Klimastreik am 20. September: Ein bisschen Generalstreik

Für Freitag ruft Fridays for Future zum Klimastreik auf. Diesmal sollen alle mitstreiken. Wie ernst ist es den Erwachsenen?

Ein junger Mensch liegt auf dem Boden, andere zeichnen mit Kreide seinen Körperumriss

Kreative Aufrufe für den Klimastreik. Die Schülerbewegung will eine gesamtgesellschaftliche werden Foto: Christian Mang

An einem Freitag im Herbst legt ein Generalstreik Deutschland lahm. „Männer und Frauen, reiht euch ein“, steht auf den Plakaten des Deutschen Gewerkschaftsbunds. „Es handelt sich um euer Lebensinteresse.“ Drei Viertel der deutschen Beschäftigten folgen dem Aufruf.

Doch die Streikenden gehen nicht auf die Straße, die Gewerkschaften rufen dazu auf, zu Hause zu bleiben. „Stiller als ein Sonntag“, beschreibt eine Zeitung die Atmosphäre. In Hamburg flanieren sonntäglich gekleidete Menschen, keine Bahn fährt. In Bremen renovieren Streikende die Hütten ihrer Schrebergärten, am Niederrhein ist die Streikbeteiligung besonders hoch. Viele haben noch einen Kater. Am Vortag war Sessionsbeginn, an dem die neue Karnevalssaison ausgerufen wird.

Nur an wenigen Orten wird der Streik auf der Straße sichtbar. In Köln prügeln sich Arbeiter mit Streikbrechern vor den Werkstoren eines Stahlhändlers. In Kiel wird das Rathaus blockiert, in Lübeck und in Wuppertal die Stromversorgung unterbrochen. Vor einem Kino in Braunschweig fährt ein Lastwagen mit zwanzig Männern und Frauen vor, die in das Kino eindringen. „Die Theaterleitung sah sich gezwungen, die Vorstellung abzubrechen“, schreibt der Weserkurier.

Es ist Freitag, der 12. November 1948, als das letzte Mal in Deutschland ein Generalstreik stattfindet. Anlass waren die Lebensmittelpreise, die nach der Währungsreform im Juni stark angestiegen waren.

Viele streikende Menschen stehen um eine Ruine herum und sitzen auf ihr

Der letzte Generalstreik fand 1948 statt Foto: bpk

Am kommenden Freitag sollen wieder alle streiken. „Es handelt sich um euer Lebensinteresse“, das könnte man wieder auf die Transparente schreiben.

In mehr als 300 deutschen Städten wird es Demonstrationen geben, von Aachen bis Zwickau, aber auch in Abu­ja, Nigeria, und Valetta, Malta. „Jetzt sind alle Menschen gefordert“, heißt es im Aufruf. Gingen bislang vor allem Jugendliche auf die Straße, sind nun auch die Erwachsenen gefragt. In Deutschland tagt am gleichen Tag das Klimakabinett, ein Tag später startet der Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York. Erwartet wird, dass der Protest größer wird als alle bisherigen.

Doch anders als beim letzten Generalstreik geht es nicht um so etwas Konkretes wie Lebensmittelpreise, sondern um die Rettung der Welt.

Mittwoch dieser Woche in einem Gemeinschaftsgarten in Berlin-Wedding. Felipa Goltz, Benedikt Niemann und andere aus der Bezirksgruppe von Fridays for Future sitzen auf Holzpaletten und beratschlagen, wie sie nun weitermachen. Um sie herum wachsen Sonnenblumen und Pflanzen in Hochbeeten.

Im Tagesgeschäft sollen Lücken entstehen

Alle sind Anfang 20 und studieren. Sie frotzeln herum. Es wirkt, als kennen sie sich schon ewig. Dabei hat die Gruppe erst vor zwei Wochen zusammengefunden. „Seitdem verbringen wir fast jeden Tag miteinander“, erzählt eine junge Frau. Die SchülerInnen, die in Berlin seit Januar auf die Straße gehen, seien total überlastet. Sie dagegen haben Semesterferien, also übernehmen sie.

