Kolumne German Angst: Man muss es erzählen. Immer wieder

Die coole Bar, der beste Freund, der bekannte Barkeeper. Und dann drei Arschlöcher. Und nur keine Angst vorm Handgemenge.

Ein Mensch sitzt an einer Theke

„Ein Mann fragt mich, ob es mir gut geht. Mir geht es gut – weil ich mich wehren konnte“ Foto: Imago/Ikon Images

Einige werden jetzt gleich aussteigen, denn das hier ist eine Ich-Geschichte. Die schreibe ich eigentlich nicht. Und ich lese sie selten. Aber heute muss es einmal sein. Folgendes ist an diesem Wochenende passiert.

Ich war mit meinem besten Freund in einer Bar. Der Freund ist nicht aus Deutschland. Er fragt mich, was in der deutschen Politik los ist. Ich erzähle, dass eine Ärztin verurteilt wurde, weil sie Abtreibungen anbietet. Denn das ist, was mich gerade bewegt. Er hört das erste Mal vom Paragrafen 219a und ist schockiert. Vom Anspruch des Staates auf den Körper der Frau kommen wir zum Sexismus und wie hoch die Toleranzschwelle von Übergriffen ist, wie man sie nonstop skandalisieren müsste.

Da fasst mir jemand an den Arsch. Was für ein Timing! Was kommt, ist wie aus dem Lehrbuch. Obwohl wir doch gerade genau davon geredet haben. Ins Gespräch vertieft, schiele ich nur über die Schulter: Wer kann mich aus Versehen berührt haben? Ich rede weiter, der Körper angespannt. Dann bekomme ich einen zweiten Schlag auf den Arsch. Ich drehe mich um: am Tisch, der am nächsten ist, sitzen vier Männer, sie schauen nicht mal auf. Ich versuche, mich auf mein Gespräch zu konzentrieren. Ich kann es nicht. Mein ganzer Körper, gut geschult, wartet auf das dritte Mal. Und es kommt.

Ich drehe mich um, die Männer schauen weg. Ich frage, welches Arschloch mich angefasst hat? Keine Reaktion. Von niemandem. Ich schlage auf den Tisch: Wer war das? Die Männer lachen. Ich gehe zur Bar, weil ich den Barkeeper kenne, und vermutlich nur deshalb. Ich zeige auf die Männer, ich gehe davon aus, dass sie alles abstreiten. Aber einer reckt die Faust in die Luft, er ist glücklich zu zeigen: Das war ich.

Fäuste, Polizei, Hausverbot

Nun geschieht das und zwar ganz schnell: Der Barkeeper fordert den Mann auf, die Bar zu verlassen. Der, ganz in seinem Element, freut sich über die Aufmerksamkeit, spreizt sich. Ich bin wütend. Ich kippe ihm sein Weinglas über den Kopf. Er steht auf, er schubst, Fäuste werden ausgepackt, die Polizei gerufen. Hausverbot erteilt. Ein Dutzend Männer sind mittlerweile auf den Beinen, sie bilden einen Ring um das stolze Arschloch. Eine Frau steht auf, sie sagt: Reißt euch mal zusammen, wir haben alle einen schönen Abend. Schließlich sind die Arschlöcher weg.

Ein Mann fragt mich, ob es mir gut geht. Mir geht es gut. Mir geht es gut, weil ich mich wehren konnte. Mir geht es gut, weil es gut ist, dass viele Männer aufgestanden sind. Mein bester Freund sagt: So soll es sein. Der Barkeeper sagt: Normalerweise ist es anders. Diesmal ist es aber so. Mein bester Freund sagt: Das ist eine Geschichte, die man erzählen muss. Immer wieder. Ich glaube, er hat recht.

Dreimal musste mir der Mann an den Arsch fassen, bis ich reagiert habe. Ich bin Feministin. Ich habe keine Angst vor einem Handgemenge. Ich kannte den Barkeeper. Hätte ich sonst reagiert? Oder wenn mein bester Freund nicht dabei gewesen wäre? Vielleicht hätte ich den Übergriff ignoriert. Und das Schlimme daran: Ich wäre nicht allein gewesen. Dreimal. Ich kann nicht aufhören, mich darüber aufzuregen.

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Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.

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