Kolumne Nach Geburt: Danke! Danke! Danke!
Weihnachtslieder – das Thema ist durch? Von wegen: Es wird Zeit für ein Eingreifen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien!
K ennen Sie Simone Sommerland? Nein? Dann haben Sie wohl keine Kinder. Oder kein Internet. Denn wer online nach Kinderliedern sucht, stößt unweigerlich auf „Simone Sommerland, Karsten Glück und die Kita-Frösche“. Die Kombo heißt wirklich so. Bei Vollplayback sitzt sie im Kindergarten, um sich herum ein paar Kleinkinder und ist unverschämt fröhlich dabei.
Sie ist nicht auszuhalten, diese sommerlandsche Glückseligkeit. Gegen sie wirkt jeder Plastikmüllteppich im Atlantik natürlich. Richtig hart wird es, wenn dann auch noch ein Text dazu kommt, schlimmer als jede Umweltverschmutzung. Vorhang auf für „Liebe Mama“: „Liebe kleine Mama, das woll’n wir Dir mal sagen / Und hoffen doch, Du kannst mit uns das Leben gut ertragen“.
Die Antwort jeder Mutter müsste jetzt schon lauten: Ne, kann ich nicht. Doch es geht noch weiter: „Danke, dass Du mich früh weckst, sonntags mit uns Kuchen bäckst / Auch fürs Stullen schmier’n und Puppen reparieren / Weißt du, wer mich morgens kämmt und hilft, wenn die Hose klemmt? / Wer hält die Zimmer rein? Das kann nur Mami sein.“
Alter! Das ist ein legitimer Grund, um die eigenen Kinder zur Adoption freizugeben, wenn sie dir so was sagen.
Ignorante Wessis
Aber – Quelle: Internet – mittlerweile weiß ich, dass der Song gar nicht von Simone Sommerland ist, sondern von Frank Schöbel. Gesungen von seinen beiden Töchtern Dominique und Odette Lacasa ist er Teil des 1985 erschienenen Albums „Weihnachten in Familie“. Das heißt wirklich so. Weiß natürlich jede oder jeder Ostdeutsche, denn „Weihnachten in Familie“ soll mit 1,4 Millionen verkauften Platten der meistverkaufte Amiga-Tonträger in der DDR sein.
Und ich, als ignoranter Wessi, so: What?!? War nicht die Erzählung immer, dass in der DDR die Mütter eine ganz andere Rolle hatten? Ein Kollege sagte mir, dass die Frauen halt gearbeitet und den Haushalt gemacht hätten. Da ist ein bisschen Dank natürlich angebracht. Die Frage ist, ob er so gehen muss: „Ist die Schule endlich aus, riecht es gut bei uns zu Haus / Auch bei den Schularbeiten, hilfst du uns beizeiten / Wenn du mich ins Bettchen bringst, streichelnd ein Gut-Nacht-Lied singst / Denk ich, in Wirklichkeit ist immer Weihnachtszeit.“
Wem dieser Song gefällt, der mag auch: Wandtattoos, wenn die Kleinen zum Muttertag mal den Geschirrspüler ausräumen; alle Bilder von Ikea; Julia Engelmann. Simone Sommerland aber schien der Song schlüssig und zeitgemäß genug, um ihn für ihr Album „Die 30 besten Weihnachts- und Winterlieder“ auszuwählen. Erschienen 2011.
Wo ist die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, wenn man sie braucht? Denn dafür hat meine Mutter meinen großen Bruder nicht in den Hörsaal mitgenommen, um für Kinderbetreuung an der Uni zu protestieren. Dafür hat mein Vater nicht die Wäsche gemacht. Dafür wurde Youtube nicht erfunden.
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