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Koalition beschließt BundeswehreinsatzDeutsche Tornados gegen den IS

Die Bundesregierung reagiert auf Frankreichs Bitten. Aufklärungsflugzeuge sollen gegen den „Islamischen Staat“ helfen - vielleicht auch die Marine.

Gucken und Tanken: Die Bundesregierung will „Tornados „zur Aufklärung nach Syrien schicken. Foto: dpa

Berlin rtr/dpa | Als Konsequenz aus den Anschlägen in Paris will sich Deutschland mit „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen am Militäreinsatz gegen die Terrororganisation Islamischer Staat beteiligen. Das beschlossen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die zuständigen Minister am Donnerstag bei einem Treffen in Berlin, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Im Gespräch soll auch die Entsendung von Flugzeugen zur Betankung von Kampfjets der Anti-IS-Koalition sein. Spekuliert wird auch über Satellitenaufklärung zur Zielerfassung und einen Marine-Einsatz.

Am späten Nachmittag wollten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD darüber beraten. Die Bundestagsberatungen über das notwendige Mandat für den Einsatz sollen schon kommende Woche beginnen. Es wird erwartet, dass es eine Sondersitzung des Kabinetts zu den Einsatzplänen vor dem regulären Termin am Mittwoch geben wird. Ob das Parlament bereits in der kommenden Woche endgültig grünes Licht gibt, war zunächst offen.

Nach der Terrorserie in Paris hatte Merkel Frankreich „jedwede Unterstützung“ zugesagt. Bereits am Mittwoch hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine Entlastung der Franzosen durch eine Ausweitung der Bundeswehreinsätze im westafrikanischen Mali und im Irak zugesagt. Im Irak bilden deutsche Soldaten die kurdische Peschmerga-Armee für den Kampf gegen den IS aus, der auch mit deutschen Waffen geführt wird.

Das ist der bisher wichtigste deutsche Beitrag im Kampf gegen den IS. Die Bundesregierung wollte sich eigentlich darauf beschränken. Die Terrorserie in Paris vor zwei Wochen hat die Haltung aber verändert. Der französischen Präsidenten François Hollande hatte sich bei einem Treffen mit Merkel am Mittwochabend ein stärkeres Engagement Deutschlands gewünscht.

Auch nach den Pariser Anschlägen, zu denen sich der IS bekannt hat, hatte sich die Bundesregierung zunächst gegen eine deutsche Beteiligung an den Luftangriffen der USA und Frankreichs gegen mutmaßliche Stellungen der Extremisten in Syrien ausgesprochen. Zur Begründung hieß es in Sicherheitskreisen, es herrsche in Syrien kein Mangel an Kampfjets, sondern eher an Zielen.

Sollte die Bundesregierung nun die sogenannten Recce-Tornados in den Einsatz schicken, würde sie beiden Argumenten gerecht: Sie können zwar keine Ziele bombardieren, sie liefern jedoch mit ihren Spezialkameras Aufklärungsdaten, die bei der Entdeckung von Zielen helfen.

Tankflugzeuge gelten gerade bei europäischen Einsätzen als Mangelware. Mit ihrer Entsendung würde Deutschland der französischen Armee unter die Arme greifen. Außerdem soll auch Hilfe bei der Satellitenaufklärung zu den deutschen Angeboten an Frankreich zählen. Worum es konkret geht, ist unklar. Deutschland und Frankreich arbeiten seit Jahren sehr eng in dem Bereich zusammen.

Bundestag muss noch zustimmen

Ein Mandat als rechtliche Grundlage eines Bundeswehr-Einsatzes in Syrien gilt in der Bundesregierung nach Aussage von Insidern nicht als Problem. Es gebe ausreichende UN-Resolutionen zu Syrien und außerdem den Artikel 51 der UN-Charta, der das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs enthält. Auch die Voraussetzung des Handelns in einem internationalen Bündnis sei gegeben, da Frankreich sich bei seinem Hilfsappell auf die Beistandsklausel im EU-Vertrag berief. Außerdem muss der Bundestag zustimmen.

Bereits am Mittwoch hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes in Mali angekündigt. Künftig sollen sich bis zu 650 deutsche Soldaten am UN-Einsatz zur Stabilisierung des afrikanischen Landes nach dem Islamistenaufstand beteiligen, den die französische Armee 2013 niedergeschlagen hatte. Bisher lag die Obergrenze für die deutsche Beteiligung an der UN-Truppe Minusma bei 150 Soldaten. Zudem erhöht Deutschland die Zahl der Bundeswehr-Ausbilder im Nordirak auf bis zu 150. Sie trainieren kurdische Peschmerga im Kampf gegen den IS.

Mit einer Beteiligung an den Luftangriffen wäre die Bundeswehr erst zum dritten Mal in ihrer Geschichte in einen offensiven Kampfeinsatz - also die aktive Bekämpfung eines Gegners - involviert. Im Kosovo-Krieg bombardierten deutsche „Tornados“ serbische Luftabwehrstellungen. Im Afghanistan bekämpfte die Bundeswehr in offensiven Operationen die radikalislamischen Taliban am Boden. Der Kampfauftrag dort lief aber Ende 2014 aus.

