piwik no script img

Kolumne LügenleserHallo, Victimshaming!

Eine „Zeit“-Autorin rät Frauen, sich abzuschminken, um sexueller Gewalt vorzubeugen. Am besten schlüpfen sie gleich noch in Mao-Uniformen.

Ursprung allen Übels: Make-Up Foto: dpa

I ch liege im Bett und massiere mir die Kissenfalten aus dem Gesicht, während es im Nebenzimmer schon geschäftig klappert. Meine Freundin muss früher aufstehen, Tag für Tag.

Nicht etwa weil sie dauernd trödelt oder immer alles verlegt (Biete diese Klischees plus dazugehöriger Gags allerdings gerne Mario Barth für sein nächstes, saudummes Bühnenprogramm an), sondern weil sie sich schminkt. Das mag unfair erscheinen. Ginge es nach einem jüngst erschienenen Text in der Zeit, ist damit aber eh Schluss.

In dem Artikel fordert die Soziologin Barbara Kuchler: Frauen, lasst das Schminken sein. Aus der #metoo-Debatte soll ein #ohnemich-Diskurs werden. Ich lese laut vor, während vor dem Spiegel nebenan die Wimperntusche eingesetzt wird: „Wer morgens vorm Spiegel den Eyeliner zückt, malt mit an der schönen Seite einer gesellschaftlichen Ordnung, deren hässliche Seite das Grapschen und Einsammeln von Frauen als Jagdtrophäe ist“ (Hallo, Victimshaming!).

Oder: „Modemacher: Symmetrisiert die Frauen- und Männermode!“ (Hallo, Mao-Uniform!). „Politiker, Frauenminister: Droht mit der Regulierung der Modeindustrie“ (Hallo, Diktatur!). Aus dem Wohnzimmer schnaubt es erstmals empört.

Die Journalistin übernimmt

Unpassender als ein Mann, der Frauen erklärt, was Feminismus ist und was nicht oder wie sich Frauen zu fühlen haben, ist höchstens ein Pitbull auf dem Kinderspielplatz (Empörte Hundeliebhaber in 3, 2, 1 …). Also wird nun die Journalistin die Feder übernehmen, die sich soeben fertig geschminkt hat und nebenbei noch meine Partnerin ist.

Dank eines Exklusivvertrags mit einem anderen Medium darf ihr Name hier nicht erscheinen. Trotzdem eine Win-win-Situation, sie ist jetzt eh schon wütend, ich dagegen bin fein raus und kassiere auch noch die volle Summe für diese Kolumne. Los geht’s.

Auch wenn ich emotionalisierte Debatten für schwachsinnig halte, kam ich nicht umhin, emotional zu werden und im folgenden auch emo­tio­nal zu schreiben – bin halt eben auch eine Frau, die auch noch dazu gerade ihre Periode hat (Hallo, Mario Barth!).

Frauen sollen handeln

Es sind Positionen wie die von Frau Kuchler, die ein gesellschaftliches Klima befördern, das es Frauen doppelt schwer macht, sich zu wehren. Ich bin es leid, dass jedes Mal, wenn es darum geht, männliches Fehlverhalten zu ändern, es die Frauen sind, die zum Aktionismus aufgerufen werden. „Kleidet euch so und so“, „Geht doch zur Polizei“ oder jetzt eben „Schminkt euch nicht mehr, dann wird alles gut.“

„Die deutsche Frau schminkt sich nicht“ war früher schon keine gute Idee (Hallo, Nationalsozialismus!) und ich bezweifle, dass ein Make-up-freies Gesicht auch nur eine Frau damals vor männlichen Übergriffen bewahrt hat (Hallo, Rote Armee Fraktion!), Statistiken bezüglich sexueller Übergriffe, etwa von Frauen im Mao-Regime, zu finden wird schwierig.

Das einzige Mittel, das in der Zukunft eine #metoo-Kampagne überflüssig machen wird, ist, unsere Männer, Brüder, Söhne dazu zu erziehen, Frauen als Menschen zu betrachten und nicht als eine Biomasse, die eine Uniform oder Mascara trägt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Juri Sternburg
Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  
Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • Ich hab mir den Artikel in der ZEIT jetzt auch mal in Ruhe durchgelesen – und ärgere mich nun umso mehr über diesen hier.

