Kolumne Die eine Frage: Genossenstadl von Sahra & Oskar
Was ist die Antwort auf Kulturkampf von hinten? a) eine neue „linke Sammlungsbewegung“? b) der Streit um des grünen Kaisers Bart? c) Emmanuel Macron?
D as erste und gleichzeitig letzte Gebot der alten linken Kirche lautet: Es wird keine grundlegende gesellschaftliche Veränderung zum Besseren geben mit dieser SPD. Aber auch nicht ohne die SPD. Danke und ade. Damit ist über allen geistigen Wipfeln Ruh’.
Wir haben keine andere SPD als die SPD. Eine vorwärtsgewandte SPD ist schlicht nicht denkbar, ich sage nur: Stegner. Hätten wir eine rückwärtsgewandte SPD im Sinne der Linkspartei, dann hätten wir gar keine SPD, sondern zwei Linksparteien. Womit sich die Linkspartei historisch erledigt hätte. Daher kann die Linkspartei das nicht wirklich wollen. Und die SPD hat zwar nur noch 20 Prozent und bald wohl weniger. Aber warum sollte sie zur Verhinderung des Niedergangs so werden wie eine Partei, die 9 Prozent hat? Zwar behauptet Sahra Wagenknecht, „Mehrheiten“zu vertreten. Das klingt aber so ein bisserl nach dem „Volk“, für das die AfD angeblich spricht.
Jetzt macht das beliebte Duo Sahra & Oskar mit seiner Idee eines neuen Genossenstadls namens „linke Sammlungsbewegung“ aber zunächst einen Denkfortschritt, indem die beiden sagen: Das mit der „Korrektur“ der SPD in unserem Sinne, das wird nix mehr. Richtig. Und Linkspartei, wie sie ist, reicht nicht. Auch richtig. Daher – so verstehe ich das – erweitern wir den Werte- und Markenkern „unten gegen oben“ um die zweite Frontstellung „innen gegen außen“. Um Arbeit richtig schützen zu können. Weil: Außen ist das neue Oben und enthält Migranten und speziell auch die EU.
Nein. Die Antwort auf die Verschiebung des Kulturellen ins Nationale durch die AfD kann nicht die Verschiebung des Sozialen ins Nationale sein. Es sei denn, man steht auf „national gefärbten Sozialismus“ (SZ). Front National oder Mélenchon – Hauptsache, antieuropäisch? Das ist keine Wahl mit Zukunft.
Wie antworten auf die Rückbewegungsattacke? Dieser Kulturkampf wird in Deutschland gerade über die AfD hinaus angezettelt und man fragt sich, wie das werden soll, falls Strategen wie Christian Lindner ernsthaft ins nationalliberale Geschäft einsteigen, wenn sich manche Linksliberale schon von einem intellektuellen Schrumpfkopf wie Alexander Dobrindt in die Hyperventilation jagen lassen.
Gegen linksnational und rechtsnational
Was ist die demokratische, mehrheits- und zukunftsfähige Antwort auf die illiberale und antiemanzipatorische Bewegung und den Kulturkampf von hinten? Die Antwort hat Emmanuel Macron bereits gegeben. Neue liberale und europäische Mehrheit gegen linksnational und rechtsnational. Globale Kultur, europäische Politik, soziale Infrastruktur für die Arbeitsrealitäten des 21. Jahrhunderts. Ganz schön hart teilweise, aber mit einer klaren Bewegung nach vorn.
Und damit geben wir ab an den Grünen-Parteitag nächstes Wochenende, für den sich bisher keine neue Antwort auf die neuen Problemlagen ankündigt, sondern ein weiterer Streit um des grünen Kaisers Bart. Diesmal ist das die Frage, ob Schleswig-Holsteins Vizeministerpräsident Robert Habeck bei einer Wahl zum Parteivorsitzenden zugetraut wird, den Zeitraum der Übergabe seines Ministeriums („Pi mal Daumen: ein Jahr“) selbst verantwortungsvoll zu managen. Kein normaler Mensch kann dieses „Problem“ verstehen. Für Berliner Landesgrüne ist es offenbar dramatischer als der Klimawandel. Die realitätsresistente Selbstbezogenheit mündet dann auch noch in die Forderung, Habeck müsse sich entscheiden.
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Er muss überhaupt nichts. Die Partei muss sich entscheiden. Robert Habeck könnte die letzte und zugleich beste Chance der Grünen sein. Das wissen die meisten selbstverständlich. Aber heißen muss das nichts.
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