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Kolumne Die B-NoteAufhören! Aufhören!

Die Spielkultur hierzulande ist noch nicht so weit, ein Spiel einfach ein Spiel sein zu lassen.

D a haben zweiundzwanzig Frauen Fußball gespielt, und dabei hat die eine Hälfte, die deutsche, verloren. Aber das ist so bei einem Spiel, in dem ein Remis ausgeschlossen ist. Die einen gewinnen, die anderen verlieren. Es war ein Spiel! Muss das noch buchstabiert werden? S wie Spannung, P wie Psychologie, I wie Ideen, E wie Einsatz, L wie Leidenschaft – so wirds zum Spiel. Am Ende gewinnt eine Seite und die andere verliert. Dabei sollte es belassen werden.

Aber nein, so weit ist die Spielkultur hierzulande nicht. Der Abpfiff ist noch gar nicht verhallt, da erklären Experten schon auf allen Kanälen in Mannschaftskritiken, in Einzelkritiken, in Spielsituationskritiken, in Trainingskritiken, in Zukunftskritiken, wie schlecht (S), wie piefig (P), wie ideenlos (I), wie elend (E) und wie langweilig (L) die deutschen Verliererinnen aufgespielt haben. Sie erklären es rauf und runter, und mit jeder Erklärung werden die Spielerinnen kleiner und die Kritiker wichtiger, bedeutender, ihr Ego wächst, es wächst bis unter die Decke, bis über die Bäume, bis in die Wolken hinein.

Experten, die es in der A-Jugend-Mannschaft in der Kreisliga vermutlich noch nicht einmal ins Mittelfeld geschafft haben, weil sie weder rechts noch links gucken, weil sie nur draufhauen, wumm und weg, weil Draufhauen den kleinen Mann groß macht, analysieren nun minutiös, dass die deutschen Fußballerinnen es an Zuspiel und präzisen Pässen und Kombinationen und Einsatz hätten mangeln lassen. Neunzig Minuten Fußball ergibt das Tausendfache an Analysestunden – alle Kommentare, Spielberichte, Spekulationen, Schmähkritiken in Presse, Funk, Internet und TV, digital über Satellit und Antenne, vor, während und nach dem Spiel zusammengerechnet.

Bild: taz

WALTRAUD SCHWAB ist sonntaz-Redakteurin.

Die Fußballerinnen sind eine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für männliche Journalisten, die nichts anderes zu tun haben, als ihnen nachzuweisen, dass sie hoch gehandelte Versagerinnen sind. Weil die sogenannten Experten die Frauen vorher hoch gehandelt haben, die Fußballerinnen die Erwartungen, die die Experten in sie setzten, aber nicht einlösten, verhalten sie sich wie enttäuschte Liebhaber: Sie ziehen die Fußballerinnen, hochambitionierte Freizeitkickerinnen übrigens, die meist noch nebenher jobben müssen, nun öffentlich in den Dreck. Dabei haben diese doch nur verloren – was passieren kann in einem Spiel, in dem alles da war, was ein Spiel ausmacht: Spannung, Psychologie, Ideen, Einsatz und Leidenschaft.

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Waltraud Schwab
taz-Redakteurin
Seit 2002 bei der taz, erst im Lokalteil, jetzt in der Wochentaz. 2005 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet für die Reportage „Schön ist das nicht“, 2011 wurde die Reportage „Die Extraklasse“  mehrfach prämiert. 2021 erschien ihr Roman "Brombeerkind" im Ulrike Helmer Verlag. Es ist ein Hoffnungsroman. Mehr unter: www.waltraud-schwab.de . Auch auf Twitter. Und auf Instagram unter: wa_wab.un_art
Waltraud Schwab
taz-Redakteurin
Seit 2002 bei der taz, erst im Lokalteil, jetzt in der Wochentaz. 2005 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet für die Reportage „Schön ist das nicht“, 2011 wurde die Reportage „Die Extraklasse“  mehrfach prämiert. 2021 erschien ihr Roman "Brombeerkind" im Ulrike Helmer Verlag. Es ist ein Hoffnungsroman. Mehr unter: www.waltraud-schwab.de . Auch auf Twitter. Und auf Instagram unter: wa_wab.un_art
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4 Kommentare

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  • I
    Ithbauer

    O heilige Einfalt!