     

    Heiße Aufregerschreibe im Affekt gibt es meines Erachtens wirklich schon genug. Und der Autor kokettiert ja auch noch mit seinem Zeilengeld für nichts.

     

    "Auch wenn ich emotionalisierte Debatten für schwachsinnig halte, kam ich nicht umhin, emotional zu werden…" – Es wäre besser gewesen, ein paar Minuten durchzuatmen und den Text dann einfach noch mal zu lesen. Und dann etwas differenzierteres zu Papier zu bringen, statt aktives Missverstehen zu betreiben. Stammtisch hab ich am Stammtisch wirklich schon genug.

  • & nochens - @"Ungeschminkt"

     

    Da sarense was.

    Mir immer noch im Ohr -

    Das herrliche Gelächter einer meiner

    Oberstufenlieben - "…kannste mir mal

    Den Eyeliner geben?!"

    &

    Komplett unbeleckt - ich nen

    Lippenstift rüberlangte!;))

    &

    Tja - die Damen en famille -

    Charakterköppe ohne Tünche.

    Da mähtste nix. Normal.

    &

    Ehefrauen et al. einschl. Tochter -

    Ließen Nachhilfe angedeien!;))

    Aber - Meins isses nich so wirklich -

    Einschl. "Restglitter" - aber meist lustig.

    &

    Genau dess schonn & ok.

    &

    Der ganzen! affirmativen Seuche -

    Kommste durch - so&ähnlich -

    "Verweigert euch"-Fanale - nicht bei.

    Kein Stück.

    &

    Dess is noch nichemal "Gutgemeint"

    Sondern ein weiterer Dreh auf der

    Nachoben offenen pc&blockySchraube.

    &

    kurz - So viele locker kann frauman eigentlich gar nicht haben.

    Newahr.

  • Interessante Leserkommentare, fast alle ähnlich und alle verstehen den ZEIT-Artikel besser als der kommentierte Artikel. Nur die Forderung, dass sich was ändern muss, die stelle ich dann doch in Frage: die ganz überwiegende Mehrheit der Frauen ist eben auch ganz zufrieden mit der jetzigen Rollenverteilung und solange sie das ist, muss man sie nicht umerziehen. Atalaya schreibt richtig: "....negiert die gesellschaftliche Dimension, will in Wahrheit auch keine Änderung und der bewirkt auch keine. Herauskommt dabei Aktionismus, wie bei Metoo u.ä.!"

     

    Meine These ist aber die, dass die Beschreibung stimmt, aber der Wunsch nach Veränderung nur von einer kleinen Minderheit geteilt wird und sie deshalb auch bewusst nicht stattfindet. Der Mainstream ist mit der Situation nicht unzufrieden und fühlt sich durch High-heels und Schminken nicht beeinträchtigt, sondern freut sich daran.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Freiheit heißt, tun und lassen zu können, was man will. Dazu MUSS man es aber auch mal tun und auch mal lassen und es nicht nur KÖNNEN, sonst ist das wie beim Alki, der ja auch jeden Tag aufhören könnte, wenn er nur wollte."

     

    Jau. Freiheit heißt aber vor allem, zu wissen, was man will und das nicht im Sinne des Habenwollens. Wer das nicht weiß, genießt bloß die "Freiheit" eines Gefängnisses, auch wenn er sich noch so sehr etwas anderes einredet oder dies eingeredet bekommt.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    "Entweder alle tragen die Erkennungszeichen ihres Körpers sichtbar in die Welt – wohlgeformte oder schlaffe Brüste, glatte oder behaarte Haut, elegante oder ungestalte Beine, straffe oder schlappe Hintern, flache oder gewölbte Bäuche –, oder keiner tut es. Die strukturelle Asymmetrie, dass nur Frauen dies tun müssen und tun wollen, ist zu beenden. Ihr ist der Konsens zu kündigen. "

     

    -Ein Wort hat die Zeit Autorin dabei im letzten Satz vergessen.

     

    Das nur Frauen dies tun "dürfen".

     

    Die Asymmetrie besteht nämlich darin, das Männer ihre Nägel nicht bunt färben sollen, sich nicht die Beine rassieren sollen, sich nicht Schminken sollen(wie würde das wohl bei einem Geschäftsmeeting wirken?)usw.

