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Kolumne Die KriegsreporterinDie Reichsten der Reichen

Kolumne
von Silke Burmester

Hackepeter-Köche auf RTL, nichts als Männer im „Focus“ und die wichtige Frage: Zählt nur legales Geld oder gelten auch Schwarzgeldkonten?

Zwei Daumen hoch für RTL: Steffen Henssler. Bild: dpa

H allo taz-Medienredaktion!

Was würde ein Koch eigentlich tun, wenn er nicht unablässig auf RTL rumturnen würde? Steffen Henssler zum Beispiel. Für ihn ist es ein wahres Glück, dass er nicht nur vor der Kamera Hackepeter formen kann, sondern auch dass „Die erfolgreichsten Ballermann-Hits“ nicht ohne sein Zutun auskommen.

Man stelle sich vor, er müsste versuchen, in seinem Eppendorfer Restaurant sein überdimensioniertes Sushi im Mund unterzubringen. Überkandidelte, beim Anheben auseinanderfallende, unauthentische Monsterhappen. Das wäre wohl der Moment, in dem er sich über die Macht des Fernsehens wundern würde, das aus einem einigermaßen begabten Koch jemanden macht, der nicht nur Ballermann-Hits ihrer Bedeutung nach sortieren kann, sondern auch mit zusammengemogelten Fisch-Reis-Klopsen als „Sushi“ durchkommt.

Bleiben wir beim Fernsehen. Ich habe im Focus, das ist die Münchner Postille, die neuerdings in Berlin gefertigt wird, gelesen, dass es für die letzten Sendungen von „Wetten dass ..?“ keine After-Show-Party geben soll. Diese seien laut Focus „legendär“. Schade, dass sich das Legendäre nicht bis Hamburg herumgesprochen hat und ich keine Ahnung habe, was das Legendäre sein könnte. Tanzte einst Thomas Gottschalk in Micky-Maus-Unterhose unter dem Tisch? Haben sich die billigen Promis, die immer bis zum Schluss bleiben, so dermaßen abgefüllt, dass auch das technische Personal mal randurfte?

Fragen über Fragen, die mir der Focus leider nicht beantwortet. Dafür aber die, für wen er sein Blatt macht: Nicht für Frauen. Männer geben sich quasi die Seiten in die Hand. Und weil ich wie so oft nix Anständiges zu tun hatte, habe ich gezählt. Und zwar 118 redaktionelle Fotos. Und wie viele von denen haben (auch) Frauen drauf? 30. Und wie viele der abgebildeten Frauen sind Angela Merkel? Vier. Und wie viele Frauen sind als Beiwerk neben einem Mann abgebildet oder zeigen Mode? Sechs. Und wie viele sind alleiniger Inhalt eines Artikels, der über eine Meldung hinausgeht? Eine.

Abgase des Qualitätsjournalismus

Ja, und weil mir nach so viel deutlicher Ansage nach noch mehr Abwatschen zumute war, habe ich noch geschaut, wie das Geschlechterverhältnis unter den MacherInnen aussieht, die im Blatt hervorgehoben werden. Es sind 15 Personen, die es wert sind, als AutorInnen mit Bild vorgestellt zu werden. Darunter sind zwei Frauen. Ja, Ihr Münchner Auswanderer, so kann man es machen. Aber dann bitte nicht länger wundern, dass Ihr im Einzelverkauf meist keine 70.000 Stück von eurem Focus loswerdet.

Ganz billig geht es auch bei Springer zu. Horizont berichtet, dass die beiden Überläufer vom manager magazin (mm), Balzer und Bold, BaBo, bei Springers Beilagenblättchen Bilanz jetzt das machen, was sie schon bei mm gemacht haben, ein „Reichstenheft“. Der ultimative Spuckevorsprung: Sie werden die Ausgabe vor der des manager magazin in den Handel bringen. Das wird natürlich ein hartes Rennen um die Reichsten. Und wirft Fragen auf wie: Wer hat die geileren Reichsten? Wer hat die reicheren Reichsten? Zählt nur legales Geld oder gelten auch die Schwarzgeldkonten? Bekommt Springer-Chef Döpfner bei Bilanz ein schöneres Foto als bei mm? Und wer muss die Geissens nennen?

