piwik no script img

Koalitionssuche in Schleswig-HolsteinDie Qual nach der Wahl

Grüne oder FDP? Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther würde am liebsten das Jamaika-Bündnis fortsetzen.

Berlin am Montag: Wahlsieger Daniel Günther wird von Friedrich Merz und Hendrik Wüst beklatscht Foto: Michael Kappeler/dpa

Kiel/Berlin taz | Wie wichtig Daniel Günthers Wahlsieg für die CDU weit über Schleswig-Holstein hinaus ist, zeigt sich am Montagmittag schon, bevor die Pressekonferenz in der Berliner Parteizentrale beginnt. Statt der üblichen zwei Rednerpulte für Parteichef und Spitzenkandidat sind vier aufgebaut. Neben Friedrich Merz und Günther ist auch Karin Prien, die Parteivize und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein dabei – und Hendrik Wüst, Ministerpräsident im wichtigen Nordrhein-Westfalen.

Wüst muss sich nächsten Sonntag einer Landtagswahl stellen und anders als im Norden ist der Ausgang offen. Die CDU liegt in Umfragen zwar vorn, es könnte aber knapp werden. „Das ist auch Rückenwind für Nordrhein-Westfalen“, sagt denn auch Parteichef Merz, nachdem er Günther und Prien für den „überragenden Erfolg von ganzem Herzen“ gratuliert hat.

Bemerkenswert ist dann, dass ausgerechnet Merz betont, die Botschaft aus Schleswig-Holstein sei, dass sich seine Partei diverser aufstellen müsse. Die Liste der Nord-CDU war paritätisch aufgestellt, den Wahlkreis Kiel-Ost hat überraschend Seyran Papo geholt, eine Christdemokratin mit kurdischer Familiengeschichte, die früher bei den Linken war. Merz’ Einlassung kann man als Zeichen deuten, dass der CDU-Chef der Frauenquote, über die der Parteitag im Herbst abstimmt, seinen Segen zu geben gedenkt und dies rhetorisch nun vorbereitet.

Die CDU in Kiel hat unter Günthers Führung 43,4 Prozent der Stimmen geholt, das sind gut elf Prozentpunkte mehr als beim letzten Mal. Am Abend auf der Wahlparty seiner Partei hatte er das auf der Tanzfläche gefeiert, dort tauchten später auch die Spit­zen­kan­di­da­t:in­nen von Grünen und FDP, Monika Heinold und Bernd Buchholz, auf, mit denen er bisher regiert. Doch mit der Dreier-Harmonie dürfte es bald vorbei sein. Zwar lobt Günther am Montag das Jamaika-Bündnis noch einmal und betont, er würde nun mit beiden Parteien Gespräche führen, doch am Ende wird er sich für einen von beiden entscheiden müssen.

Energieversorgung zum wichtigsten Thema geworden

„Wir haben immer gesagt, wir würden gerne mit Daniel Günther weiterregieren und dafür gibt es jetzt auch eine Basis“, warb FDP-Mann Buchholz am Montag. Er sehe deutlich mehr Übereinstimmungen der CDU mit der FDP als mit den Grünen. Was stimmt: Einig sind sich CDU und FDP etwa beim Straßenbau, den beide beschleunigen wollen – hier geht es vor allem um die Großprojekte A 20, deren Weiterbau seit Jahren nicht vorankommt, und den Ausbau von Straßen und Schienen, die den Verkehr aus dem geplanten Fehmarnbelt-Tunnel durch das Land führen sollen. Allerdings ist der Tunnel zwischen Dänemark und Deutschland beschlossen – selbst ein grün geführtes Verkehrsministerium müsste daher die Hinterlandanbindungen vorantreiben.

Die CDU-Basis, die deutlich konservativer als der liberale Günther ist, dürfte Schwarz-Gelb zuneigen. Für das Bündnis spricht auch, dass die geschwächte FDP, die 5 Prozentpunkte verloren hat, möglicherweise deshalb der leichtere Partner ist.

Allerdings ist durch den Ukraine-Krieg die Energieversorgung zum wichtigsten Thema im Land geworden. Grundsätzlich wollen alle Parteien im Energiewende-Musterland den weiteren Ausbau der Erneuerbaren. Allerdings sind die Grünen deutlich ehrgeiziger als die anderen: Bis 2035 soll Schleswig-Holstein klimaneutral sein, die CDU will das erst für 2045. Um die Energieziele zu erreichen, wäre das Bündnis mit den Grünen für die CDU attraktiver – und als Ausbruch aus altem Lagerdenken die interessantere Option. Auch passt die ruhige und pragmatische Heinold auf der persönlichen Ebene besser zu Günther als der manchmal großspurig auftretende Buchholz von der FDP.

Dass rein inhaltlich Schwarz-Gelb naheliegender ist, leugnen dennoch auch die Grünen nicht. „Es ist bekannt, dass CDU und FDP sich programmatisch sehr nahe sind“, sagt Spitzenkandidatin Monika Heinold. „Die FDP würde vermutlich sogar das CDU-Wahlprogramm zum Koalitionsvertrag machen, nur um mit dabei zu sein.“ Um dagegen anzukommen, betonen die Grünen am Montag eines immer wieder: Anders als die Liberalen haben auch sie bei der Wahl zugelegt. Die Bevölkerung wolle also, dass sie weiter regieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • paritätisch? der Anteil der Frauen unter den CDU Landtagsabgeordneten wird ca. 26 Prozent betragen

    • @Mariex:

      Der Unterschied liegt daran, dass die Hälfte der Abgeordneten über Direktmandate gewählt werden, und das sind überwiegend Männer.



      Die paritätische Liste bestimmt nur die andere Hälfte der Abgeordneten.



      Das ergibt dann die angegebenen 26% Abgeordneten.

      Insofern, ja, die Liste ist paritätisch, das bedeutet aber nicht zwingend, dass die Fraktion auch 50% Frauenanteil hat.