     

    ^^Alles übrigens schön mitgetragen und gefordert von Frauen. "Wir dürfen uns schminken, ihr nicht,

    wir sind das schöne Geschlecht, ihr nicht, wir sind sexy, ihr nicht"

     

    Von Typen wir erwartet auszusehen wie der Holzfäller aus dem Wald, oder der Geschäftsmann aus der Bank.

     

    Diese Ungleichheit lässt sich übrigens in zwei Richtungen aufbrechen, wie die Autorin treffend bemerkt hat.

     

    "Da die Asymmetrie das Problem ist, kann sie natürlich prinzipiell in zwei Richtungen aufgelöst werden: indem Frauen sich weniger schön machen, oder indem Männer sich mehr schön machen"

     

    -Aber auch dazu müssten sich Männer von den weiblich-konservativen Vorstellungen lösen, wie ein Mann zu sein hat und den Mut haben, ihren eigenen Sinn für männliche Schönheit zu entwickeln.

     

    Auch wenn die Frau den Mann mit Mascara und rassierten Achseln dann zunächst mal mit Nichtachtung strafft, oder als schwul bzw. verückt abstempelt

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Meine Güte, die armen heterosexuellen Männer. Müssen das tun, aus lauter Angst, sonst keine Frau zu finden. Weil wir ja alle wissen, dass ein Mann ohne Frau nicht überleben kann.

      Es ist genau diese Mischung aus Hass und Abhängigkeit, die mich bei heterosexuellen Männern so anekelt. Frauen sind für Heteromänner keine gleichwertigen Partnerinnen, sondern ein notwendiges Übel. Genau DAS ist der Grund, warum so viele Frauen Männern irgendwann den Rücken kehren und lesbische Beziehungen beginnen. Ihre offenbar paranoide Angst, keine Frau mehr zu finden, wenn Sie Ihre feminine Seite ausleben (die ich Ihnen übrigens keine Sekunde abnehme), ist genau der Grund, warum heterosexuelle Männer niemals eigenständig werden. Nur bitte, hören Sie auf, die Schuld bei den Frauen zu suchen.

  • "Das einzige Mittel, das in der Zukunft eine #metoo-Kampagne überflüssig machen wird, ist, unsere Männer, Brüder, Söhne dazu zu erziehen, Frauen als Menschen zu betrachten und nicht als eine Biomasse, die eine Uniform oder Mascara trägt."

     

    Oh zorniger, gerechter Gott! Ja, Du bist sehr gut. Ja, wir mögen Dich: Du darfst weiter mitspielen.

     

    Aber wie wär's statt Virtue Signaling zur Abwechslung mal damit: "Menschen zu erziehen, Menschen als Menschen zu betrachten"?

     

    Könnte den Kapitalismus gefährden.

     

    Dann muss man auch nicht mehr alles ins enge Narrativ kloppen, kann genauer hingucken und die Probleme vielleicht bei der Wurzel packen, ohne Not, pauschal ganze Gruppen abzuwerten.

     

    Und noch ein Witz außerhalb des "die Männer sind schuld"-Narrativs:

     

    Der Ex-Bodyguard von Mariah Carey erhebt Vorwürfe sexuell belästigt worden zu sein. Hat vermutlich nicht übermäßig viel Zeit mit Schminken verbracht:

    https://pagesix.com/2017/11/08/ex-bodyguard-accuses-mariah-carey-of-sexual-harassment/

     

    Was denkt man beim Lesen? Wie lustig, armer Kerl? Wenn man in der Story gedanklich die Geschlechter tauscht, sieht man dass die Anschuldigungen ausreichen würden, Mariah Careys Karriere zu beschädigen. Aber nur dann?

    • @Hanno Homie:

      Da fehlt jetzt eigentlich nur noch: "Schluchz, wieso haben nur die LGBTs einen schönen CSD, warum hab ich keinen straight pride day, warum feiern wir nicht einfach alle?

      Und die bösen Schwarzen mit Black Lives Matter, ich sehe keine Farben, all lives matter!"