Das sind so relevante Fragen, dass völlig unverständlich ist, dass der Journalismus in der Krise sein soll. Ich freu mich schon darauf, wenn Bilanz sein Sonderheft „Geldauto“ bringt. „Die PS-Zahlen der Reichsten – von Albrecht bis Jauch: So viele Pferdestärken hat die Elite in der Garage“. Schon völlig high von den Abgasen des Qualitätsjournalismus zurück nach Berlin!

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Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!
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6 Kommentare

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  • Wer, wie ich, liebend gern bei Tucholsky stöbert, wird finden, dass die Journalismuskrise ja schon eine ganze Weile andauert. Tucholsky unterschied zwischen horizontalem und vertikalem Journalismus und kam unter anderem zu folgenden Ergebnissen:

    a.) "Der horizontale Journalismus läßt viel sehen – aber nicht das Interessanteste."

    b.) "Wüßte allerdings der Proletarier wirklich, wie es ›oben‹ zugeht, wüßte er, was der Börsianer, der Fabrikant, der Großgrundbesitzer mit ihm treiben, wüßte ers, und spürte ers nicht nur – er machte das, was er, in Deutschland, noch nie gemacht hat: Revolution." (Kurt Tucholsky, alias Ignaz Wrobel in Die Weltbühne vom 13.01.1925 Nr. 2 S. 49)

    • @Rainer B.:

      Och gottchen - : die Journalismuskrise und Tucholsky ! Da packt wohl ein Bildungsbürger einen seiner Bildungsschätze aus . Ist aber kein teurer Schmuck , nur Strass . Und völlig unpassend hier . Das Internet ist es nämlich , das die Printmedien in die wirtschaftliche Krise gebracht hat , mit der Folge , dass an "Journalismus" und Journalist*Innen "gespart" wird .

       

      (A propos "der Proletarier" -gibt's den noch ?- hat heute durchaus die Möglichkeit , sich nicht nur mit der BILD zu bilden . Und alles , was der will , ist : einen Arbeitsplatz , ganz sicher keine Revolution .)

      • @APOKALYPTIKER:

        Was verbinden Sie denn mit dem Begriff des Bildungsbürgers? Ist Bildungsbürger für Sie ein Schimpfwort und wenn ja, warum eigentlch?

        Tucholsky hat sich zu inhaltlichen und strukturellen Aspekten des Journalismus so seine Gedanken gemacht. Das tut auch die Kriegsreporterin hier regelmäßig. Da gibt's durchaus Parallelen, auch wenn Sie die als unpassend empfinden. Wirtschaftliche Aspekte stehen hier wie da thematisch gar nicht im Vordergrund, obwohl auch die Weltbühne damals mit ihrer kleinen Auflage von 15.000 Exemplaren wirtschaftlich immer auf der Kippe war. Das Internet ist da nur eine Fortsetzung der Printmedien mit anderen Mitteln und - wenn Sie so wollen - die Fortsetzung ein und derselben wirtschaftlichen Krise mit anderen Mitteln.

         

        Als "Proletariat" wurde ursprünglich im alten Rom die landlose und besitzlose Schicht bezeichnet, die keine Sklaven waren. Vielleicht können Sie sich Ihre Frage ja mit dieser Information selbst beantworten.

        • @Rainer B.:

          Ach , RAINER B. , ... die Kriegsreporterin und ihre kleine Spaßkolumne zum Gegenstand : Medien , Journalismus und Journalist*Innen .

          Ein neuer wortgewaltiger Karl Kraus wäre vonnöten , um täglich als Zecke den Produzenten der durchkommerzialisierten Mainstream-Bullshit-Öffentlickeit im Nacken zu sitzen . Den wird es nicht geben . Vor der Aufgabe würde selbst ein Herkules als Geistesheroe kapitulieren .

          • @APOKALYPTIKER:

            Auch ein Karl Kraus ist irgendwann mal angefangen und der Biß einer kleinen Zecke kann doch ebenso folgenreich sein, wie ein Elefantentritt.

  • ❤❣♥. chapeau, Frau Burmester. Mal wieder. ❤❣♥