Kolumne Der rote Faden: Der Klorollenhut als semiotischer Code
Während Trump von „Shitholes“ fabuliert, fahren die Deutschen immer noch Häkelmützchen fürs Klopapier spazieren: Der Irrsinn der Woche.
N eulich, zu Besuch in Niedersachsen, überholte ich auf der B65 einen Wagen, auf dessen Hutablage tatsächlich zwei Hüte lagen. Damit nicht genug: Sie waren gehäkelt, grellbunt und mit Ringelmuster, einer schien sogar einen Bommel zu haben. „Trägt man das hier bei euch jetzt so?“, bemerkte ich in Richtung meines neben mir sitzenden Vaters, der daraufhin die undankbare Aufgabe hatte, mich über die traditionsreiche Verwendung des Klorollenhuts in deutschen Autos aufzuklären. Vor Schreck bog ich falsch ab und wir landeten in Nordrhein-Westfalen.
Zurück in Berlin wagte ich eine tiefergehende Recherche. Erst mal natürlich bei Wikipedia: „Als Klopapierhut oder auch Klohut (ebenso: Klopapiermütze, Häkel-Klopapierrolle oder Häkel-Rolle bzw. Varianten mit der Verwendung des Ausdruckes Toilettenpapier) wird die meist gehäkelte Abdeckung einer Klopapierrolle bezeichnet, die vor allem in privaten Personenkraftwagen verwendet wird.“
Google schlug vor, ich könne mir doch gleich selbst einen basteln („gehäkelte klorolle auto anleitung“). Als feinmotorisch eher Minderbegabte guckte ich lieber auf dawanda.de, einer Art virtuellem Gemeindebasar mit allerhand Selbstgemachtem, in der Rubrik „Wohnen + Leben“ und fand immerhin 436 liebevoll von Hand gefertigte „individuelle Produkte“. Warum 14 davon auch als „Herren-Accessoires“ gelabelt waren – man weiß es nicht.
Liebes Deutschland, was ist da los?
Das reinliche Bürgertum
Jede Provinzraststättentoilette desinfiziert sich heutzutage automatisch von selbst, aber wir müssen unser Klopapier schön prominent im Auto platzieren, damit der Hintermann weiß, hier ist nicht nur Finn-Luca an Bord, sondern auch sein stets für alles gewappneter Saubermann von Papa?
Gleichzeitig ist Klopapier natürlich total igitt, mit SO WAS wollen wir nicht in Verbindung gebracht werden, also kaufen wir für 18,50 Euro den „sexy Toilettenpapierhut dunkle Schönheit“ aus brauner Wolle mit Brüsten und rosa Bikini drauf. Echt jetzt?
Der Klorollenhut ist ein besonders interessantes Beispiel für einen semiotischen Code. Ein Sender (Klorollenhutbesitzer) kommuniziert einem Empfänger (im Auto dahinter) über das nonverbale Zeichen gehäkelter Hässlichkeit (Minions! Blümchenmuster! Deutschlandfarben!) eine kulturspezifische Konvention: Achtung, hier fährt in Vorbildfunktion ein Klopapiervorratbesitzer, du Ferkel! Immer schön anderen ins Gesicht strecken, das reinliche Bürgertum – aber bitte nicht mit nacktem Hintern.
Überhaupt ist das Verhältnis der Deutschen zum Themenkomplex Toilette ja bekanntlich gestört; über das ausschließlich hierzulande verbreitete Modell „Flachspüler“ verfasste die New Yorker Autorin Erica Jong mal eine herrliche Wutrede: „Deutsche Toiletten sind der Schlüssel zum Horror des Dritten Reichs. Leute, die so was bauen, sind zu allem fähig.“
Trumps rassistischer Ausfall
Falls Sie jetzt die Nase rümpfen und fürchten, Ihre taz entwickle sich zum Sanitär-Blödel-Fachblatt, bitte ich um Verzeihung. Aber Sie und ich sind da doch härter im Nehmen als die Grande Dame New York Times, die in dieser Woche zum ersten Mal seit ihrer Gründung 1851 das Wort „shithole“ drucken musste, und das nicht etwa wegen einer vorlauten Nachwuchskolumnistin.
Der Präsident höchstselbst soll dieses Wort verwendet haben, leider nicht in Bezug auf sein Badezimmer, sondern auf Herkunftsländer wie Haiti oder Teile Afrikas. Trump will lieber mehr Menschen aus Norwegen aufnehmen (die Skandinavier haben ja, das ist hinlänglich bekannt, alle Gründe dieser Welt, in die USA zu fliehen). Entschuldigung, aber es ist doch so: „Klotaucher“ wäre für diesen Kerl ein wirklich viel zu netter Ausdruck.
Wie es um die österreichischen Toiletten bestellt ist, weiß ich übrigens nicht, aber in der Sch**** mit dem „Dritten Reich“ steckten auch die Nachbarn tief mit drin, was viele leider entweder vergessen oder allzu unbekümmert erinnern, allen voran der neue Innenminister, ein gewisser Herr Kickl. Der regte vor ein paar Tagen an, Flüchtlinge künftig „konzentriert“ an einem Ort unterzubringen. Geh bitte, das haben wir doch schon mal irgendwo gehört?
Der heftigen Kritik an dieser Formulierung entgegnete Kickl jedenfalls, er habe „keinerlei Provokation“ beabsichtigt. Das muss man ihm natürlich glauben, schließlich wäre dergleichen vollkommen abwegig für ihn als lang gedienter Scharfmacher und oberster Wahlkampfspruchtexter der österreichischen Rechtspopulisten. Auch in der politischen Sprache spielt der Code (deutsche Aussprache laut Wikipedia, nun ja: [ko:t]) eben zuweilen eine unrühmliche Rolle.
Dann doch lieber Amerika. Die New York Times wiederum empfahl ihren Lesern vorgestern in ihrer begehrten Reihe „52 Places To Go in 2018“ eine Reise nach, ich kann es kaum fassen: Niedersachsen. Und vielleicht sehen wir dort ja schon bald Donald Trump mit einem besonders schönen Klorollenhut auf dem Kopf.
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