Klimaschutz in den USA: Obamas Märchen
In den USA sinkt der CO2-Ausstoß erneut. Doch das könnte ein Statistik-Fehler sein. Beim umstrittenen Fracking entweicht klimaschädliches Methan.
BERLIN taz | Die USA haben 2012 etwas für sie Wundersames geschafft: Die Wirtschaft brummt, die Schlote rauchen, das Bruttoinlandsprodukt stieg real um 2,2 Prozent. Gleichzeitig schaffte es das Land, 3,8 Prozent weniger CO2 auszustoßen, um zu heizen, Auto zu fahren, zu fliegen und Strom zu produzieren, wie die US-Energiebehörde EIA am Montag bekannt gab.
Zum zweiten Mal in Folge schaffen es die Vereinigten Staaten, trotz Wachstums, ihren Ausstoß an Klimagasen zu senken. Das gab es bisher nur in Zeiten von Wirtschaftskrisen. Steht das Land vor einem historischen Wendepunkt?
Deutschland dagegen wächst um gerade mal 0,7 Prozent, steckt Milliarden in die Ökostromförderung, Resultat: CO2 plus 0,9 Prozent. Nun muss man wissen, dass es hierzulande mit Blick auf die USA einen Reflex gibt, der da lautet: Bei uns ist Energiewende offenbar ineffizienter Murks, weil in den Staaten alles viel besser läuft, siehe Zahlen oben. Das ist in der Form falsch, unabhängig von der Frage, was Deutschland besser machen kann oder muss.
Die EIA selbst weist darauf hin, dass 2012 in den USA wegen des warmen Jahres wenig geheizt wurde. Wichtiger ist jedoch, dass die US-Statistik womöglich nicht korrekt ist. Sie basiert vor allem darauf, dass alte, dreckige Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Sie werden durch wesentlich sauberere Erdgaskraftwerke ersetzt. Alles ohne staatliche Förderung, einfach so. Erdgas ist in den USA billiger als Kohle, weil es überall aus dem Boden gepresst wird, mit jener umstrittenen, umweltschädlichen Fracking-Methode, die in Europa für große Kontroversen sorgt.
Methan statt Kohlendioxid
In den USA ist sie Staatsdoktrin. „Wir sollten unsere Spitzenposition als Erdgasproduzent stärken, weil es mittelfristig nicht nur sicheren, günstigen Strom liefert, sondern auch hilft, unsere CO2-Emissionen zu senken“, sagte Präsident Barack Obama im Juni in seiner Grundsatzrede zur Energiepolitik.
Da passt eins nicht in den Kram: Zwar spart Erdgas im Vergleich zu Kohle viel CO2, wenn man nur die Kraftwerke betrachtet. Bei der Förderung allerdings entweicht Methan, woraus Erdgas fast ausschließlich besteht. Dieses heizt die Atmosphäre um ein Vielfaches stärker auf als CO2.
Das Problem verstärkt sich beim Fracking, weil es in der Regel mehr Bohrlöcher gibt als bei herkömmlicher Förderung. „Carbon leakage“ nennt man das in den USA. Wissenschaftler des National Center for Atmospheric Research in Boulder gehen davon aus, dass Erdgas keinerlei Vorteil gegenüber Kohle hat, wenn mehr als zwei Prozent der Förderung in die Atmosphäre entweicht.
Die Schätzungen, wie viel es sind, schwanken zwischen 0,4 und 8 Prozent. Der Umweltwissenschaftler Robert Howarth hat die Diskussion vor zwei Jahren losgetreten und kam zu dem Schluss, Fracking-Erdgas sei eigentlich klimaschädlicher als Kohle.
Statistik auf wackeligen Beinen
Jetzt hat die University of Texas Messungen Bohrungen vorgenommen, kam zu dem gegenteiligen Ergebnis, aber – guess what? Die Studie war von der Erdgaslobby bezahlt, wie die New York Times berichtet. Unterm Strich bleibt, dass die US-Statistik über Treibhausgas-Emissionen auf wackligen Beinen steht.
Übrigens: Gern wird in Deutschland verbreitet, in den USA würden die Strompreise wegen Fracking sinken. Zumindest im vergangenen Jahr sind sie wieder gestiegen. Der größte Unterschied zu Deutschland ist vermutlich der: Die Energieverbrauch pro Kopf ist in den USA mindestens 50 Prozent höher als hier – auf dem Niveau geht sparen noch mit relativ einfachen Mitteln.
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