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Kolumne MithulogieBrown Lives Matter

Zehn Männer in Köln werden von der Polizei überwältigt, weil sie „lange Gewänder und Westen trugen“. Was muss daraus folgen? Ein offener Brief.

Weil der Kölner mein liebster Hauptbahnhof ist: Lasst uns verhindern, dass sich das wiederholt Foto: dpa

L iebe Kölner Polizei,

haben Sie sich für den Einsatz letzten Dienstag bei den zu Unrecht am Boden fixierten Männern entschuldigt? Wenn ja, danke! Wenn nein, bitte holen Sie das so schnell wie möglich nach. Eine öffentliche Entschuldigung würde ebenfalls eine Menge zur Vertrauensbildung beitragen.

Und Vertrauen können wir alle gerade dringend gebrauchen. Auch die Passanten, denen der Anblick von Männern in feierlicher Kleidung zum Ende des Ramadans Angst machte, und die den Notruf wählten. Dafür muss ich Mitverantwortung übernehmen, weil wir als Medien Muslime, die ihre Religionsfreiheit in Anspruch nehmen, ständig als Bedrohung darstellen. Und auch Leute, die einfach nur so aussehen, wie wir uns Muslime vorstellen, sprich: braun. Doch bloß, weil wir Blödsinn machen, müssen Sie das nicht auch tun, liebe Kölner Polizei.

Aber die Männer haben doch „Allahu akbar“ gerufen. Vermeintlich! Und sogar wenn: „Allahu akbar“ ist so alltäglich wie „mein Gott“, und das könnten wir wissen, wenn wir miteinander reden würden. Apropos Reden: Haben Sie nicht ein wenig Spielraum, bevor Sie Menschen mit Handschellen auf dem Boden festhalten? Wie wäre es erst mal mit freundlich nachfragen, was los ist?

Keine Gefahr? Staatsschutz einschalten!

Denn, seien wir ehrlich, wir können kaum von Gefahr im Verzug sprechen. Dieses Jahr gab es in Deutschland 13 terroristische Anschläge – in Bottrop und Essen –, die jedoch alle islamfeindlich motiviert waren. Letztes Jahr: zero. Die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, ist höher, als von einem terroristischen Anschlag betroffen zu sein.

Nachdem Sie, wie zu erwarten, keine Bomben bei den gefesselten Männern gefunden haben, teilten Sie uns mit, dass zu keinem Zeitpunkt „eine Gefahr für die Bevölkerung bestanden hat“. Was für eine Erleichterung! Also, was haben Sie daraufhin getan? Den jungen Männern aufgeholfen und sie ihre Züge erreichen lassen? Fast: die Mitteilung geht weiter, „wir wissen aber nicht, ob die Männer ungefährlich sind“ Doch, genau das haben Sie gerade gesagt! „Der Staatsschutz ist eingeschaltet.“ Wie bitte??? „Sie werden noch befragt.“

Überlegen wir zusammen, wie wir verhindern, dass so etwas wieder passiert

Es gibt ein englisches Sprichwort: Wenn man sich selbst ein Loch gegraben hat, sollte man nicht noch tiefer schaufeln.

Lieber Polizeipräsident Uwe Jacob, wenn Sie zurückweisen, dass dieses Handeln von „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geprägt war“, übersetze ich mir das so, dass es nicht bewusst rassistisch war. Dann lassen Sie ihre Beamten doch bitte schulen. Wenn Sie nicht wissen, bei wem, gebe ich Ihnen gern Adressen. Doch vor allem: Laden Sie den Zentralrat der Muslime ein, die zu Recht entsetzt sind, und überlegen Sie zusammen, wie wir verhindern, dass so etwas wieder passiert.

Weil der Kölner mein liebster Hauptbahnhof ist.

Weil der öffentliche Raum uns allen gehört.

Weil Angst Monster gebiert.

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Mithu Sanyal
Autorin
Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)
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10 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Für mich war es noch nie ein Zeichen großer Weitsicht, Konflikte zwischen verschiedenen Parteien mit Schuldzuweisungen an eine einzige Adresse aufzulösen. Kommt häufig vor. Wird dadurch aber nicht richtig.

