Kolumne Eben: Laterne, Laterne! Läuft!
Wörter machen. Auch viel Unsinn. Beim Wortgeballer zwischen Netzfeministinnen und ihren Kritikern gibt es einen neuen Höhepunkt: „Morddrohung“.
M it Laternen ist es wie mit Wörtern. Man kann mit ihnen einiges machen. Auch Verrücktes. Früher riss man sie aus dem Straßenpflaster raus, zwecks des Barrikadenbaus. Heute werden Laternen – zumindest dort, wo nicht Herrschaften des Terrors regieren – benutzt, um dagegen zu pinkeln, Wohnungsgesuche und Fotos von entlaufenen Haustieren aufzuhängen, Werbung von Gebrauchthandyläden, Kaugummis und Turnschuhe zu platzieren. Die auf Laternen geworfenen Schuhe markieren Drogenverkaufsgebiete, verstorbene Gangmitglieder oder sehen einfach nur lustig aus.
Laternen sollen ansonsten die Straße erleuchten, damit man sich des Nachts besser zurecht findet. Auch Wörter sollen beleuchten, in der Regel Gedanken, damit man sich in ihnen besser zurecht findet. An diesem Wochenende nun wäre man besser rausgegangen und hätte ein paar Turnschuhe auf Laternen geworfen statt anderen Leuten dabei zuzugucken, wie sie mit Wörtern um sich werfen und so lange an ihre Laternen pinkeln, bis alle Lichter ausgehen.
Am munteren Worte hinwerfen beteiligt war ein linker Pfarrer: “#Feminismus ist etwas für Unterprivilegierte. ‚Adel ist was für die Laterne‘. Ça irá, #BachmannPreis, ça irá, von Rönne!“. Beteiligt war der FAZ-Blogger Don Alphonso, der diesen Tweet, der das französische Revolutionslied „Ca ira“ („Läuft!“) paraphrasiert, als „Morddrohung“ bezeichnete.
Da war Ronja von Rönne, nominiert für den Bachmannpreis und Autorin eines Textes in der Welt, in dem sie ihren „Ekel“ vor Feministinnen kundtat, die sich um „Unterprivilegierte“ statt um sich selbst sorgten. Nach der „Morddrohung“ erklärte von Rönne, dass sie ihren Blog vom Netz genommen habe.
Als Auslöser für die „Morddrohung“ machte Don Alphonso die „Netzfeministinnen“ veranwortlich, die „Methoden totalitärer Regime“ anwenden würden. Die „Netzfeministinnen“ hatten zuvor getwittert, dass auch der „Ring rechter Frauen“ die Texte Rönnes „empfehlen“ würde und die Jurynominierung als Teil einer Diffamierungskampagne gegen den Feminismus gewertet.
Und dann waren da die Worte des Welt-Ressortleiters, der erklärte, dass Worte auch Wirkung haben. Dass die Worte der Feministinnen eine „Hasskampagne“ seien, die Worte von Rönnes hingegen Teil eines „Experiments“ seines Feuilletons, das mit Worten „verrückte Dinge“ mache und beim Leser Gedanken entstehen lasse, die er zuvor noch nicht gehabt hätte.
Nur eine irrlichternde Posse aus der Welt der täglich ums Flutlicht kämpfenden Journalisten, in denen ein alberner, zwei mal retweeter Satz von einem singenden Pfarrer zur Morddrohung hochgejazzt wird? Sicher. Aber das Wort von der „Gesinnungspolizei“ fiel. Und die ist schlimmer als Hitler, Mundgeruch und Prenzlbergeltern zusammen. Also muss das einen ja interessieren und vom Rausgehen und Schuheauflaternenwerfen abhalten.
Am Ende dieser wilden Wortballerei aber bleibt nur die Erkenntnis, dass es sich mit den Anschuldigungen „Gesinnungspolizei“ und „Hasskampgane“ so verhält wie sonst mit dem Vorwurf der Ideologie. Gesinnung, Hass und Ideologie haben immer nur die anderen. Man selbst hat und macht Kritik. Oder verrückte Dinge mit Wörtern.
Während die FIFA nach polizeilicher Ermittlung wenigstens korrekt eingestanden hatte, dass die Bombendrohung auf ihrer Hauptversammlung ein Fake war, wurde das Wort „Morddrohung“ im Fall Netzfeminismus ausgesprochen, bevor der Staatsanwalt überhaupt nur Kenntnis von dem Fall nahm, was er wahrscheinlich sowieso nie tun wird.
Ob es wirklich eine „Morddrohung“ war? Spielt ja keine Rolle. Das Wort auszusprechen war sicher eines dieser verrückten Experimente, das man mit Wörtern machen kann. Das hatte Gedanken entstehen lassen, die keiner zuvor hatte: Dass Feministinnen mörderische Wirkung entfalten können. Oder gibt es etwa Leute, die sich das immer schon irgendwie gedacht haben? Eben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett