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Kneipen in Corona-Krise„Wat soll ick mit 'nem Kredit?“

Conny Rackow betreibt die „Berliner Bürgerstuben“ im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Die Wirtin fürchtet, die Coronakrise könnte sie ruinieren.

Kneipenwirtin Conny Rackow: Ihre Gäste müssen jetzt ohne ihre deftige Küche auskommen Foto: privat

Conny Rackow betreibt seit 27 Jahren in Berlin-Prenzlauer Berg eine Eckkneipe. Die „Berliner Bürgerstuben“ sind im Kiez beliebt. Im Sommer wird auch mal auf der Straße gegrillt, Anwohner*innen trinken ihr Feierabendbier draußen. Im Winter ist es manchmal so voll, dass nur noch Platz am Tresen ist. All das ist gerade Geschichte, wegen der Coronakrise ist die Kneipe geschlossen. Was das für die Wirtin bedeutet, erzählt sie hier:

„Ick habe ne Kneipe, so ne richtig schöne Berliner Eckkneipe. Ick bin ne Nummer hier im Kiez, die Conny, die kennt man hier. Und dit will wat heißen in Prenzlauer Berg, zwischen all den hippen Cafés und veganen Restaurants. Dafür tu ick ooch wat. Jeden Morgen steh ick um 6 in der Küche und fange an zu kochen: Kohlrouladen, Schnitzel, Kassler, Bouletten, Bauernfrühstück. Viel Fleisch, ick weeß, aber dit lieben meine Gäste. Dazu 'nen jepflegtet Bierchen – und die Leute sind glücklich.

Aber jetzt ist Schluss mit lustig. Keene Gäste, keen Umsatz. Wegen Corona. Schotten dicht, die Rollos bleiben unten. Ick kann mich nicht daran erinnern, dass es hier mal so ruhig war wie jetzt.

Normalerweise kommen morgens die Arbeiter zum Frühstück. Mittags schlendern Touristen vorbei, meine Berliner Bürgerstuben haben sich rumgesprochen, die kommen sogar in einem Kartenquartettspiel vor. Abends jeht's dann richtig los, da ist die Hütte voll, dann renne ick zwischen Küche, Tresen und den Tischen hin und her. Dit is jetzt allet vorbei, wegen der Ausgangsbeschränkungen.

Dabei lief es gerade mal super, endlich hatte ich mich ein bisschen saniert. Bis so 'ne Kneipe läuft, dauert dit nämlich. Ick bin 53 Jahre alt und seit 27 Jahren mit der Kneipe hier, fast jeden Tag schieb ick Doppelschichten, von morgens bis abends. Und dann die Dinge, die du nicht beeinflussen kannst: Baustellen, aufgerissene Bürgersteige, Euro-Währungsunion, irgendwat war immer. Harte Zeiten, kaum Erholung, kaum Einnahmen. Und jetzt, wo der Laden einigermaßen läuft, haut mir Corona die Beene weg.

Und nicht nur mir. Ick hab ne Angestellte, auf Honorarbasis, die muss ick jetzt in Kurzarbeit schicken. Aber die braucht dit Geld. Wat soll ick machen? Zwar soll man jetzt Kurzarbeitergeld beantragen können, aber noch weeß doch niemand so richtig, wie dit funktioniert. Wo jibt's die Anträge? Wie lange dauert dit? Allet schwierig. Also zahle ick meiner Helga, so heißt meine Angestellte, die Hälfte von dem, wat sie sonst kriegt. Krankenkasse und Sozialbeiträge muss ick ooch weiterzahlen. Auch die Miete wird nicht weniger. Und dit, obwohl ick selbst nüscht verdiene.

Ick bin mir nich sicher, ob meine Kneipe dit übersteht. Durch die Ausgangsbeschränkungen fallen demnächst sicher auch die wenigen Einnahmen weg, die ick noch über die Essensausgabe habe. Leute aus dem Kiez kommen vorbei, bestellen Essen und nehmen dit mit nach Hause. Kam immer mal vor, aber ist nicht die Regel. Jetzt wollen die Leute sicher öfter Essen bringen lassen.

Es heißt ja auch, man könne einen Kredit aufnehmen. Wat soll ick denn damit? Den muss ick ja zurückzahlen. Wie soll dit gehen, wenn ick wochenlang, vielleicht monatelang nüscht einnehme? Es muss da echte staatliche Hilfen geben, unbürokratisch und schnell. Muss ja nicht viel Geld sein, aber so viel, dass Selbstständige überleben können. Es kann ja nicht sein, dass eine ganze Branche runtergerockt wird.“

Protokoll: Simone Schmollack

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1 Kommentar

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  • Klar, alle wollen unbürokratische Hilfe. So soll es auch sein. Aber man muss auch den übriggebliebenen Hauptposten der Kosten hinterfragen: die Miete. Der Mietzins muss reduziert werden. 50%.



    Der Rest könnte mit etwas Unterstützung tragbar sein und die Kunden werden nach Ablauf der Krise ja auch zurückkommen. Es wird keiner die Kneipe vergessen haben.