Körperliche Nähe und Gesundheit: Nehmt euch in den Arm!

Kuscheln fühlt sich nicht nur gut an, sondern hilft auch gegen Erkrankungen. Doch nicht alle haben den gleichen Zugang zu Berührungen.

Kuscheln kann auch platonisch sein: Eine Kuschelparty in New York Foto: Timothy Fadek/Polaris/laif

Von wem wirst du regelmäßig berührt?

Die Haut ist das größte Sinnesorgan unseres Körpers. Umarmungen, über den Rücken streicheln, die Hand halten: jegliche Art von fremden Berührungen schütten in unserem Körper Botenstoffe aus – Hormone wie Oxytocin. Die reduzieren Stress und sorgen für Wohlbefinden. Menschen, die viel berühren oder berührt werden, sind diplomatischer und gelassener.

Doch wer sind diese Menschen? In vielen Partnerschaften ist Kuscheln normal, die eigenen Kinder in den Arm nehmen oder auf dem Weg zur Kita die Hand halten auch. Doch was ist mit älteren Menschen, die allein leben? Was mit jungen, kinderlosen Singles? Berührungen dürfen nicht Familien und Liebespartnerschaften vorbehalten sein.

Denn nicht alle haben den gleichen Zugang zu ihnen. Und das ist fatal, denn eine lange, innige Umarmung fühlt sich nicht nur gut an, sie kann auch zur Gesundheit beitragen. For­sche­r*in­nen aus Bochum, Duisburg-Essen und Amsterdam haben zahlreiche Studien ausgewertet und fanden heraus, dass Berührungen Schmerzen, Depressionen und Angst lindern. Denn sie dämpfen die Ausschüttung stressauslösender Botenstoffe, dadurch fühlen wir uns weniger gestresst.

Studien, die positive Einflüsse von Berührungen ausmachen, gehen von gewollten Erlebnissen aus. Der betrunkene Mann, der dir in der Bar ungefragt über den Rücken streichelt, ist nicht mitgemeint

Gewollte Berührungen lindern Stress

Wichtig: Studien, die positive Einflüsse von Berührungen ausmachen, gehen allein von gewollten, angenehmen Erlebnissen aus. Der betrunkene, fremde Mann, der dir in der Bar ungefragt über den Rücken streichelt, ist hier nicht mitgemeint. Im Gegenteil.

Wer jetzt in Panik gerät und glaubt, nur mehrstündiges Löffeln mit dem Partner oder der Partnerin hilft: Bei Erwachsenen ist es nicht wichtig, wie gut man sein Gegenüber kennt, Hauptsache, die Berührung fühlt sich angenehm an, sagen die Forscher*innen. Solange das Kuschelhormon Oxytocyn ausgeschüttet wird, haben Berührungen einen positiven Effekt. Das passiert auch schon nach 15 bis 20 Sekunden.

Man muss also weder ein Kind in die Welt setzen, bei dem nie klar ist, wie lange es auf dem Schoß sitzen will, noch dem Bumble-Date pausenlos die Hand beim Essen streicheln. Wer es sich leisten kann, sammelt Glückshormone bei der Massage, bei der Fri­seu­r*in oder der Maniküre.

Und der Rest? Geht oftmals leer aus. Denn eine schnelle Umarmung zur Begrüßung geht selten 15 Sekunden lang. Doch das muss nicht so sein.

Wer soll dich in den Arm nehmen?

Wir brauchen ein besseres Bewusstsein, wann auch platonische Berührungen angebracht oder erwünscht sind. Warum frage ich meinen Partner, ob er mich kurz in den Arm nehmen kann, aber nie meine Freundinnen?

Früher war es normal, mit meiner Mutter auf der Couch zu liegen, jetzt fühle ich mich oft zu alt dafür. Während der Pandemie haben viele gemerkt, was das Fehlen von Berührungen, der Kontakt zu anderen Menschen, die man gern hat, ausmacht. Doch die Chance, nach den ganzen Kontaktsperren neu zu definieren, wie wir miteinander respektvoll und liebevoll umgehen wollen, haben wir verpasst.

Wir müssen fern von Beziehungen wieder offener über Berührungen und unsere Bedürfnisse dahingehend sprechen. Auch wenn es im ersten Moment überfordert oder unangenehm ist.

Vielleicht wird man auch abgelehnt, wenn die andere Person es gerade nicht fühlt. Und doch hilft nur ganz offen und ehrlich zu fragen: Kannst du mich mal in den Arm nehmen? Wer weiß, vielleicht braucht es die Freundin gerade auch.

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Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. Seit Oktober 2023 Taz-Volontärin.

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