       

      Wissen Sie, man sollte ja durchaus die Betrachtung systemischer Ungleichheit nicht allzu simplistisch betreiben. Aber deshalb so zu tun, als gäbe es gar keine, ist halt auch'n bisschen arg einfach.

       

      Ach, und re: Mariah Carey: Rauchen ist halt auch dann nicht gesund, wenn Sie einen Bekannten kennen, der kettenquarzend 120 geworden ist.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Der Zeit Artikel gibt schon ein bischen mehr her, als das hier. Ich zitiere:

     

    "Ich mache dieses Spiel nicht mehr mit. Ich tue nicht mehr für mein Aussehen als der durchschnittliche Mann, und ich stelle meinen Körper nicht stärker zur Schau als der durchschnittliche Mann."

     

    Da die Asymmetrie das Problem ist, kann sie natürlich prinzipiell in zwei Richtungen aufgelöst werden: indem Frauen sich weniger schön machen, oder indem Männer sich mehr schön machen. Die Gegenrichtung wäre theoretisch ebenso denkbar, und es gibt dazu in jüngerer Zeit ja auch durchaus Ansätze und Angebote an Männer vonseiten der Mode-, Kosmetik- und Fitnessindustrie....

     

    Hier müsste der Bruch beginnen, und nicht erst bei der Abwehr von Übergriffen. Solange wir uns bereit erklären, unsere Hintern in hautenge Hosen zu zwängen, unsere Beine in Strumpfhosen vorzuführen und auf hohen Absätzen daherzuklappern, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir als "knackiger Hintern" oder "scharfe Schnitte" wahrgenommen werden. Dass enge Hosen und hohe Schuhe Männern kein Recht zum Grapschen und zu schlüpfrigen Sprüchen geben, bleibt dadurch unbenommen. Männer müssen sich kontrollieren und ihre Hände und Zunge im Zaum halten – selbst wenn die Wahrnehmung von Körperattributen sich aufdrängt, ist der Überschritt zum Handeln in keinem Fall erlaubt. Aber zwischen dem Recht auf körperliche und kommunikative Unversehrtheit und einem Auftreten im Geiste des Egalitarismus liegen Welten. Solange wir nur auf Erstere pochen, sind wir Teil des Systems.

     

    Werft die High Heels auf den Müll! (Oder reserviert sie für seltene private Gelegenheiten.) Der Mann trägt sein Leben lang Schuhe, die so geformt sind, dass sie der Anatomie des Menschen als Laufwesen angepasst sind. Dass Frauen dazu gebracht werden, Schuhe zu tragen, die des anatomischen Baus des Menschen spotten, ist ein haarsträubender Missstand, gegen den sich schon lange eine Bewegung aus Ergonomen, Ärzten und bewegungsbewussten Frauen hätte formieren müssen."

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @6474 (Profil gelöscht):

      2)Weiter gehts:

       

      "Bietet den Männern nicht mehr fürs Auge, als sie euch bieten! Wie viele Paare laufen so durch die Stadt: Sie hat sich offensichtlich mit Sorgfalt zurechtgemacht, während Er irgendeine Hose, irgendeine Jacke und irgendwelche Schuhe trägt? Frauen – findet ihr es nicht ungerecht, dass uns dieser Aufwand an Zeit, Geld und Lebensenergie abverlangt wird und den Männern nicht?....

       

      Ich höre schon die wütenden Proteste von manchen meiner Geschlechtsgenossinnen. Sie werden mir Verrat und Vertreten kruder Macho-Positionen vorwerfen, und sie werden mit Zähnen und Klauen ihre persönliche Beautyfarm in Bad und Kleiderschrank verteidigen. Die Verteidigungslinie geht so: "Jetzt sollen wir auch noch selbst schuld sein, wenn wir angegrapscht werden, weil wir uns schön machen. Ich will mich aber schön machen. Ich tue das nicht für die Männer, sondern für mich selbst. Ich will mich nicht ändern müssen, nur damit die Grapscher es leichter haben, nicht zu grapschen." ....

