Kolumne Eben: Ordnung, Ordnung, Hausordnung

Varoufakis verschmäht ein Gala-Dinner und ist jetzt raus, weil er seinen Job angeblich nicht gemacht hat. Dabei hat er ihn vortrefflich gemacht.

Everybody's Darling. Na ja, nicht ganz. Bild: Reuters

Im Blödfinden ist man sich gerade wieder sehr einig. Alle finden blöd, dass auf einer Messe Konzerne sich selbst präsentieren statt „kritische Themen“. Kreuzberger samt Bürgermeisterin finden das Myfest blöd, obwohl es mal erfunden wurde, weil Kreuzberger samt Bürgermeister den Mykrawall blöd fanden. Alle finden Facebook blöd, außer einige Feuilletonisten, die finden das gedruckte Feuilleton blöder.

Blöd angequatscht fühlten sich die EU-Experten vom griechischen Finanzminister. Weswegen sie ihn so lange zur Minna machten, bis es seinem Chef zu blöd wurde und er ihn zurückpfiff.

Die hiesigen Kommentatoren von FAS bis Joschka Fischer sind sich mit den EU-Bürokraten einig: Varoufakis hat nicht verstanden, wie Politik funktioniert. Besser, er geht. Die Begründungen: zu spät zum Termin mit der Chefin gekommen, Galadinner mit den Eurofinanzministern geschwänzt, Regieren nicht von Wahlkampf unterschieden.

Vorbild Roosevelt

Postdemokratie und die Propaganda der Alternativlosigkeit – alle klagen drüber. Aber wenn dann mal einer kommt, der keine Dienstpläne macht und die Regeln infrage stellt, wird er als Clown verlacht. Über mangelnde Krawatten und Manieren wurde geflachst, über sein finanzpolitisches Programm geschwiegen.

Aus Angst. Varoufakis ist kein Krawalltourist in Turnschuhen, sondern renommierter Wirtschaftswissenschaftler und kennt, anders als Wolfgang Schäuble und Joschka Fischer, die Materie, über die er spricht, sehr genau. Und eins ist seins: Das Spiel, so wie es bisher lief, spielt er einfach nicht mit.

Varoufakis stolperte aber nicht etwa über einen verrutschten Anarchospruch, den er an die Wände von Brüssel gesprüht hat. Es war ein Zitat des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, das den Zorn erregte: „Sie sind sich einig in ihrem Hass auf mich – und ich freue mich über diesen Hass“ (Twitter, 26.4.). Ein Halunke wagte es, den EU-Politikern "Hass" zu unterstellen, wo die doch nur ihren Job machen?

Journalisten sollten in der Zeitung nicht über sich reden, sondern ihren Job machen, schrieb Ulrich Greiner in der Zeit. Klingt griffig. Unterschätzt aber, dass Journalist wie Politiker, Künstler oder Sänger keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Wie der Job zu machen ist, bestimmen im Wesentlichen die Leute, die ihn machen. Es gibt keine unabänderliche Hausordnung.

Sicher, es braucht jemanden, der Dienstpläne macht, Tagesordnungen erstellt, Kontrolle über Abläufe hat. Aber das ist der Job von Protokollanten, Sekretären und Hausmeistern. Als erste Amtshandlung legte Varoufakis’ Nachfolger den EU-Ministern eine Tagesordnung vor. Große Erleichterung! Den Griechen wird jetzt wohl mehr zugestanden, als ihnen lieb ist. Und zwar nur, um Varoufakis zu verhindern. Gut gemacht, Yanis!

Wer Tocotronic die Spießerbeschimpfung gestattet – „Wir sind Babys. Wir spucken ihnen ins Gesicht“ – und Varoufakis einen Clown nennt, der wird im Leben kein Galadiner mit dem Finanzminister ausschlagen. Er wird sich nichts vorzuwerfen haben, weil er ja immer alles richtig gemacht hat. Was genau? Im Wikipedia wird stehen: „Er war immer pünktlich“. Eben.

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Seit 2012 Redakteurin | taz am Wochenende. Seit 2008 bei der taz als Meinungs, - Kultur-, Schwerpunkt- und Online-Redakteurin, Veranstaltungskuratorin, Kolumnistin, WM-Korrespondentin, Messenreporterin, Rezensentin und Autorin. Ansonsten ist ihr Typ vor allem als Moderatorin von Literatur-, Gesellschafts- und Politikpodien gefragt. Manche meinen, sie kann einfach moderieren. Sie meint: "Meinungen hab ich selbst genug." Sie hat Religions- und Kulturwissenschaften sowie Südosteuropäische Geschichte zu Ende studiert, ist Herausgeberin der „Jungle World“, war Redakteurin der „Sport-BZ“, Mitgründerin der Hate Poetry und Mitinitiatorin von #FreeDeniz. Sie hat diverse Petitionen unterschrieben, aber noch nie eine Lebensversicherung.

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