Koaltionsbildung nach der Berlin-Wahl: Wegner kann weiter träumen
Als ob er das Drehbuch dafür geschrieben hätte: Vieles hat sich in Sachen künftiger Koalition in Berlin so entwickelt wie vom CDU-Chef erhofft.
Die Sozialdemokraten wurden zwar – äußerst knapp – doch Erste im linken Lager. Aber die Zerwürfnisse der Vorwahlmonate mit den Grünen waren merklich groß. So groß, dass die SPD offenbar eine Juniorpartnerschaft mit der CDU einer rot-grün-roten Koalition vorzieht – obwohl sie erstere nicht anführen würde. Auch das Gezerre um Enteignung dürfte dazu beigetragen haben: Da ist die Linkspartei ihren Wählern fest im Wort, ein entsprechendes Gesetz zu beschließen, während das Gewissen von SPD-Chefin Franziska Giffey dagegen spricht.
Wegners Kalkül war schon vor der Wahl: Sobald die SPD aus dem Linksbündnis ausschert, gäbe das auch den Grünen eine Rechtfertigung für eine Koalition mit der CDU. Und dieses Bündnis, so hat der CDU-Chef es der taz kurz vor der Wahl noch gesagt, wäre seine „Traumkoalition“.
Gekommen ist es nun fast genau so. Am Mittwochabend wollte der SPD-Landesvorstand entscheiden, ob er dem Kurs seiner Landesvorsitzenden Giffey folgt und Koalitionsverhandlungen mit der CDU anstrebt. Die Entscheidung sollte nach Redaktionsschluss fallen.
Einen Tag später, am späten Donnerstagnachmittag, vielleicht gleichfalls in den Abend hinein, will die CDU beraten, wie sie mit den nun abgeschlossenen Sondierungsgesprächen umgeht. Das letzte von jeweils dreien zwischen CDU und Grünen, CDU und SPD sowie zwischen den bisherigen rot-grün-roten Koalitionspartnern war am späten Dienstagabend zu Ende gegangen.
„In sehr angenehmer Atmosphäre“
Nach dem achteinhalbstündigen Treffen hatten Wegner und Grünen-Verhandlungsführerin Bettina Jarasch vor Journalisten von Lösungen auch „bei dicken Brocken“ gesprochen. Darunter fassten sie auch das Thema Enteignung und den umstrittenen Weiterbau der Stadtautobahn A100. „Sehr, sehr gute Gespräche“ seien das gewesen, sagte Wegner, „in sehr angenehmer Atmosphäre, auch gerade menschlich“.
Das passierte auf dem CO2-neutral funktionierenden Euref-Campus in Schöneberg, vor einer idyllischen Backsteinfassade. Bei der SPD ging es am Mittwochabend in und vor ihrer Landeszentrale an der stark befahrenen Müllerstraße ganz anders zu. Heimeliger ist dann schon wieder der Ort, an dem die CDU am Donnerstagabend verkünden will, wie es aus ihrer Sicht weitergehen soll und was sie mit der mutmaßlichen SPD-Offerte macht – das passiert nämlich am lauschigen Lietzensee in Charlottenburg, wo sich die CDU vor drei Jahren mit ihrer Landeszentrale eingemietet hat.
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