Kolumne Liebeserklärung: Servus, Verflossener!
Christian Ude war fast 20 Jahre Oberbürgermeister von München. Jetzt muss er gehen. Ach, wäre er doch nur Anwalt geblieben!
H olen Sie doch der Frau Ministerpräsident ein Bier!“, hat der Schuldirektor beim Festakt anlässlich der Luxussanierung des ehrwürdigen Gymnasiums gesagt, welches ich seinerzeit in München besucht habe. Für Marianne Strauß wollte ich nicht kellnern. Mich zog es zu dem Tisch, an dem ein dunkelhaarigen Typ mit Schnauzbart saß und über seine Zeit an dieser Schule redete. Sie habe nach der Renovierung den Geruch verloren, meinte er.
Es war der große Münchner Mieteranwalt Christian Ude, der da sprach, der den Schüler, die sich um ihn scharten, Mut zusprechen wollte im Kampf gegen die Immobilienhaie und Marmortreppenhausbauer dieser Stadt. Was für ein Typ! Sogar Humor hatte er.
Ich war ein Fan. Und als ein Mitschüler, der bei den Jusos war, mich zu einer Party in Udes Altbaukeller in Schwabing eingeladen hat, war ich mehr als nur ein bisschen stolz, diesem Mann ganz nahe gekommen zu sein. Mein Held ist dann an jenem Abend gar nicht aufgetaucht, und so kühlte mein Herz nach einem kurzen Liebesrausch schnell wieder ab. Wenn ich mich heute mit meinen Münchner Freunden nach 20 Jahren unter der Regentschaft von Ude als Oberbürgermeister darüber unterhalte, wie viel sie für ihre Wohnung zahlen, schäme ich mich dafür, dass Ude meine erste politische Liebe war.
Und wenn ich ihm zuhöre, wenn ich versuche, seinen druckreifen Sätzen, die er in unnachahmlich einschläfernder Art vorträgt, zu folgen, kann ich gar nicht glauben, dass es dieser Mann war, der mir einst am Biertisch in der Schulturnhalle gegenübersaß und politisierte. Vielleicht muss ich mich doch nicht schämen für meine frühen Gefühle. Ude war seinerzeit ein anderer. Jetzt ist er für das Oberbürgermeisteramt zu alt und muss abtreten. Dass er meine ehemalige Heimatstadt nicht mehr regiert, ist mir ziemlich egal.
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