       

      Zu sagen, dass Frauen es "für sich selbst tun", ist aber naiv. Es ist zwar sicherlich richtig, dass die Standards des Gutaussehens so tief in das Selbstverständnis vieler Frauen übergegangen ist, dass es "zu ihnen selbst" gehört, dass sie sich anders nicht wohl fühlen und sich ohne Make-up und schickes Outfit – wenn man so sagen darf – kastriert fühlen. Aber das ist das Problem. Dass sie es etwas "für sich selbst tun" ist keine Lösung. Es perpetuiert das archaische Schema "Jane schön, Tarzan stark".

       

      Bequeme oder praktische Kleidung kann man für sich selbst anziehen wollen, in einem einsamen Akt des Körperkomforts, in einem Robinson-Akt sozusagen. "Schicke" Kleidung oder "sexy" Outfits dagegen kann man nicht für sich selbst anziehen wollen – die Wörter "schick" und "sexy" haben keinen Sinn außer in der sozialen Beziehung zu anderen, in einer Robinson-Welt hätten sie keine Bedeutung. "

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @6474 (Profil gelöscht):

        3) und jetzt der wichtigste Teil:

         

        "Der Punkt ist nicht, dass Frauen sich mehr bedecken sollen, dass sie weniger freizügig sein sollen in irgendeinem absoluten Sinn. Der Punkt ist, dass Freizügigkeit und Blickoffenheit symmetrisch verteilt werden sollen. Entweder alle tragen schützende Kleidung, die Beine und Brust bedeckt und einen Zentimeter Spielraum zwischen Haut und Stoff lässt, oder keiner trägt sie. Entweder alle tragen die Erkennungszeichen ihres Körpers sichtbar in die Welt – wohlgeformte oder schlaffe Brüste, glatte oder behaarte Haut, elegante oder ungestalte Beine, straffe oder schlappe Hintern, flache oder gewölbte Bäuche –, oder keiner tut es. Die strukturelle Asymmetrie, dass nur Frauen dies tun müssen und tun wollen, ist zu beenden. Ihr ist der Konsens zu kündigen.

         

        Männer und Frauen, Kollegen und Kolleginnen: Glaubt ihr, Frauen könnten kein Vergnügen daran haben, in langweiligen Meetings den Blick in Männerausschnitte wandern zu lassen oder hautenge Männerhosen daraufhin zu beobachten, ob sie im Schritt eine unangemessene Wölbung zeigen? Das Abgleiten vom beruflich-sachlichen Fokus auf privat-animalische Interessen ist eine Möglichkeit für alle, nicht bloß für die "natürlicherweise" als Jäger und Beutemacher gebauten Männer. Nur sind die Gelegenheiten dafür ungleich verteilt. Wenn sie symmetrisiert würden, würde damit auch sexuellen Übergriffen, die sich von dieser Asymmetrie nähren, der Boden entzogen. "

         

        ^^Es geht also nicht um "victimsblaming" oder die Verharmlosung von Übergriffen, sondern um sexistische Strukturen, die dadurch aufrecht erhalten werden, das die Frau schön zu sein hat und der Mann stark und erfolgreich.

        • @6474 (Profil gelöscht):

          Wenn ich mal konstruktive Kritik am anderen Geschlecht üben darf: Das Hauptproblem ist die immer noch - auch bei "emanzipierten" Frauen - sehr deutliche Duckmäuserei bei der offensiven Beziehungsanbahnung: "SIE" lockt nur und wartet dann, dass "ER" handelt.

           

          Solange das die Regel ist, bleibt auch die Kleiderordnung ungleich. Erst wenn Männer eine realistische Hoffnung haben, selbst durch passives Locken tatsächlich Frauen nicht nur ausnahmsweise zum aktiven Anbandeln bewegen zu können, haben sie einen hinreichenden Anlass, es den Frauen in Bezug auf optische Signalsetzungen gleichzutun. Ich befürchte allerdings, dass das erst das Ende eines langen Prozesses sein wird, für den zunächst mal die Frauen ihre Fixierung auf "innere Werte" (insbesondere der jeweiligen Brieftasche) zugunsten einer ganzheitlicheren Betrachtung, die auch die Optik einschließt, ablegen müssten.

           

          Gleichzeitig täte es uns Männern gut, Frauen z. B. AUCH mal als potenzielle Versorgerinnen zu betrachten. Dann nimmt zwangsläufig die Neigung zur optisch sofort als solche erkennbaren Jagdtrophäe ab...

