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Kolumne Geht's noch?Rassismus-Spaß im Karnevalskostüm

Kolumne
von Elisabeth Nöfer

Beim „Chinesenfasching“ in Bayern malen sich Karnevalisten die Gesichter gelb an. Solche Traditionen sind verletzend.

Ethno-Kostüme – Nicht lustig, sondern rassistisch Foto: dpa

G anze Orte sind derzeit im Karnevalsrausch. Bis zum Aschermittwoch scheint alles erlaubt, was die Tradition gebietet. Alles? Nein! Immer mehr Menschen mit Diskriminierungserfahrungen leisten Widerstand gegen die Verballhornung von weiblichen Doppelnamen und rassistischen Verkleidungen. Beim sogenannten „Chinesenfasching“ im bayerischen Dietfurt malen sich Weiße Deutsche die Gesichter gelb und setzen Strohhüte à la Reisbauer auf, um sich mit Folklore-Accessoires in asiatische Karikaturen zu verwandeln.

Das stelle Erfahrungen von rassistischer Gewalt auf schmerzhafte Weise zur Schau, kritisieren die vietdeutschen Journalistinnen Minh Thu Tran und Vanessa Vu im Interview mit der Nachrichtenplattform „watson“. „Yellowfacing“, also das Verkleiden als eine stereotype asiatische Person, hat wie das „Blackfacing“ eine lange Tradition – im Brauchtum, aber auch in der professionellen Filmbranche: In Hollywood-Filmen wie „Frühstück bei Tiffanys“ verwandelten sich Weiße Personen in vermeintlich lustige Asiat*innen. Gleichzeitig bleiben asiatischstämmige Schauspieler*innen bei seriösen Rollen außen vor, sagt Malcom Ohanwe, Kulturredakteur bei Puls. Und Zuschauer*innen mit asiatischem Hintergrund sähen sich nicht repräsentiert.

Unterdessen dauern rassistische Traditionen an. Als Legitimation dient oft ein „das war schon immer so“. Und: Man wird ja wohl noch lachen dürfen. In den Niederlanden und Belgien belustigt bis heute der Zwarte Piet („Schwarzer Peter“) als böser Nikolaus-Begleiter die Massen. Und auf dem Twitter-Account ihres vietdeutschen Podcasts „Rice and Shine“ weisen Tran und Vu auf ein Video vom Bayerischen Rundfunk aus dem vergangenen Jahr hin, in dem ein „Yellowfacing“-Look für den Dietfurter Karneval präsentiert wird.

„Anstatt kritischer Berichterstattung liefert der BR eines der peinlichsten Videos anlässlich des ‚Dietfurter Chinesenfaschings‘“, schreiben die Podcasterinnen. Im Video findet es die Moderatorin anscheinend amüsant, in einer grauenhaften Mischung aus urbayerischem Akzent und verwitzelter chinesischer Sprachfärbung zu sprechen. Dann schlägt sie einen Kimono für den „Chinesen-Style“ vor – mehr als nur ignorant.

Um Verletzungen von Menschen mit Migrationshintergrund zu verhindern, den andere vielmehr als Migrations-„Vordergrund“ wahrnehmen, sollten wir vermeintlich lustige Traditionen abschaffen (der „Chinesenfasching“ in Dietfurt besteht seit ungefähr 1950). Denn durch das absichtliche Närrisch-machen von (historisch) außereuropäischer Folklore wird eine Tribalisierung betrieben, mit der sich die weiße Mehrheitsbevölkerung von der Tradition ihrer asiatischstämmigen Mitmenschen abgrenzt. Auch der Kult um Asterix hat ein Geschmäckle bekommen, das in seiner kulturellen Stereotypisierung gefährlich werden kann. Feiern wir stattdessen eine deutsche Realität, die bunt ist wie ein Faschingszug.

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14 Kommentare

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  • Dürfen Kölner Dirndl und Lederhosen anziehen oder werden dadurch die Gefühle von Bayern verletzt? Wahrscheinlich werden sich die Bayern eher geehrt fühlen. Wenn man sich als Indianer verkleidet, dann geschieht dies aus Sympathie für Indianer. Das ist das Gegenteil von Rassismus.

    • 8G
      84935 (Profil gelöscht)
      @vulkansturm:

      Oder Chinesen als Bayern? Googelt mal "Oktoberfest Qingdao"!



      Wichtig ist doch nur, dass das in positivem Rahmen bleibt und es nicht als Legitimation für unkultiviertes Benehmen missbraucht wird, was man damit der fremden Gruppe zuschreiben würde.



      Andererseits kann man in den Verkleidungen der anderen auch viel über sich selbst lernen. Wenn sich Chines*en als deutsche verkleiden, um hemmungslos saufen und grölen zu können, haben sie viel von dem verstanden, wie auch ich diesen speziellen Aspekt deutscher "Leitkultur" empfinde.