Zum Beispiel die Mobilisierung für den Klimastreik. „Ich hoffe, dass wir es endlich schaffen, von einer Schüler- zu einer gesellschaftlichen Bewegung zu werden“, sagt einer. Felipa Goltz stimmt zu. „Ich wünsche mir, dass die, die uns sonst nur vom Fenster zuwinken, runterkommen und mitlaufen.“ Der Streik müsse spürbar werden, es müssten Lücken im Tagesgeschäft entstehen.

Benedikt Niemann sitzt etwas am Rand, er berichtet von Existenzängsten angesichts des Klimawandels. „Ich bin froh, dass ich mit der Organisation hier so viel zu tun habe, dann muss ich nicht drüber nachdenken.“ Wenig später drängt er zur Eile. Die jungen Leute packen Plakate in ihre Rucksäcke und brechen auf zu ihren Rädern.

Aber nicht nur Schüler und Studierende mobilisieren, auch die Gewerkschaften bewegen sich. Die IG Metall sagt, sie begrüße es, wenn ihre Mitglieder an Demos teilnehmen. Verdi geht einen Schritt weiter: „So einfach zum Streik aufrufen kann ich nicht. Aber ich rufe diejenigen, die es können, dazu auf, sich an den Aktionen am 20. September zu beteiligen“, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der taz. Bsirske empfiehlt seinen Mitgliedern „auszustempeln“. Das heißt: Sie sollen außerhalb der Arbeitszeit an der Demo teilnehmen.

In diesen Tagen dreht sich alles ums Klima. Aus dem einsamen Protest von Greta Thunberg in Stockholm ist eine globale Bewegung geworden. Sie ruft zum weltweiten Streik auf. Am 20. September protestiert „Fridays For Future“ in 400 deutschen Städten, weltweit soll es 2.000 Aktionen in 120 Ländern geben. Gleichzeitig stellt die Bundesregierung die Weichen für eine strengere Klimapolitik.

Die taz ist Teil der Kampagne „Covering Climate Now“. Mehr als 200 Medien weltweit setzen bis zum UN-Klimagipfel vom 21. bis 23. September in New York gemeinsam genau ein Thema: Klima, Klima, Klima.

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Eindeutig verboten ist ein Generalstreik nicht

In anderen Ländern gehören Generalstreiks zum Alltag. In Deutschland, so die herrschende Meinung, ist Streik, in dem es nicht um Löhne und Tarifverträge geht, sondern um politische Ziele, nicht erlaubt. Die Gewerkschaften befürchten Schadenersatzforderungen der Unternehmen. Dabei gibt es kein Gesetz, das politische Streiks verbietet. Das Bundesarbeitsgericht hat das Streikrecht in den 50er Jahren zwar eingeschränkt. Verantwortlich dafür war der erste Präsident des Gerichts, der Jurist Hans Carl Nipperdey, der in der NS-Zeit das Arbeitsordnungsgesetz mitverfasst hatte. Aber selbst in den 50er Jahren hieß es, ein politischer Streik „für die Freilassung von Kriegsgefangenen oder gegen hohe Preise“ könne kaum als verfassungswidrig angesehen werden. Auch heute sind einige Juristen der Meinung, dass ein politischer Streik legal wäre. Nur: Um dies vor Gericht zu klären, müsste es mal wieder einen Generalstreik geben.

Der Historiker Uwe Fuhrmann hat sich in seiner Dissertation mit dem letzten deutschen Generalstreik beschäftigt. Er hat sich durch Archive gegraben und Zeitungsausschnitte zusammengesucht. „Die deutschen Gewerkschaften könnten mehr tun, um den Klimastreik zu unterstützen“, sagt er. Auch nach 1948 habe es immer wieder politische Streiks gegeben, ohne dass diese verboten wurden. Abmahnungen oder gar Kündigungen waren große Ausnahmen.

