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Kolumne Press-SchlagGigantomaner Platini

Der Uefa-Boss plant 2020 eine Metropolen-EM. Michel Platini findet einen Weg aus der Sackgasse und geriert sich als politischer Visionär.

EM-Pott mit Henkeln: Der „Henri-Delaunay-Pokal“ Bild: dpa

E in wahrer Geniestreich scheint Michel Platini gelungen zu sein. Im Sommer, direkt im Anschluss an das EM-Finale, trat der Chef der europäischen Fußballunion (Uefa) mit seiner Idee, das Euro-Turnier grundlegend umzugestalten, an die Öffentlichkeit. In Rekordtempo ist aus der Fiktion Wirklichkeit geworden.

Am Donnerstag segnete das Exekutivkomitee der Uefa die Platini-Pläne ab. Statt in einem oder zwei Ländern wird die Europameisterschaft 2020 in wahrscheinlich mehr als einem Dutzend Städten ausgetragen. Der ganze Kontinent darf künftig Mitveranstalter des großen Fußballspektakels werden.

Allseits wird Platini mit Lob überschüttet. Selbst seine schärfsten Kritiker preisen ihn mit wohlfeilen Argumenten. Gewiss ist es gerade in Zeiten der Rezession nicht einmal zwei Ländern von mittlerer Größe zuzumuten, gemeinsam ein Turnier mit künftig 24 statt 16 Teilnehmern zu stemmen – zumal die Uefa ihre Gewinne steuerfrei abführt. Nun dürfen sich auch die kleineren Länder des Kontinents Hoffnungen machen, einmal eine Gastgeberstadt der Euro zu stellen.

Angesichts des derzeitigen europäischen Identitätszerfalls kann man es durchaus für lobenswert halten, künftig möglichst viele Staaten in eine Organisationseinheit für ein Fußballturnier zusammenzuführen. Als Kandidat für die europäische Ehrenbürgerschaft, die bislang nur Jean Monnet und Helmut Kohl verliehen bekamen, taugt Michel Platini aber dennoch nicht. Ein höchst überflüssiger Hinweis vielleicht, aber es ist schon erstaunlich, wie erfolgreich sich der Sportfunktionär Platini derweil als rücksichtsvoller Ökonom und politischer Visionär präsentieren kann und ihm dabei fast alle auf den Leim gehen.

Wohlgesonnenes Stimmvolk

Bild: taz
Johannes Kopp

ist Mitarbeiter im Sport-Ressort der taz.

Genau besehen hat Platini nämlich lediglich aus der Not eine Tugend gemacht. Er war es nämlich, der aus der Euro eine gigantomanische Veranstaltung machte. Die Teilnehmerzahl des Endturniers stockte er auf, um die TV-Einnahmen und vor allem auch das ihm wohlgesonnene Stimmvolk in den Machtgremien seines Verbandes zu mehren.

Der Uefa-Chef würde sich gewiss wenig daran stören, wenn kleine Länder wie Portugal und die Ukraine weiterhin in teure und später dann kaum genutzte Prestigebauten investieren würden, solange er für dieses groteske Geschäftsmodell weiterhin Interessenten finden würde. Weil diese aber schwanden, drohte das überdimensionierte Turnier in eine Sackgasse zu geraten.

Gelddruckmaschine Fußball

Mit der nun eingeführten Metropolen-Euro hat Platini aber offenbar einen komfortablen Ausweg gefunden. Er kann seinen auf Gewinnmaximierung ausgelegten Fußballzirkus unabhängiger von nationalen Wirtschaftskrisen weiterentwickeln und ihn zudem noch mit visionären Inhalten (europäische Gemeinschaft) aufladen. Platini hat die Euro indes erst in die ausweglose Situation gebracht, aus der er sie nun mit großem Tamtam zu führen versucht.

Ob die Gigantomanie à la Platini sich tatsächlich wie vorgestellt fortschreiben lässt, bleibt abzuwarten. Die Vorstellung, künftig kleine Länder besser einbinden zu können, mag Charme haben. Man wird sehen, wie gut deren Chancen, sich im Wettbewerb der Meistbietenden durchzusetzen, in der Realität aussehen werden. Diese eine, ureigene und unverwechselbare Atmosphäre, die in der Geschichte der Europameisterschaften in den jeweiligen Gastgeberländern entstand, die jedem Turnier einen eigenen Charakter verlieh, wird es künftig nicht mehr geben. Die Seele des Turniers wird durch die vielen Standorte verloren gehen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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3 Kommentare

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  • SI
    sag ich nicht

    Ich möchte hier ein paar kleine Dinge anmerken:

    Wenn Portugal und die Ukraine kleine Länder sind, dann möchte ich fragen, was Staaten wie Aiserbeidschan oder Armenien für eine Größe haben. Oder die meisten der Balkanstaaten. Oder Die baltischen Staaten?

