldts Lösung wäre keine Lösung für die CSU-Granden. Sie wäre ein Problem. Auch mit der Hetze gegen psychisch Kranke (und solche, die dafür gehalten werden) kann "Politik" gemacht werden. Vor allem, wenn andere Themen nicht angegangen werden sollen. In solchen Zeiten sind es immer die (vermeintlich) Schwächsten, die als Buhmänner missbraucht werden. Die, mit denen ohnehin niemand etwas zu schaffen haben will. Die müssen herhalten, um Angsthasen mit Führungsverlangen hinter ausgewählten Alphatieren zu versammeln. Auf dass die Alphas ihre Privilegien gerechtfertigt sehen.

     

    Nein, die CSU-Typen haben keine Angst. Sie lassen sich hinreichend schützen von Menschen, die dafür bezahlt werden. Außerdem halten sie sich fern von allen, die nicht so ganz „koscher“ scheinen, die nicht berechenbar, nicht gut manipulierbar sind. Psychisch Kranke wollen sie nicht kennen. Diese Kerle haben überhaupt keinen Grund, die Angst zu bekämpfen. Sie leiden ja nicht drunter. Sie haben nur sehr viele Gründe, die Angst aufrecht zu erhalten und weiter auszubauen. Das Ende ist noch lange nicht erreicht.

  • Ich kann mir gut vorstellen dass es hier auch um Geld geht. Wenn man jetzt nach Bayern fährt muss man ja Angst bekommen. Ich denke dass man diese Politiker, die solche Gesetze erlassen zuerst einsperren sollte, denn das ganze ist nicht mehr normal. Vor allem voran einige Leute von der CSU, diese denken nicht mehr richtig und brauchen meiner Meinung nach psychologische Betreung.

    • @Alfredo Vargas:

      Sie bekommen Angst, nunja nach meinung der Autorin ist Angst ja nicht gefährlich und "Art. 6: Machen Sie sich bewusst, dass es keine maximale Sicherheit gibt. Akzeptieren Sie dieses Restrisiko."

  • Straftäter kommen vor Gericht. Bzw. in Haft. Wo werden hier psychisch Kranke wie Straftäter behandelt?

  • Es macht mir Angst, dieses Bundesland, mit seiner Macht im Bund und das es sich wieder anschickt, zur Wiege der „Bewegung“ werden zu wollen. Hoffentlich findet sich nicht wieder ein österreichischer Gefreiter und wenn doch, hoffentlich bleibt er dann in Festungshaft.

    • @Weidle Stefan:

      Leider hat Bayern viel zu wenig ja unverhältnismäßig wenig Macht im Bund. Ich hoffe es kommen bald katalonisch anmutende aber erfolgreichere Unabhängigkeitsbestrebungen auf. Lieber von Wien aus regiert, als von Berlin aus.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Weidle Stefan:

      Mein Rat, werter Mitstreiter: Den Ball ein wenig flacher halten. Und dabei eigene Projektionen nicht mit der Wirklichkeit verwechseln. Es handelt sich hier um einen Gesetze n t w u r f und nicht um ein beschlossenes Gesetz.

       

      Erste "schwerwiegende" Reaktionen sind bereits von Fachleuten erfolgt, die mit psychisch kranken Menschen arbeiten. Also von Menschen, die sich auskennen.

  • Das Gesetz sind die regeln bei zwangseinweisungen. Alle anderen Bundesländer haben auch welche.

     

    Der Entwurf überarbeitet diese und fügt noch eine konkrete hilfeeinrichtung dazu. Kein anderes Bundesland hat so Was.

     

    Dazu kommt noch ein richtervorbehalt. Auch das ist eine Verbesserung. Und das solch massiven Eingriffe genauer geregelt werden, ist sicher eine gute Sache.

     

    Ich habe den Entwurf gelesen und verstehe nicht worauf dich diese Kritik begründet.

  • Als "in der Ferne" Betroffener verfolge ich dieses Gesetzesvorhaben der Bayerischen Landesregierung aufmerksam und, ja auch ängstlich.

     

    Am Ende meiner letzten Reha wegen der Depri kam ich in die Krise und wurde von der Reha-Klinik nicht nach Hause entlassen, sondern direkt in die psychiatrische Abteilung des nächstgelegenen Krankenhauses eingeliefert.

     

    Wenn ich mir vorstelle, dass deshalb meine Daten zentral, wie im bayerischen Entwurf des Psychiatrie-Gesetzes vorgesehen, erfasst werden würden ... - dann könnte man mich auch gleich verpflichten, gut sichtbar an meiner Kleidung ein "PG" (für Psycho-Gefährder) anzubringen.

  • Danke!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Hans aus Jena:

      Wofür?