Die taz hat über 50 Firmen gefragt, wie sie es mit dem Klimastreik halten. Viele bekennen sich zum Kampf gegen den Klimawandel – nur für den Streik folgt daraus wenig

So streikten ArbeiterInnen 1968 gegen die Notstandsgesetze, 1972 anlässlich des Misstrauensvotums gegen Willy Brandt. Am 6. März 1986 demonstrierten 1 Million Beschäftigte während der Arbeitszeit. Die IG Metall nannte das „betriebliche Aktionen“ und wehrte sich so gegen ein Gesetzesvorhaben, das Streiks erschweren sollte. Hinterher wurden angedrohte Kündigungen und Abmahnungen wieder zurückgenommen: Kein Unternehmen kann es sich leisten, vielen Mitarbeitern gleichzeitig zu kündigen. Und vieles hängt von der gesellschaftlichen Stimmung ab. Kündigungen wegen einer Teilnahme am Klima­streik dürften mittlerweile einen Imageverlust bedeuten.

Da ginge also mehr, juristisch und politisch. Aber für die Gewerkschaften ist das Thema Klima schwierig: Der Umbau der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit gefährdet Jobs, neue Arbeitsplätze müssen erst entstehen. Viele Beschäftigte nehmen die Veränderungen – etwa den Umstieg vom Verbrennungsmotor auf Elektromobilität, von fossilen zu erneuerbaren Energien – als Bedrohung wahr. Selbst wenn die Gewerkschaften so mutig wären und zum Generalstreik aufriefen, könnte es gut sein, dass viele ihrem Aufruf nicht folgen.

Die Gewerkschaften müssen sich entscheiden

Klaus Dörre ist Professor für Arbeitssoziologie an der Uni Jena, er hat sich mit dem Verhältnis der Gewerkschaften zur Ökologie befasst. „Wir brauchen eine Nachhaltigkeitsrevolution“, ist Dörre überzeugt. Er vergleicht die Veränderungen, vor denen die Wirtschaft steht, mit jenen der ersten industriellen Revolution.

Die Gewerkschaften, die seit Jahren Mitglieder verlieren, hätten nun zwei Möglichkeiten, sagt Dörre. Sie könnten konservativ auftreten und sich vor allem für die Interessen bestimmter Gruppen einsetzen, etwa in der Braunkohle. Damit würden sie aber rasch an gesellschaftlicher Akzeptanz verlieren, denn der Strukturwandel sei unausweichlich. Die andere Möglichkeit: „Die Gewerkschaften könnten sich auch wieder stärker als soziale Bewegung verstehen und ihre Macht nutzen, um den Wandel ökologisch und sozial zu gestalten.“

Eine Entscheidung über die politische Ausrichtung der Gewerkschaften sei noch nicht gefallen, sagt Dörre. Dass Verdi-Chef Bsirske die Mitglieder dazu aufruft, sich an Veranstaltungen des Klimastreiks zu beteiligen, wertet er aber als einen Schritt nach vorn.

Die jungen Leute von Fridays for Future, die an diesem Mittwoch im Wedding unterwegs sind, sehen das Verhalten der Gewerkschaften mit gemischten Gefühlen. „Ich würde mir wünschen, dass sie radikaler sind“, sagt Benedikt Niemann. Natürlich seien sie dankbar für alle Menschen, die ihre Arbeitszeit so legen, dass sie an dem Tag demonstrieren können, sagt Felipa Goltz. „Es ist wichtig, dass wir unglaublich viele werden“, sagt ein anderer mit Sonnenbrille. „Freinehmen ist aber nicht die beste, sondern nur die zweitbeste Lösung.“

„Es ist doch nur ein Wort“

Eigentlich wollen sie, dass die Menschen für das Klima wirklich etwas riskieren, ein Opfer bringen. Nicht nur die Beschäftigten, auch die Unternehmen. Klar würde das für die Firmen einen Ausfall bedeuten. „Aber wenn man sich überlegt, wie viel der Klimawandel kosten wird, ist das absurd“, sagt eine. Interessant ist, dass Fridays for Future zwar zu einem Generalstreik aufrufen, aber das Wort nicht in den Mund nehmen. Das habe rechtliche Gründe, sagt eine Sprecherin von Fridays for Future, das habe man bundesweit so entschieden. Man will die Gewerkschaften nicht in Schwierigkeiten bringen, „es ist doch nur ein Wort“.