Die Linke warnte vor einer Verstärkung der Terrorgefahr in Deutschland durch ein Eingreifen der Bundeswehr in den Anti-IS-Kampf. „Dass Deutschland jetzt seinerseits in diese militärische Eskalation einsteigen will, wird den Konflikt nicht eindämmen und die Dynamik in der Entwicklung des militanten Islamismus nicht stoppen“, sagte Parteichef Bernd Riexinger der Deutschen Presse-Agentur. „Im Gegenteil, Deutschland rückt dadurch stärker in den Fokus dieser Gewalttäter.“

Die Grünen stellen klare Bedingungen für eine militärische Beteiligung Deutschlands. „Da geht es um Aufklärungsfähigkeiten. Das kann Deutschland. Eine Voraussetzung wäre aber auf jeden Fall, dass man eine internationale Koalition und vor allem ein UN-Mandat hätte“, sagte der Verteidigungsexperte Tobias Lindner im ZDF-„Morgenmagazin“.

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14 Kommentare

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  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Bravo!

    Beim militärisch industriellen Komplex knallen die Sektkorken.....beim IS vermutlich auch(Alkoholfrei).

  • Bevor wir uns nur aufregen, sollten wir genauer prüfen, was getan werden kann:

     

    die salafistische Ideologie und die Rekrutierung und Gehirnwäsche dürfen sich nicht weiter ausbreiten.

     

    Aber eine Militärorganisation die bereits Waffen und Geld hat, und diese einsetzt, v.a. gegen Unbewaffnete und eine Weltanschauung praktizieren will, wie das Daish-Regime, so etwas muss auch mit militärischen Mitteln gestoppt werden.

     

    Die Angreifer verweigern ja jegliche Kommunikation außer ihrer Propaganda.

     

    Viel allgemeiner: warum sollte diese Arbeit nur an Soldaten delegiert werden? warum nicht wir alle?

    Wir würden dann genauso Fehler machen wie die Soldaten.

     

    Nicht Krieg oder Frieden, sondern Unterstützung der Angegriffenen gegen die Angreifer ist das Thema.

    Und gleichzeitig gegen den Kapitalismus und die soziale Ungleichheit. Das sind aber nur sehr indirekt verbundene Themen.

  • Wenn Kriminalfälle mit Soldaten gelöst werden...

  • wird zeit, daß wir uns die staatliche souveränität erstreiten - friedlich!

  • Dann ist es ja im Bereich des Möglichen. Deutschland führt Krieg von der Location in Rammstein aus. Deutschland will Bomber, wie auch immer, schicken. Uns erzählt man:" Wir bauen ja nur Brunnen in Afghanistan". In der Rüstungsproduktion und Export der Rüstungsgüter ist Deutschland führend. Sind da KRIEGSTREIBER in der Regierung am Werk? Soll ich dazu sagen : " Wollt Ihr den totalen Krieg ?"

    Hans-Ulrich Grefe

    • @Grefe Hans-Ulrich:

      Wieso dürfen diese .... alles , alles entscheiden ohne uns zu befragen? Ich will das nicht!

    • @Grefe Hans-Ulrich:

      während die einstmalige westdeutsche friedensdemo-generation durch die ikea-kaufhäuser streift und sich am jungen beaujolais labt...

  • ..das kommt einer argen Militarisierung der EU gleich.. Scheisse ! Was mit der "Syrienkonferenz" ? Es gibt doch auch Möglichkeiten, dem, in "Willen zum Krieg" erstarrten Frankreich zivil und friedlich zur Seite zu stehen...

  • Ohne UN-Beschluss wäre das ein strafbarer Angriffskrieg. Es dürfte auch kein Nato-Beistandsfall sein, wenn Franzosen in Frankreich Terroranschläge verüben.

    • @Velofisch:

      Der Bundesgerichtshof interpretiert in solchen Fällen das Grundgesetz ausgesprochen flexibel: http://www.glasnost.de/kosovo/urteilstrafanz.html

      • @jhwh:

        Nur ist Ihre Quelle nicht die richtige Adresse. http://www.bverwg.de/210605U2WD12.04.0 *

        Darin - 'schland war via Logistik/Aufklärung Kriegspartei im Irakkrieg.

        Zur Teilnahme Kosovo-Bombardierung - liegt der Fall noch klarer.

        Die gegenteilige Eilenrscheidung des VG Köln - basierte auf Täuschungen der Bundesregierung/Exekutive des Gerichts über die Faktenlage.

        Es gab keinen "Hufeisenplan"(Scharping/Fischer) - es drohte kein Völkermord.

         

        (*der Berichterstatter mußte zweimal bei Angie vorturnen( sie hatte Bush ja sogar versprochen - MITMARSCHIEREN ZU LASSEN!!)

        Sie weiß also was verfassungs- wie völkerrechtlich Sache ist.

        • @Lowandorder:

          Danke für die Ergänzung.

  • ... kurz nach dem Krieg, in der frühen Bundesrepublik, hörten wir die eindringliche Friedensmahnung eines populären christlichen Politikers im 1949er Wahlkampf:

     

    »Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen«.

    https://www.jungewelt.de/2015/09-05/033.php

    • @Gion :

      das werden wohl diesselben Tornados sein, die nutzlos in Afghanistan umherflogen und dann von dem US Kommando wieder heimgeschickt wurden!