          • 6G
            6474 (Profil gelöscht)
            @Normalo:

            Klar, ich stelle auch keine großen Anforderungen an Frauen. Sie sollte mich halt versorgen können und Ziele im Leben haben.

             

            Reich oder schön braucht sie nicht sein.

             

            Bei Interesse melden..

            • @6474 (Profil gelöscht):

              Sehr schön (und progressiv).

               

              Und? Postfach schon übergelaufen?

  • Ich denke, der ZEIT-Artikel meint etwas ganz anderes als "selbst schuld". Nämlich dass "Schminken" und "Komplimente", "Schönheit betonen" und "auf Schönheit reduziert werden" 2 Seiten der gleichen Medaille sind.

     

    Dass für viele Menschen die Optik etwas ist, worauf sie wert legen und wo sie sogar gern hören, wenn sie anderen gefallen - nur eben nicht zu unpassenden Gelegenheiten.

     

    Die Aufforderung, sich nicht mehr zu schminken und die körperlichen Vorzüge zu verstecken, würde die Frauen zu asexuellen Wesen machen, die sie ganz überwiegend eben nicht sind (zum Glück).

  • Ich versuche mal, etwas weniger emotional zu reagieren - bin ja ein Mann... ;-)

     

    Auf mich wirken die ständigen Victimshaming-Aufschreie furchtbar verlogen oder zumindest bigot. NATÜRLICH ist es zu verurteilen, wenn jemand so tut, als läge es zuerst an den Frauen, Fehlverhalten von Männern ihnen gegenüber durch Zurücknahme oder sonstwas zu verhindern. Die erste Pflicht liegt da eindeutig bei den Männern - wohlgemerkt bei denen, die sich tatsächlich falsch verhalten.

     

    Danach kommt der gesamtgesellschaftliche Aspekt, also das soziale Umfeld, das Übergriffe erst sanktioniert, wenn sie bestimmte Grenzen überschreiten, und sie bis zur Erreichung dieser Grenzen teilweise auch noch unterstützt. Das soll auch nicht ignoriert werden, und solange dieses Umfeld männlich ist, ist es ja scheinbar aus feministischer Sicht auch völlig ok, nominell Unschuldige mit Vorwürfen und Handlungsmaßgaben zu überhäufen.

     

    Aber das Umfeld ist NICHT nur männlich. Man erzählt doch niemandem etwas Neues, wenn man feststellt, dass der Unterschied zwischen einer gelungenen Anbahnung zwischenmenschlicher Beziehungen, einer chancenlosen Anmache und einer sexuellen Belästigung oft ausschließlich im Auge der Betrachterin liegt. Das Verhalten kann dasselbe sein, nur der subjektive Sympathiewert entscheidet über erwünscht (evtl. sogar notwendig, wenn's was werden soll), unerwünscht oder eben übergriffig. Ebenso ist es lächerlich zu leugnen, dass sehr viele Frauen nach wie vor einen erheblichen Aufwand betreiben, um ERWÜNSCHTE Blicke und Annäherungen von ihnen genehmen Zeitgenossen gleich welchen Geschlechts zu (Achtung! Reizwort:) provozieren. Ich verwende das Wort bewusst und bin gerne bereit, darüber zu diskutieren.

     

    Vor dem Hintergrund ist es hanebüchen, wenn dieser Teil der Wirkungskette (an deren Ende schwere Übergriffe Einzelner wie auch häufige kleinere Verstöße einer größeren Zahl von meist männlichen Exemplaren stehen) so rigoros und aufbrausend zum Tabu erklärt wird - Periode hin oder her.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Das einzige Mittel, das in der Zukunft eine #metoo-Kampagne überflüssig machen wird, ist, unsere Männer, Brüder, Söhne dazu zu erziehen, Frauen als Menschen zu betrachten und nicht als eine Biomasse, die eine Uniform oder Mascara trägt."

     

    Schön! Aber wie? Die Mütter hatten ja schon mindestens eine Generation Zeit dazu, haben sie da was verpennt? Wahrscheinlich sind es aber nur die bösen Väter, die zwar angeblich nie da sind, wenn Kind sie braucht, aber natürlich schuld sind, wenn die Erziehung in die Hose geht!?