Einige Betriebsräte suchen nach kreativen Wegen, den Klimastreik zu unterstützen. In einem Berliner Beratungsunternehmen findet am Freitag eine Betriebsversammlung statt, so können die Arbeitnehmer legal ihre Arbeit niederlegen. Bei dem Treffen soll die Klimapolitik des Unternehmens Thema sein. Im Anschluss wollen einige zur Demo gehen.

Dirk Kieper ist Betriebsrat bei der Deutschen Post in Düsseldorf. „Es kommt Bewegung in die Sache“, sagt er. Bei der Post sei der Betriebsrat zuerst gespalten gewesen, ob man den Streik unterstützen solle. Man wollte sich nicht vereinnahmen lassen für Ziele, die „nicht betriebsbezogen“ sind. Trotzdem war der Klimastreik Thema bei einer Betriebsversammlung. Als Vertreter der Arbeitgeberseite sagten, man unterstütze die Ziele von Fridays for Future, die Mitarbeiter sollten aber „ausstechen“ oder Überstunden abfeiern, wenn sie teilnehmen wollten, fragte ein Kollege aufgebracht: „Was soll man arbeiten, wenn man auf einem toten Planeten lebt?

Kieper jedenfalls wird ausstempeln und am Klimastreik teilnehmen. Ob er gemeinsam mit seinen Kollegen geht, ist noch nicht geklärt. „Wir sind noch nicht so weit wie die Schüler.“

Wie umstritten der Aufruf ist, erfährt man, wenn man mit Gewerkschaftern spricht, in deren Branchen Arbeitsplätze bedroht sind. Heinrich Betz ist Betriebsrat bei Volkswagen in Braunschweig. In seinem VW-Werk wird aktuell die Produktion auf Batteriesysteme umgestellt, Kollegen werden umgeschult. Kollegen, die seit 20, 30 Jahren die gleiche Arbeit machten, sagt er.

Es geht nicht mehr um Lebensmittelpreise, sondern um die Rettung der Welt Foto: Christian Mang

Betz will am Freitag eine Rede halten und wirbt auch bei seinen Kollegen dafür, zur Demo zu gehen. Manche wollten kommen, andere seien skeptisch und fragten, ob sie ihre Jobs verlieren könnten, wenn umgesetzt wird, was beim Klimastreik gefordert wird.

Berlin-Wedding am frühen Nachmittag. Mit ihren Rädern fahren die Studierenden durch die Straßen, im Fahrradkorb einen Karton mit Aufklebern und Klebeband. Sie wollen Plakate aufhängen und Flyer verteilen.

In Läden brauchen sie dafür die Erlaubnis der Inhaber. „Hier gibt es so tolles veganes Schokosorbet“, sagt Felipa Goltz, als sie einen Eisladen betritt. Der Verkäufer schickt sie wieder weg, Plakate und Flyer sind nicht erwünscht.

Fronten verlaufen anders als bei einem Tarifstreit

Goltz versucht es in einem Spätkauf. Kaffee, Eier, Alkohol und Süßigkeiten stehen in den Regalen. „An die Tür kannst du was machen“, sagt der Verkäufer. Fridays for Future kennt er. „Das sind die, wo die Kinder die Schule geschwänzt haben.“ Er lacht. Vom Streik hat er gehört. „Aber ich könnte mir nicht leisten, freitags zuzumachen. Wir müssen ja schon sonntags schließen.“

Wie viele Erwachsene werden am Freitag den Schritt machen und die Arbeit Arbeit sein lassen? „Solidarisierung ist gut, aber es kommt auf Handlungen an“, sagt einer der jungen Leute. Ein anderer warnt: „Wir dürfen uns nicht mit Lippenbekenntnissen abspeisen lassen.“ Für die einzelnen Menschen haben sie aber schon auch Verständnis. „Gerade die kleinen Läden müssen ja oft um ihre Existenz kämpfen“, sagt Felipa Goltz.

