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Kolumne German AngstMan muss es erzählen. Immer wieder

Sonja Vogel
Kolumne
von Sonja Vogel

Die coole Bar, der beste Freund, der bekannte Barkeeper. Und dann drei Arschlöcher. Und nur keine Angst vorm Handgemenge.

„Ein Mann fragt mich, ob es mir gut geht. Mir geht es gut – weil ich mich wehren konnte“ Foto: Imago/Ikon Images

E inige werden jetzt gleich aussteigen, denn das hier ist eine Ich-Geschichte. Die schreibe ich eigentlich nicht. Und ich lese sie selten. Aber heute muss es einmal sein. Folgendes ist an diesem Wochenende passiert.

Ich war mit meinem besten Freund in einer Bar. Der Freund ist nicht aus Deutschland. Er fragt mich, was in der deutschen Politik los ist. Ich erzähle, dass eine Ärztin verurteilt wurde, weil sie Abtreibungen anbietet. Denn das ist, was mich gerade bewegt. Er hört das erste Mal vom Paragrafen 219a und ist schockiert. Vom Anspruch des Staates auf den Körper der Frau kommen wir zum Sexismus und wie hoch die Toleranzschwelle von Übergriffen ist, wie man sie nonstop skandalisieren müsste.

Da fasst mir jemand an den Arsch. Was für ein Timing! Was kommt, ist wie aus dem Lehrbuch. Obwohl wir doch gerade genau davon geredet haben. Ins Gespräch vertieft, schiele ich nur über die Schulter: Wer kann mich aus Versehen berührt haben? Ich rede weiter, der Körper angespannt. Dann bekomme ich einen zweiten Schlag auf den Arsch. Ich drehe mich um: am Tisch, der am nächsten ist, sitzen vier Männer, sie schauen nicht mal auf. Ich versuche, mich auf mein Gespräch zu konzentrieren. Ich kann es nicht. Mein ganzer Körper, gut geschult, wartet auf das dritte Mal. Und es kommt.

Ich drehe mich um, die Männer schauen weg. Ich frage, welches Arschloch mich angefasst hat? Keine Reaktion. Von niemandem. Ich schlage auf den Tisch: Wer war das? Die Männer lachen. Ich gehe zur Bar, weil ich den Barkeeper kenne, und vermutlich nur deshalb. Ich zeige auf die Männer, ich gehe davon aus, dass sie alles abstreiten. Aber einer reckt die Faust in die Luft, er ist glücklich zu zeigen: Das war ich.

Fäuste, Polizei, Hausverbot

Nun geschieht das und zwar ganz schnell: Der Barkeeper fordert den Mann auf, die Bar zu verlassen. Der, ganz in seinem Element, freut sich über die Aufmerksamkeit, spreizt sich. Ich bin wütend. Ich kippe ihm sein Weinglas über den Kopf. Er steht auf, er schubst, Fäuste werden ausgepackt, die Polizei gerufen. Hausverbot erteilt. Ein Dutzend Männer sind mittlerweile auf den Beinen, sie bilden einen Ring um das stolze Arschloch. Eine Frau steht auf, sie sagt: Reißt euch mal zusammen, wir haben alle einen schönen Abend. Schließlich sind die Arschlöcher weg.

Ein Mann fragt mich, ob es mir gut geht. Mir geht es gut. Mir geht es gut, weil ich mich wehren konnte. Mir geht es gut, weil es gut ist, dass viele Männer aufgestanden sind. Mein bester Freund sagt: So soll es sein. Der Barkeeper sagt: Normalerweise ist es anders. Diesmal ist es aber so. Mein bester Freund sagt: Das ist eine Geschichte, die man erzählen muss. Immer wieder. Ich glaube, er hat recht.

Dreimal musste mir der Mann an den Arsch fassen, bis ich reagiert habe. Ich bin Feministin. Ich habe keine Angst vor einem Handgemenge. Ich kannte den Barkeeper. Hätte ich sonst reagiert? Oder wenn mein bester Freund nicht dabei gewesen wäre? Vielleicht hätte ich den Übergriff ignoriert. Und das Schlimme daran: Ich wäre nicht allein gewesen. Dreimal. Ich kann nicht aufhören, mich darüber aufzuregen.

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Sonja Vogel
tazzwei-Redakteurin
Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.
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4 Kommentare

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  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Auf den Tisch hauen, den an dem die Arschlöcher sitzen, hilft viel.