    Welche Staaten kommen denn überhaupt alleine in die Lage eine EM auszurichten. Das sind im Endeffekt Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland, England, Russland und die Türkei. Das sind übrigens alles Länder, in dem es große Fußballstadien gibt und wo eine Erneuerung dieser in dem Umfang auch Sinn mach, weil sie einfach weiter genutzt werden. In den meisten anderen Ländern (Skandinavische Staaten, Britische Staaten außer England, Österreich/Ungarn, Baltikum,...) würden dann Stadien gebaut, die niemand danach nutzt. Das war selbst in Portugal der Fall. Somit führt eine EM in einem eropäischen Land, das nicht zu den großen gehört, immer dazu, das ganz viele Stadien ausgebaut werden und danach in keinster Weise genutzt werden.

    Also gibt es aus diesem 2 Folgen. Einmal werden alle kleinen Länder ausgeschlossen und die EM findet dann nur noch in Italien, Spanien, Deutschland, England, Frankreich, Russland und Türkei statt oder es kommt eine idee wie die vorhandene auf. Bei der können nun auch Länder wie Estland in den Genuss, einmal ein EM-Spiel austragen zu können.

    Diese Diskussion kommt mir immer mehr so vor, als ob eh alles, was von der UEFA ist, eine blöde Idee sein muss, und zum anderen dass man mit solchen Vorschlägen den großen Verbänden den Knochen weg genommen hat, der EM heißt und in der alle ihre Fahnen schwingend ein ach so tolles Fußballfest feiern können.

    Und eine Anmerkung wegen der Größe des Tuniers: Für eine Verband wie dem DFB und für die Nationalspieler dieses Verbandes ist es wirklich egal, ob bei solch einem Tunier 24 oder 16 oder 12 Mannschaften mitspielen dürfen. Der DFB ist wahrscheinlich eh immer dabei. Für die Spieler, die aus Ländern kommen, die nicht immer dabei sind, ist solch ein Tunier wahrscheinlich ein ziemlich großes Erlebnis. Da können nun Spieler, die es wahrscheinlich ansonsten nicht gekonnt hätten, sich mit Mannschaften wie der spanischen Nationalmannschaft messen.

  • M
    Murmelmeisterschaft

    Wenn man Europa helfen will, dann sollte man alle Vereine enteignen und diese ganzen sich erwachsen werden weigernden Milchbubis und Multimillionäre an irgendwelche geisteskrank reichen Milliardäre verticken.

  • A
    antinational

    So sehr die vorherige Analyse auch trifft, im letzten Absatz kommt einiges an Mist zusammen.

    Natürlich muss man erst einmal sehen, wie die Chancen am Ende stehen, aber Ljubljana hat sicher als Stadt deutlich größere Chancen, als Slowenien das als nationaler Austragungsort je hätte. Ich gehe zudem davon aus, dass am Ende Spanien, England, Frankreich und Deutschland je ein Stadion bestimmen, während die anderen abwechselnd im Rest Europas gesucht werden. Und weil man ein wenig auf Abwechslung setzen wird, wird schon allein dadurch so manches Land in den Genuss kommen, Austragungsort zu sein, dass sonst nie eine Chance gehabt hätte.

     

    Dass sich ausgerechnet in der taz ein Vertreter nationalistischer Erzählungen findet, dass sich ein besonderer Charakter nur durch ein nationales Ereignis einstellen könne, verwirrt dann vollends.

    Eine wirkliche Bereicherung kann sein, dass sich Städte aus der Peripherie einer europäischen, ja weltweiten, Öffentlichkeit darstellen können, ganz zu schweigen von der Belebung der paneuropäischen Idee in Zeiten zunehmender Renationalisierung.

     

    Und ob nun überhaupt ein Turnier in München, Hamburg, Dortmung und Berlin weniger auf viele Standorte verteilt ist und mehr "Seele" hat, als eines in Kopenhagen, Brüssel, Kiev und Wien, sei ohnehin mal dahingestellt.