    "Der Frauenfußball muss im Verband (und im Sportjournalismus)endlich den Status erreichen, dass man ihn kritisieren darf. Immer nur beschützen – so behandelt man Behinderte und Kranke. Diese gönnerhafte patriarchalische Dümmlichkeit hat doch erst zur Stagnation geführt." So lese ich mit großer Zustimmung bei Dieter Weber in der Zeit. Wer so hinter den eigenen Möglichkeiten bleibt und von einer sichtlich überforderten Trainerin am Spiel sich hindern lässt, die haben ein Recht auf Kritik, um eine Übungsleiterin zu erhalten , die wieder Team, Tempo und SWpielkunst entwickeln zu können

  • N
    noevil

    Ich freue mich über die engagierte Verteidigung von Team, Spiel und Frauenfussball durch Frau Schwab. Die sogenannte sachliche Kritik anderer sowohl an der Trainerin als auch an ihrem Team gerät in den meisten Fällen völlig daneben. Das Spiel war sehr gut und beide Mannschaften toll. Fortuna war einfach auf ihrer Seite.

     

    Und mal ehrlich: war die Riesenfreude der japanischen Mannschaft nicht ein Grund, den Siegern den knappen Sieg einfach zu gönnen, sich davon anstecken zu lassen und sich mit zu freuen? Die hatten nicht damit gerechnet - wir auch nicht.

     

    Das wäre nämlich Sportsgeist. Mit dem Geistigen haben es halt viele nicht so, oder?

  • LB
    Linus Blau

    Die Autorin macht in der Kritik an der Frauen-Nationalmannschaft ein Gender-Problem aus ("männliche Journalisten"), übersieht aber, wie das Männer-Nationalteam von Millionen Experten heruntergemacht wird, wenn es die Erwartungen nicht erfüllt. Die Trainer Derwall, Ribbeck, Vogts, ja selbst Kliensmann können ein Lied davon singen; auch Löw wird es ggf. nicht besser ergehen. Die Frauennationalmannschaft ist von den Medien vergleichsweise pfleglich behandelt worden, wenn man z.B.die Bild-Sport-Bildberichterstattung über vermeintliche Versager im Männerfußball vergegenwärtigt

    Was also erwartet Schwab? Eine besondere Schutzzone für den Frauenfussball?

  • R
    Robert

    So ganz haben Sie, Frau Schwab, den Fußball und jeglichen neueren Sport wohl doch noch nicht verstanden. (Ich übrigens natürlich auch nicht.)

     

    In unserer hochneurotischen Gesellschaft, die fast ausschließlich nur ein Gegeneinander kennt, kann es gar nicht anders laufen, als es eben auch hier beim Frauenfußball läuft. Ein SPIELERISCHES GEMEINSAMES TUN ist - bis auf gelegentliche Ausnahmen - nicht möglich. Schon gar nicht, wenn es um Geld geht. Und wann geht es denn mal nicht um Geld?

     

    Man stelle sich vor, die Frauen hätten den Titel geholt. Die Verlogenheit der Kommentare hätte kosmische Ausmaße erreicht. Womöglich hätten die Frauen den Unsinn, der über ihre Spiele geschrieben und gesagt worden wäre, sogar geglaubt. Der Kaiser hätte sich zu Wort gemeldet und huldvoll mitgeteilt, daß er es ja schon immer gesagt habe.

     

    Jeder Mensch braucht ein wenig Aufmerksamkeit. Offensichtlich brauchen immer mehr Menschen immer mehr Aufmerksamkeit und sind für diese bereit, die erstaunlichsten Dinge zu tun. Weltmeister werden, Tour de France gewinnen, irgendwo nackt herumhampeln,... "Normale" Tätigkeiten, wie Artikel oder Kommentare schreiben reichen heute für die ersehnte überdimensionale Aufmerksamkeit schon lange nicht mehr aus. Die "Trikottausch"-Aufmerksamkeit ist ein deutlicher Hinweis.

     

    Erstaunlich ist aber, daß es irgendwie doch immer noch eine Sehnsucht nach einem GEMEINSAMEM SPIEL zu geben scheint. Trotz aller Haßgesänge auf den Rängen, trotz der üblichen bösartigen Journalistenkommentare, trotz der Knochenbrechereien, den Dopinggeschichten, trotz des vielen, zerstörerischen Geldes...

     

    Die Fußballfrauen könnten froh sein, verloren zu haben. Das Rumgeheule mit dem peinlichen Plakat nach dem Spiel war allerdings ein sehr deutliches Zeichen dafür, daß sie es nicht verstanden haben. Wer, egal in welcher Disziplin, um jeden Preis Sieger werden will, hat noch schwere Erkenntnisdefizite! Vielleicht braucht manche® die aber auch zum Leben?