Kolumne Nach Geburt: Loga, komm bald wieder!
Ich war von den imaginären Freunden meiner Tochter genervt. Nun will sie Loga und Co. loswerden – und ich vermisse sie jetzt schon.
Papa, ich möchte nicht mehr spielen, dass ich Freunde habe.“
Der Satz klingt herzzerreißend, wenn er aus dem Mund einer Bald-Vierjährigen kommt.
Aber: Tochter eins möchte einfach nicht mehr mit ihrer imaginären Freundin Loga spielen. Kein extra Stuhl mehr, kein extra Teller mehr, kein Anrufe bei Loga mehr („Ich telefonier mal mit Loga, die kennt sich sehr gut aus mit Obstgarten“), kein Loga-braucht-noch-dieses-oder-jenes mehr beim Einkaufen.
Ich müsste also jubeln. Loga ging mir schließlich tierisch auf die Klötze. Doch ich juble nicht.
Loga ist nicht der Weihnachtsmann!
„Papa, ich möchte nicht mehr spielen, dass ich Freunde habe.“
„Warum?“, frage ich sie. „Weil es langweilig ist“, sagt meine Tochter. Aber die Wahrheit ist wohl eine andere: Einer der großen Jungs aus der Kita hat ihr wohl ins Gesicht gesagt, dass Loga und ihre „Freunde“ nicht existierten, dass sie sich die einbilde. Die gibt es nicht!
Das ist okay. Das ist normal. Große Kinder erzählen nun einmal kleinen Kindern, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt.
Aber deswegen gleich Loga aufgeben? Loga ist doch viel mehr als der Weihnachtsmann! Der kommt schließlich nur einmal im Jahr, aber Loga war immer da. Immer. Also versuche ich es mit meinem ganzen, bei meinen Eltern abgeschauten pädagogischen Geschick: „Sollte Dir irgendjemand gesagt haben, dass Du nicht mehr mit Loga spielen sollst oder sie gar nicht da sei, dann musst Du das nicht machen. Du musst nicht aufhören mit Loga zu spielen.“
Tja, zieht nicht. Meine Tochter beißt sich auf die Zunge, wenn sie doch einmal aus Versehen den Namen der Freundin, die nicht mehr genannt werden darf, ausspricht.
Niemand mischt sich in die Fantasie meiner Tochter ein!
Aber das kann ich nicht akzeptieren. Niemand sagt meiner Tochter an was sie glauben soll oder ob es den Weihnachtsmann gibt – oder ob ihre Freundinnen real sind. Niemand mischt sich in die Fantasie meiner Tochter ein! Niemand außer mir jedenfalls!
Also fange ich an, Loga einzubinden. „Sollen wir das nicht Loga fragen?“; „Will Loga auch mitkommen?“; „Braucht Loga auch einen Teller?“ Aber meine Tochter durchschaut mich natürlich. Wie gesagt: Ich habe mein pädagogisches Geschick von meinen Eltern.
Und ich frage mich: Geht es eigentlich noch um sie? Kann es sein, dass ich so weich geworden bin, dass ich – zwar tatsächlich direkt hinterm Deich, aber im übertragenen Sinne überhaupt nicht nah am Wasser gebaut – die nur imaginierte Freundin meiner drei Jahre alten Tochter vermisse?
Liebe Loga, da ich meine Gefühle nicht so gut artikulieren kann, klau ich einfach ein paar Zeilen aus meiner Kindheit, den 90ern: Whatever I said, whatever I did, I didn't mean it, I just want you back for good.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Kurdische Gebiete unter Beschuss
Stoppt die Angriffe Erdoğans auf die Kurden in Syrien!