piwik no script img

Kohleausstieg in DeutschlandRWE warnt vor Jobabbau

RWE-Chef Schmitz kündigt an, der Beschluss der Kohlekommission führe zu „tiefen Einschnitten“. Noch ist der Hambacher Forst nicht gerettet.

Heißt Kohleausstieg saubere Luft, aber weniger Jobs? Foto: dpa

Düsseldorf/Berlin afp/dpa/epd | Der Kompromiss der Kohle-Kommission zum Kohleausstieg wird nach Ansicht von RWE-Chef Rolf Martin Schmitz zu „tiefen Einschnitten“ führen. Der Energieversorger RWE habe im rheinischen Revier in den letzten Jahren schon Kraftwerksblöcke für die Sicherheitsbereitschaft vom Netz genommen, sagte er der „Rheinischen Post“ vom Montag. Weitere Stilllegungen würden deshalb umso schwieriger und hätten „dann wohl auch große Auswirkungen auf das Tagebausystem“. Er rechne bereits bis 2023 mit einem „signifikanten Abbau“ an Stellen.

Dies betreffe unmittelbar bis Ende 2022 die Mitarbeiter der zu schließenden Kraftwerke, sagte Schmitz dem Blatt. Mittelbar seien in den darauf folgenden Jahren dann auch Beschäftigte im Tagebau betroffen.

„Das muss unbedingt sozialverträglich erfolgen, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen nicht die Leidtragenden politischer Beschlüsse werden“, forderte Schmitz. Dafür werde RWE sich zusammen mit den Gewerkschaften einsetzen.

Die Vertreterin der Tagebau-Betroffenen in der Kohlekommission hat die Aktivisten im Hambacher Forst indes dazu aufgerufen, trotz des Kompromisses in dem Gremium im besetzten Wald zu bleiben. „Weil man RWE hier einfach auch nicht vertrauen kann“, sagte Antje Grothus am Montag dem Hörfunksender WDR5. Der Hambacher Forst sei weiter hart umkämpft. „Und man muss darauf achten, dass er geschützt wird.“

Bleibt der Hambacher Wald?

Der Energiekonzern RWE ist Eigentümer des Waldes und möchte ihn abholzen, um darunterliegende Braunkohle zu baggern. Ein Gericht hatte das vorerst gestoppt. Grothus ist prominentes Gesicht der Bürgerinitiative „Buirer für Buir“, die für den Erhalt des Hambacher Forsts kämpft.

Im empfohlenen Konzept der Kommission für einen Ausstieg aus der Kohle-Verstromung wird der Erhalt des Waldes lediglich als „wünschenswert“ bezeichnet. Am Samstag hatte Grothus gesagt, sie erwarte nach der Einigung der Kohlekommission eine Entschärfung des Konflikts um den Wald. Das sei ein Grund gewesen, der „schwachen Formulierung“ zuzustimmen.

Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif hält die Empfehlung der Kohlekommission, bis 2038 aus der Kohleverstromung auszusteigen, für zu schwach. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, „wäre ein Ausstieg bis 2030 wünschenswert“, sagte Latif der „Frankfurter Rundschau“ (Montag). Das gelte auch im Blick auf die deutschen Ziele, wonach der CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent sinken soll. Erreicht seien erst knapp 32 Prozent.

Dass das Ende der Kohle laut dem Plan unter bestimmten Bedingungen auf 2035 vorgezogen werden könnte, hält der Professor vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung für ein „Feigenblatt“. „Das würde ohnehin nicht viel für den Klimaschutz bringen.“

„Bewegung in den Kohleausstieg“

Latif lobte allerdings, dass nach „Jahren des Stillstands jetzt Bewegung in den Kohleausstieg“ komme. „Meine Hoffnung ist, dass man die Dynamik beim Zubau der erneuerbaren Energien, beim Netzausbau und bei der Energiespeicherung noch beschleunigen kann“, fügte er hinzu. So könnten die CO2-Emissionen dann doch stärker sinken als jetzt geplant.

Die Kohle-Kommission hat empfohlen, bis Ende 2022 insgesamt 12,5 Gigawatt Leistung aus der Kohle-Verstromung vom Netz zu nehmen, um die eigentlich schon für 2020 zugesagten deutschen Klimaziele zumindest mit Verspätung zu erreichen. Bis 2030 sollen kontinuierlich weitere Braun- und Steinkohlewerke abgeschaltet werden. Endgültig auslaufen soll die Kohle-Verstromung laut Kommissionsempfehlung spätestens 2038.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Bauen wir selbst den Job Herrn Schmitz ab, indem wir uns als zukunftige ex-RWE-Kunden aus dem (fein)staub machen. Ich bin seit dem 1. Januar los.

  • Ich sag mal was Provokantes: Wenn Herr Schmitz heute Suizid begänge, würde er sofort einen Arbeitsplatz freimachen.

    Dem Totschlagargument Arbeitsplätze (von dessen Primat man sich ohnehin verabschieden sollte), lässt sich mit folgender, simpler Aussage begegnen:

    THERE ARE NO JOBS ON A DEAD PLANET!

    Wenn die Menschheit die Klimakrise nicht in den Griff bekommt, wird es nicht nur finanziell teuer, wir können uns auch jede Diskussion um Arbeitsplätze, internationale Konkurrenzfähigkeit usw. sparen, weil es einfach keine Menschen mehr gibt. (Und ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, Herr Schmitz würde auf diesen Gedanken antworten "Ist doch prima! Zähler und Nenner sind gleich; ergo: Vollbeschäftigung!")

    • @hel.genug:

      Wobei ja jeder Schaden durch extreme Wettererignisse, der irgenwelche Folgekosten verursacht, das BSP, also den kapitalistischen Glücksindex, wieder steigert. Je größer der Schaden desto besser, das ist eine Wachstumsstrategie, also win-win!

      RWE könnte natürlich auch selbst überlegen, was man mit bald freiwerdenden Fachkräften so alles unternehmen könnte, aber wenn die Allgemeinheit von vornherein verpflichtet wird, auch diesen Schaden zu tragen, ist die Motivation vielleicht etwas gering. Aber was will man erwarten, wenn die geballte „Wirtschaftskompetenz“ der CxU/SPD auf Veränderungsprozesse trifft.

    • @hel.genug:

      So schaut's aus! Und selbst wenn wir die Klimakrise überleben, bleibt das Streben nach Vollbeschäftigung in Zeiten von exponentiell wachsenden Produktivkräften ein Kampf gegen Windmühlen.



      Wir brauchen dringend Konzepte, die Leben und Teilhaben in unserer Gesellschaft von der Arbeit entkoppeln. Also weg von Hartz IV hin zu einem Teilhabegeld, deutlich über dem Hartz IV Satz, finanziert aus einer deutlich höheren Vermögens-, Erbschafts- und Einkommensteuer. Und zu einem Menschenbild, dass jede*n einzelnen als wertvollen Teil des ganzen betrachtet unabhängig von seinen Leistungen oder ihrer Erwerbstätigkeit. Also alle nach ihren Fähigkeiten, allen nach ihren Bedürfnissen!



      Wenn wir dadurch dann auch noch jede Menge Schwachsinnsjobs eingesparen, kommt sogar noch was für den Klimaschutz bei rum.

    • @hel.genug:

      Zustimmung.

      Zudem: warum so viel Entschädigung an RWE? Sind Unternehmer keine mehr, wenn's gilt, unternehmerisches Risiko zu schultern? Gewinne mit beiden Händen, bis der Bauchnabel glänzt, nach Fehlinvestitionen (wegen Fehlentscheidungen) muss mama Staat ran?

      Waschlappen sind das.