     

    Und was ist mit der gesellschaftlichen Dimension. Die wird hier verneint im billigen Rekurs auf "Victimshaming", aber genau die gesellschaftlichen Imagines, die nicht nur durch die aggressive Werbung erzeugt werden, sondern durch ein von PC und wirtschaftliche Interessen orchestriertes Konzert gesellschaftlich sanktionierter Konstruktionen, die werden verteidigt!?

     

    Wer meint, man könne das Problem an die Erziehungsberechtigten deligieren, negiert die gesellschaftliche Dimension, will in Wahrheit auch keine Änderung und der bewirkt auch keine. Herauskommt dabei Aktionismus, wie bei Metoo u.ä.

     

    Der inkriminierte Satz "Wer morgens vorm Spiegel den Eyeliner zückt, malt mit an der schönen Seite einer gesellschaftlichen Ordnung, deren hässliche Seite das Grapschen und Einsammeln von Frauen als Jagdtrophäe ist", sollte zu denken geben statt zu hysterisch-emotionalen Reaktionen wie diesen führen, die überdie vermuten lassen, dass die ZEIT den Finger offenbar in eine schmerzende Wunde gelegt hat.

    • @849 (Profil gelöscht):

      "Erziehung" besteht nicht aus dem, was man Kindern sagt, sondern vor allem aus dem, was man ihnen vorlebt und was sie tagtäglich sehen und erleben. Mädchen begreifen sich viel häufiger als Sexualobjekt, wenn ihre Mütter das auch tun oder sich so verhalten, als ob sie es tun. Jungen begreifen Frauen viel häufiger als Sexualobjekt, wenn die Mütter sich so begreifen.

       

      Es geht ja gar nicht um das Verbot von Schminken, es geht um die Frage, ob das sexualisierte Anmalen und ausstaffieren ("immer schön fickbar bleiben!") als alltägliche und schon fast zwanghafte Selbstverständlichkeit nicht doch problematisch sein könnte.

       

      Freiheit heißt, tun und lassen zu können, was man will. Dazu MUSS man es aber auch mal tun und auch mal lassen und es nicht nur KÖNNEN, sonst ist das wie beim Alki, der ja auch jeden Tag aufhören könnte, wenn er nur wollte.

       

      Gilt natürlich umgekehrt genauso bei Kopftüchern: Wenn eine Frau in der Öffentlichkeit immer ein Kopftuch trägt, ist die Frage, ob sie es freiwillig tut oder nicht, rein akademisch. Wenn sie es auch mal weglässt, dann ist das offensichtlich freiwillig und situativ.

       

      Auch Frauen spüren ihre Ketten nicht, wenn sie sich nicht bewegen.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Mustardman:

        "Freiheit heißt, tun und lassen zu können, was man will. Dazu MUSS man es aber auch mal tun und auch mal lassen und es nicht nur KÖNNEN, sonst ist das wie beim Alki, der ja auch jeden Tag aufhören könnte, wenn er nur wollte."

         

        Jau. Freiheit heißt aber vor allem, zu wissen, was man will und das nicht im Sinne des Habenwollens. Wer das nicht weiß, genießt bloß die "Freiheit" eines Gefängnisses, auch wenn er sich noch so sehr etwas anderes einredet oder dies eingeredet bekommt.

  • Na Servus & Danke.

     

    Da weiß ich über Bande mal wieder -

     

    Warum ab der Gräfin & Oberschleimer

    "Helmut du wirst dich nicht erinnern"

    Theo Sommer - Ranwanzer v.D. &

    Gnadenknäckebrötler v. Giovanni di DoppioLorenzo.

    Diese Bleiwüste der Biedermeier2.0 - 4.0

    Bourgeoise - Nicht mehr Donnerstaglektüre ist.

    kurz - Kategorie - Fischeinwickelpostille!

    Ekelhaft & Bodenlos.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Wieder mal allen in der Zeit ordentlich was mitgegeben. Ungeschminkt!

  • Volle Zustimmung. Allerdings fehlt der Hinweis auf eine Uniform, die aktuell das Straßenbild in Deutschland bereichert, und es fehlt ein ‚Hallo‘ zur Ideologie, die dahinter steckt.

     

    Warum? Angst? Ignoranz? Schere im Kopf?