    • @vulkansturm:

      "Dürfen Kölner Dirndl und Lederhosen anziehen" (Vulkansturm)



      Als waschechter Bayer möchte ich Ihnen dringend anraten von Lederhosen Abstand zu nehmen. Diese unhistorische Bekleidungsvariante ist ausschließlich der Anzucht wahrer Prachtexemplare von Hämorhoiden dienlich, wie Ihnen der Proktologe Ihres Vertrauens gerne verraten wird. Dergleichen Erfolge können Sie auch via Fahrrad oder Reiten trefflich erwerben.

  • Nun, auf Neppeser Paschtuneköpp e. V. oder das "Erste Bickendorfer Buzkashi-Geschwader" könnte ich auch verzichten... aber nicht wegen "kultureller Aneignung", sondern weil virtuelles Afghanentum viel zu schade für eine derart peinlich-prollige Veranstaltung wie den real existierenden (rheinischen) Karneval ist... ich trage meinen Pakol ("Massoud-Kappe") immer dann, wenn es praktisch ist, also bei Temperaturen unter 10°C oder drohendem Sonnenstich... und die "Bio-Afghanen" finden das auch gut, ich bin schon mehrfach sichtlich erfreut drauf angesprochen worden! Und der Zottelbart bleibt auch dran, awwal rish, bâz darvish!

  • Karneval darf alles. Der Rassismus ist im Auge des Betrachters.

  • In der ganzen Welt malen sich Leute wie andere Leute an. Etwas Großmut kann nicht Schaden. *gähn*

  • Hat sich schon mal jemand Gedanken gemacht, ob es politisch korrekt ist, sich als Tier zu verkleiden? Und falls ja, ist es dann ok, als weiße Kuh zu gehen, und böse, wenn man ein braunes Kostüm anziehen würde? Fühlen sich bei Obelix vielleicht die nicht ganz so schlanken auf den Schlipps getreten? Als Frau zu gehen könnte als sexistisch ausgelegt werden. Ich bin echt froh, dass der Karneval hier keine so große Rolle spielt.

    • @Tabus überall:

      "und falls ja, ist es dann ok, als weiße Kuh zu gehen, und böse, wenn man ein braunes Kostüm anziehen würde? "

      Als Kuh gehen ist ein absolutes No-Go! Es sei denn, man nimmt Protest-Stampeden wütender Kuh*er und Bull*innen in Kauf... dann ist hier aber Pamplona! Quod licet bovi...

  • Vielleicht sollte man einfach mal kritisieren, dass Verkleiden an sich noch keinen Witz ausmacht.

    Ansonsten bin ich als calvinistischer Protestant natürlich sofort dafür, dass sich zukünftig alle von Veranstaltungen wie Karneval fernhalten und in sich gekehrt ausschließlich ihrem Gewissen widmen und Selbstreflektion betreiben, ob sie jemanden beleidigt haben oder sonstwie böses angetan haben. Wird bestimmt ein lustiges Leben, wenn wir das alle machen.

  • Mein Eindruck ist, dass Womanfacing viel verbreiteter ist: Männer, die sich als Frauen verkleiden, um Frauenstereotypen verächtlich zu machen. Das hat nun wirklich hier Traditon.

  • Die Tradition des Yellowfacing wird als lang bezeichnet, und dann stammen die beiden Beispiele aus der US-Filmindustrie und den Niederlanden.

    Scheint ja wohl doch nicht so lang zu sein, die Tradition.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Das ist im Fasching gang und gäbe. Gestern war ich in Oberschwaben auf einem Umzug, auf dem ein ganzer rot angemalter Indianerstamm mit dazugehörendem Geheule zu besichtigen war.

    Es waren jedoch keine Native Americans zugegen, die sich beklagt hätten. Ich dachte: "Ach du Scheisse". Allen anderen gefiel es.

    In Belgien haben sie auch Spaß:

    www.brusselstimes....d-belgian-carnival

  • Ist japanisches Cosplay und der Japantag in Düsseldorf ebenfalls rassistisch? Man weiß ja so wenig.

    Und wurde mal gefragt, wie viele echte Asiaten, Indianer usw. sich durch ethnische Kostüme beleidigt fühlen? Am Ende beschränkt die Empörung sich auf ein paar Journalistinnen, die sonst nichts haben, um sich wichtig zu machen.

    Gutes Video zum Thema:

    m.youtube.com/watch?v=RMMgXV2tEBM

  • "Feiern wir stattdessen eine deutsche Realität, die bunt ist wie ein Faschingszug"



    Dunn mer !

    www.youtube.com/watch?v=hPPEnH4ct4M

    Alaaf aus Köln