    Erzeugt Aufmerksamkeit und keiner kann es ignorieren.

    Das weiss ich aus Erfahrung.

    Habe mal so richtig mit meiner Faust auf den Tisch einer Stammtischrunde gehauen. Ältere, gesetze Männer, die die junge Bedienung angetatscht haben und anzügliche Bemerkungen gemacht haben. Sie war völlig hilflos.

     

    Nach dem Schlag habe ich die Arschlöcher angeschaut und gesagt:

    Ihr armen Burschen müßt ja einen total beschissenes Sexleben haben, dass ihr sowas nötig habt.

     

    Erst Stille, dann haben Viele laut gelacht, und die Spannung war raus.

    Die älteren Herren haben ihren Stammplatz verlassen unter lautem Gebrummel und mit roten Köpfen.

  • Sehr gut. Alle müssen sich wehren. Ich verweise auf die Kommentare zum heutigen Artikel über #MeToo (Interview mit Katharina Barley). Da schieben zwei Leser ganz schamlos den Frauen die Schuld in die Schuhe.

  • Auch wenn viele Leute das nur ungern zugeben, aber Arschlöcher und Feministinnen haben immerhin eines gemeinsam: Sie sind Menschen. Als solche brauchen sie, um aktiv zu werden, vor allem dreierlei: Sie müssen die Möglichkeit, die Fähigkeit und die Bereitschaft zum Handeln haben.

     

    Weil man ja meistens mit dem Ursprung anfängt, schaue ich mir nun zunächst mal jenes „stolze Arschloch“ an, das seine Hände nicht bei sich behalten hat. Es hat grabschen gewollt, grabschen gekonnt und zunächst auch zweimal grabschen gedurft. Dann hat die Feministin „Ernst“ gemacht.

     

    Die Frau war nicht allein. Sie kannte den Barkeeper, hatte ihren besten Freund dabei und keine Angst vor einem Handgemenge oder gar vor der Polizei. In Fällen, in denen man es mit Arschlöchern zu tun bekommt, kann diese Konstellation sehr hilfreich sein. Denn schließlich: Auch Feministinnen müssen nicht nur wollen. Sie müssen auch können. Und sie müssen dürfen.

     

    Frau Vogel wollte. Sie ist überzeugt: Manche Arschlöcher sind einfach dümmer, als die Polizei erlaubt. Bei denen ist Hopfen und Malz verloren. Sie reagieren nur auf Gewalt. Was kein Problem ist, wenn nicht nur das Arschloch Zeugen aufzubieren hat, sondern auch das Opfer. Die Polizei muss dann nämlich zu Gunsten des Opfers agieren. Sie kann sich nicht einfach drücken vor ihrer Aufgabe, auch wenn sie das womöglich gerne möchte.

     

    In solchen Luxus-Situationen ist des (Re-)Agieren ein Kinderspiel. Gewalt ist eine Sprache, die Arschlöcher verstehen. Der Sieger steht damit quasi im Voraus fest: Es ist der, der die meiste „manpower“ hat.

     

    Wie die Sache ausgegangen wäre, wenn besagtes Arschloch weniger unvorsichtig (man kann auch sagen: stolz) gewesen wäre und Sonja Vogel weder eine -istin, noch in verlässlicher Begleitung, kann ich mir gut vorstellen. Nicht vorstellen kann ich mir, dass ihre Ich-Geschichte dann in einer Zeitung gestanden hätte. Nicht mal die taz hätte sie abgedruckt. „Mensch wehrt sich nicht“, ist schließlich keine Nachricht.

  • Da kann man sich auch nur aufregen - und muss. Die Chancen sind zwar gering, dass die Arschlöcher draus lernen (allenfalls unterdrücken sie ihre Triebe etwas), aber all die anderen haben eine gewaltige Lektion bekommen: wehrt euch, es hilft. Wer Zeuge ist, ist auch verantwortlich und muss handeln.

    Wer sich nicht wehrt, war schon mitverantwortlich für grosse Kriege...das hier ist das Gleiche im Kleinen.

    Dumm nur, meine Angst bei so was: diese Art testosterongesteuerten Ärsche können so was nur schwer auf sich sitzen lassen. Die Personalien von der Polizei festhalten zu lassen ist zumindest ein guter Hebel für die, nicht zu oft auffällig zu werden. Und sie sind greifbar, wenn sie ihre Rache wollen.

    Und noch dummer: "das war dann der Alkohol" - könnt ich kotzen.