Die Fronten beim Klimastreik verlaufen anders als bei einem regulären Tarifstreit. Die MacherInnen von Fridays for Future wollen alle mitnehmen, sie wollen auch für Arbeitgeber anschlussfähig sein.

Wie ernst ist es den Unternehmen, wenn es darum geht, den eigenen Betrieb lahmzulegen, reale Ausfälle zu haben? Um das herauszufinden, hat die taz in der vergangenen Woche über 50 deutsche Unternehmen kontaktiert, darunter viele große Firmen wie Vattenfall und Bosch, Daimler und die Deutsche Bahn, aber auch kleinere Unternehmen wie eine Bäckerei und einen Fahrradladen. Wir haben gefragt: Unterstützen Sie die Ziele der Bewegung Fridays for Future und des Klimastreiks am 20. September? Ermutigen Sie Ihre MitarbeiterInnen, am Klimastreik teilzunehmen? Und wie werden Sie mit MitarbeiterInnen umgehen, die unentschuldigt bei der Arbeit fehlen?

Firmen äußern sich widersprüchlich

In ihren Antworten erklären die Unternehmen zunächst durchgängig, wie wichtig für sie das Thema Klima ist. Keine der knapp 40 Firmen, die auf unsere Fragen reagierten, distanzierte sich von den Zielen von Fridays for Future. Die SprecherInnen zählen auf, was ihr Unternehmen in diesem Bereich bereits tut.

In der Summe ergibt sich ein großes Bekenntnis zum Kampf gegen den Klimawandel. Für den Klimastreik folgt daraus aber wenig. Fast alle verweisen auf Urlaubstage oder flexible Arbeitszeiten. Sprich: Die Beschäftigten können in ihrer Freizeit zur Demonstration gehen.

„Ob jemand an einer Demonstration teilnimmt, ist eine private Entscheidung“, schreibt der Sprecher von RWE. Bei BMW heißt es: „Eine etwaige Teilnahme findet außerhalb der Arbeitszeit statt und rechtfertigt kein unentschuldigtes Fehlen.“ Bosch nennt den 20. September einen „globalen Mahntag“, mahnt aber auch: „Zu einem respektvollen Miteinander – auch in der Firma – gehört, dass man sich entschuldigt bzw. abmeldet, sollte man nicht wie geplant zur Arbeit erscheinen.“

Noch deutlicher wird der Widerspruch bei anderen Firmen. Da ist etwa die Onlineplattform Zalando mit über 14.000 MitarbeiterInnen. Ihr Vorstandsmitglied Rubin Ritter hat sich der Initiative „Leaders for Climate Action“ angeschlossen. „The clock is ticking. It’s time for Action“ steht auf der Website. Für die Mitarbeiter von Zalando gilt das offenbar nicht. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die am Klimastreik teilnehmen möchten, können von ihren regulären Urlaubstagen Gebrauch machen“, teilt die Sprecherin mit.

Manche Unternehmen machen mit

Doch es gibt auch Unternehmen, die den Klimastreik tatsächlich unterstützen. Bäckermeister Roland Schüren ist Inhaber der Bäckerei Schüren, die rund um Düsseldorf 19 Filialen hat und knapp 250 MitarbeiterInnen beschäftigt. Er wird bei der Klimademo in Haan eine Rede halten. Seit Mittwoch verkauft die Bäckerei Fridays-for-Future-Biobrot für 4,50 Euro das Stück, den Erlös will er der Klimabewegung spenden.

