Kolumne Eier: Herr Urvertrauen

Für die existenziellen Krisen von Kindern sind meist Frauen verantwortlich. Das ist ein Problem. Männer, kämpft ums Kotzeaufwischen!

Kind vegräbt den Kopf in den Armen

Dabei sein, wenn Kinder einen schlechten Tag haben, macht einen großen Unterschied Foto: dpa

Liebe Männer, ich muss euch um Verzeihung bitten. Dafür, dass ich Euch nicht vertraue. Ich habe gerade erst wieder festgestellt, wie argwöhnisch ich bei neuen Männerbekanntschaften bin, verglichen damit, wie zwanglos ich mit Frauen umgehe. Beides ist Blödsinn und ungerecht.

Das hat natürlich damit zu tun, dass Männer die meiste Zeit meines frühen Lebens einfach nicht für den Aufgabenbereich Urvertrauen zuständig waren. Ich komme aus der westdeutschen Provinz, wo die gegenderte Arbeitsteilung in den allermeisten Fällen so stattfand wie im (patriarchalen) Kinderbuch.

Im Kindergarten gab es deshalb keine Männer, in der Grundschule ebenso wenig, bei mir und bei meinen Freund*innen daheim waren sie entweder gar nicht zugegen oder tauchten erst gegen 18 Uhr auf, wenn die schlimmsten Krisen des Tages überstanden waren. Männer wurden für mich erst verantwortlich, als ich selber schon im Begriff war, einer zu werden – und in diesem Moment wurden sie eher zur Vergleichsfläche, Konkurrenz, Bedrohung als zur Vertrauensperson.

Nie war ein Mann anwesend, wenn ich gekotzt, geheult oder mich eingepinkelt hatte. Das Ergebnis: Wenn ich in einer existenziell blöden Situation Hilfe brauche, kann ich mir nur eine Frau als Helfende vorstellen.

Nun ist das meine persönliche Biografie – und machen Sie sich keine Sorgen, mir geht's gut. Ich sorge mich eher um die Männer.

Sorgearbeit macht viele Männer unglücklich

Einige von Ihnen werden mir nun vorhalten, dass sie sehr wohl von Männern gewickelt, geknuddelt und getröstet worden sind. Um so besser, ich will auch gar keine Papasozialneiddebatte auslösen.

Allerdings sprechen die aktuellen Zahlen dafür, dass die meisten Kids die Männer in ihrem Leben nicht als Vertrauenspersonen kennenlernen werden. Zwar ist die Tendenz steigend, aber immer noch sind weniger als ein Viertel der Menschen, die Elterngeld beantragen, Männer. Und was die Elternteilzeit angeht, hat uns die Uni Marburg neulich eine Studie um die Ohren gehauen, wonach es Männer einfach unglücklich macht, weniger zu arbeiten und mehr zu sorgen.

Das ist natürlich ein Totschlagargument und ich kann ja niemandem vorschreiben, was ihn*sie erfüllt. Aber ich sag's mal so: Bald gibt es wahrscheinlich einen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit, und wenn ihr Männer nicht mal langsam anfangt, die neuen Möglichkeiten auch zu nutzen, dann werdet ihr auch für die neu heranwachsende Generation Fremde bleiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Schreibt über Kultur, Gesellschaft, queeres Leben, Wissenschaft.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.