    Auch beim vorliegenden Beispiel haben beide Seiten ihre jeweiligen Anteile. Hier lohnen sich ein zweiter und ggf. dritter Blick.

    Polizisten treffen in Ausübung ihres erlernten Berufes auf junge Moslems in ihrer Freizeit. Einfach mal wirken lassen.

    Dann sich die Bilder anschauen von den gefesselten, am Boden liegenden jungen Männern ... und in sich rein horchen.

    Dass das Rufen von "Allahu Akbar" nicht besonders glücklich war, ist das Eine. Es ist indes kein verbotener 'Schlachtruf'.

    Könnte es sein, dass übermotivierte Polizisten am Ort des Geschehens den Begriff der staatlichen Gewalt etwas sehr großzügig ausgelegt haben?

    Mir würde es wenig Spass bereiten, derart Bekanntschaft mit dem Fussboden des Kölner Hauptbahnhofs zu machen.

    Wir - Christen, Juden, Moslems, Hindus, Buddhisten et. al. - waren alle mal jung und auch 'übermütig'.

    Für mich wurde hier das Gebot der Angemessenheit nicht gewahrt. Dies gehört kritisiert. Und Mithu Sanyal hat dies meines Erachtens passend getan.

    Damit ist aus meiner Sicht alles Wesentliche gesagt.

  • Wir leben in einer der liberalsten Demokratien der Welt. Dass nach dem Vorfall am Kölner Bahnhof das ganze Land nun darüber diskutiert, ob das Verhalten der Kölner Polizei rassistisch ist, zeigt das wunderbar auf. Es ist eine Diskussion, die in dieser Form in vielen anderen weniger demokratisch-liberalen Gesellschaften sicherlich nicht geführt werden würde.

    Man schaue nur mal auf die Bewertung der kurdischen Gemeinde, die die Reaktionen der Kritiker als "völlig übertrieben" bezeichnet hat. Nicht die Polizei habe sich im Umgang mit muslimischen Bürgern besser schulen zu lassen, sondern „vielmehr sollten umgekehrt sich die muslimischen Jugendlichen darin schulen lassen, was im öffentlichen Raum in Deutschland geht und was nicht."

    In Zeiten eines allgegenwärtigen Bedrohungsgefühls durch Terrorismus lautstark "Allahu Akbar" zu rufen und dann wild durch einen Bahnhof zu rennen, löst bei den meisten Menschen nun mal zwangsläufig gewisse Ängste aus.

    Wer in Deutschland lebt, sollte das allmählich mal kapiert haben, finde ich und folglich von sich aus, quasi freiwillig, auf solche Äußerungen, Verhaltensweisen usw. im öffentlichen Raum verzichten. In etwa so, wie Passagiere es vermeiden, in Flugzeugen das Wort "Bombe" zu rufen, oder aber westliche Karikaturisten, die aus Rücksicht auf die Gefühle der Muslime darauf verzichten, Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichen.

    • @Grandiot:

      `In Flugzeugen das Wort "Bombe" zu rufen` ist mit dem Ausruf ( Grobe Übersetzung : )`Gottseidank , der Zug ist noch da - Jetzt aber Schnell` nicht ansatzweise zu vergleichen .

    • @Grandiot:

      Eine Entschuldigung , wie sie sich gehört , seitens der für Diskriminierung , Falsche Verdächtigung & Freiheitsberaubung ( = Straftaten nach dem StGB ) Verantwortlichen Beamten & Beteiligten wäre in dem Fall , im Rahmen Friedlicher Koexistenz & Geltender Gesetze , meiner Meinung nach viel angebrachter ! jungefreiheit.de/p...rt-entschuldigung/

  • Zu keiner Zeit bestand Gefahr für die Bevölkerung ... verspätete Muslime sind keine Atomkraftwerke...



    Ironie aus.

  • Wie zitierte Hagen Rether mal seinen Nachbarn: "Das Problem ist, wir bauen den Juden zu viele Moscheen..."

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Selten so klare, eindeutige Worte zu diesem bisanten Tema gehört.

    Mehr davon würde - auch diesem Forum - guttun und jegliche Trollarmeen friedlich entwaffen.

  • Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

  • Wo kann man diesen offenen Brief unterschreiben?



    Das musste mal gesagt werden.



    Danke dafür

  • Danke •