Fridays for Future verzichtet bewusst darauf, von General-streik zu sprechen

Und trotzdem bleiben seine Filialen am Freitag offen. „Wir können unmöglich die Kunden vor den Kopf stoßen. Bei mir wird mit den Füßen abgestimmt“, sagt Schüren. Freitagmittag sei besonders viel los. Die Kunden würden einfach in die nächste Bäckerei gehen. „Das wäre geschäftsschädigend, das kann ich nicht verantworten.“

Andere Unternehmen gehen etwas weiter. Die Alnatura-Märkte werden am 20. September nur mit einer „Notbesetzung“ arbeiten. Bei Lichtblick wird wohl der Kundenservice eine Zeit lang ausfallen – damit die Beschäftigten demonstrieren können. Auch die Naturstrom AG stellt ihre MitarbeiterInnen für die Zeit der Demo frei.

Die GLS-Bank schließt am Freitag ihre Zentrale in Bochum, 480 MitarbeiterInnen sind hier beschäftigt. Die telefonische Kundenberatung werde ausfallen, das Online-Banking funktioniere aber weiter. „Original Unverpackt“, die nur Produkte ohne Verpackung verkaufen, planen mit dem ganzen Team an der Demo teilzunehmen. Auf die Frage, wie sie mit Mitarbeitern umgehen, die am Freitag unentschuldigt fehlen, schreibt die Geschäftsführerin: „Mitarbeiter*innen, die unentschuldigt auf der Demo fehlen? Das darf passieren, aber dann muss man sich nur gegenüber den Kolleg*innen rechtfertigen.“

„Our house is on fire“

Die Unternehmen also, die am Freitag das Geschäft dichtmachen wollen, sind im Zweifel Firmen mit Öko-Image, deren Kunden so eine Haltung verstehen oder sogar erwarten.

Am Mittwochabend treffen sich die AktivistInnen von Fridays for Future erneut im Wedding. Mit einem Lastenrad ziehen sie los. Sie sprühen ihre Logos mit Kreidefarbe und Schablone auf Gullydeckel und Bürgersteige.

Vor dem Rathaus wollen sie ein großes Bild auf das Pflaster malen. Die Box im Lastenfahrrad sorgt für den Soundtrack: „Hurra, die Welt geht unter“. Sie stellen sich im Kreis auf. „Mach du die Erde“, sagt jemand, eine junge Frau mit Dreadlocks dreht sich in der Mitte mit Kreidespray um sich selbst. Sie malt Flecken ins Rund, die Kontinente, schließlich orangefarbene Flammen drumherum. Felipa Goltz kniet daneben und schreibt: „Our house is on fire“. Ein anderer malt in weiß ganz groß: „20. 9.“

„Ist das legal?“, will ein Passant wissen. Die Frau mit den Dreadlocks antwortet: „Klar, das ist Kreide, das geht beim nächsten Regen wieder ab.“ Und was wird vom 20. September bleiben?

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

„Der 20.9. ist unsere letzte Chance“

Der Historiker Fuhrmann ist überzeugt, dass es in Deutschland die soziale Marktwirtschaft ohne den Generalstreik 1948 nicht geben würde. Kurz nach dem Streik beschlossen Ludwig Erhard und seine Verwaltung Preisregulierungen und stärkten die Sozialversicherungen.

Am kommenden Freitag wird das Klimakabinett seine Vorschläge präsentieren, anschließend tagen die Vereinten Nationen. Vielleicht wird das einmal der Anfang der „ökologischen Marktwirtschaft“?

Für Benedikt Niemann aus der Ortsgruppe im Wedding hängt alles vom Klimastreik ab: „Fuck. Wir müssen das jetzt auf die Reihe bekommen, der 20. 9. ist unsere letzte Chance.“ Felipa Goltz sagt: „Die Bewegung ist unsere letzte Chance. Wenn das nicht ankommt, wenn das ungehört verschallt, dann war es das.“

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