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Klimaschutz auf EU-EbeneSchwarzer Tag in Straßburg

Das Europaparlament scheitert an der Reform des Emissionshandels. Immerhin kommt ein Verbot des Verbrenners.

Der Klimanotstand reicht nicht mehr, um die parteipolitischen Gräben zu überbrücken Foto: Frederick Florin/afp

Brüssel taz | Es sollte eine Sternstunde des Europaparlaments werden. Gleich acht Gesetzestexte zum Klimaschutz standen am Mittwoch in Straßburg zur Entscheidung. „Das werden historische Abstimmungen“, sagte Pascal Canfin, Vorsitzender des Umweltausschusses. Doch dann ging alles schief.

Erst platzte die geplante Ausweitung des Emissionshandels. Nach der Industrie sollten künftig auch Gebäude und Verkehr in den Handel mit Verschmutzungsrechten einbezogen werden. 340 Europaabgeordnete stimmten gegen den Vorschlag, den Berichterstatter Peter Liese (CDU) vorgelegt hatte. Nur 265 waren dafür.

Dann wurden weitere wichtige Abstimmungen verschoben. Die geplante CO2-Grenzabgabe – ein Sonderzoll für nicht klimagerecht produzierte Importprodukte (siehe unten) – muss nun ebenso auf bessere Zeiten warten wie der neue Klimasozialfonds, von dem einkommensschwache Bürger profitieren sollen.

Die Vorhaben sind Teil des „Fit for 55“-Klimapakets. Es zielt darauf ab, klimaschädliche Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu senken. Die Abgeordneten wollten zum Teil noch über die Vorschläge der EU-Kommission hinausgehen – und sind gescheitert.

Ein „schwarzer Tag für den Klimaschutz“

Wer hat’s verbockt? Die schlechte Nachricht war kaum in der Welt, da hagelte es schon Schuldzuweisungen. „Ich halte das für eine Schande“, sagte CDU-Mann Peter Liese, dessen Kompromiss im Parlament durchgefallen ist. „Wie bei vielen anderen Gelegenheiten haben die extreme Rechte, die Sozialdemokraten und die Grünen zusammengestimmt.“

Völlig anders sieht es der grüne Klimapolitiker Michael Bloss. Liese habe den Vorschlag der EU-Kommission verwässert und dann versucht, mit Nationalkonservativen und Rechtsextremen eine Mehrheit zu organisieren. „Liese ist eine Allianz mit der Rechten eingegangen, danach gab es keine Mehrheit für gar nichts mehr“, so Bloss.

Nun steht das Parlament vor einem Scherbenhaufen. Die sonst übliche proeuropäische Allianz aus Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen ist ausgerechnet in der Klimapolitik zerbrochen. Der Klimanotstand, den die Abgeordneten 2019 ausgerufen hatten, reicht nicht mehr, um die parteipolitischen Gräben zu überbrücken.

„Heute ist ein schwarzer Tag für den Klimaschutz“, klagte Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen. Die Konservativen müssten sich jetzt entscheiden, „ob sie ein ambitionierteres Gesetz mit Grünen und Sozialdemokraten auf den Weg bringen wollen“. Nach einer kurzen Denkpause könne man in zwei oder drei Wochen erneut abstimmen.

Der Krieg als Vorwand

Doch Liese will sich nicht unter Druck setzen lassen. Grüne und Sozialdemokraten wollten eine Verschärfung des Klimaschutzes „ausgerechnet in der Zeit, in der wir durch die Krise in Russland und die Notwendigkeit, von russischem Gas unabhängiger werden zu müssen, herausgefordert sind“, sagte er. Das sei unrealistisch.

Ganz ähnlich sehen das die Lobbyisten aus Industrie, Transportgewerbe und Gewerkschaften, die seit Wochen Sturm gegen die geplante Verschärfung und Ausweitung des Emissionshandels laufen. Für sie sind der Krieg in der Ukraine und die Krise auf dem Energiemarkt ein willkommener Vorwand, um die Ambitionen der EU zurechtzustutzen.

Dabei liegt der Teufel, wie so oft, im Detail. Soll der Emissionshandel zu einer Reduktion der Treibhausgase um 61, 63 oder 67 Prozent führen? Sollen kostenlose Verschmutzungsrechte für die Industrie schon 2030 wegfallen, oder erst später, wenn die geplante CO2-Grenzabgabe wirkt? Braucht es Ausnahmen und Übergangsfristen?

Über diese Fragen konnten sich nicht einmal die beiden federführenden Ausschüsse – Umwelt und Industrie – im Europaparlament einigen. Dies führte wohl auch zu dem Abstimmungsdebakel im Plenum. Doch nun sind die Abgeordneten zum Erfolg verdammt. Sie müssen möglichst schnell Kompromisse finden, wenn sie nicht ihren Ruf als Vorreiter beim Klimaschutz verlieren wollen.

Bei einem entscheidenden Thema ist dies allerdings nicht gelungen: Am Mittwochabend stimmte das Europaparlament für einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor für PKW und Lieferwagen im Jahr 2035. Dann soll ein sogenannter Flottenzielwert greifen, der eine Reduzierung der Treibhausgase um 100 Prozent vorsieht – also auf Null.

„Jetzt ist klar, dass die Zukunft in der Elektromobilität liegt“, kommentierte der Grünen-Politiker Bloss. Am Ende des Tages sei doch noch eine „Zeitenwende“ beschlossen worden. Allerdings war die Mehrheit knapp, die Gegner des Verbrennerverbots wollen weiter Widerstand leisten. Nach dem Europaparlament müssen nämlich auch noch die 27 EU-Staaten zustimmen – der Kampf ums Klima geht weiter.

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14 Kommentare

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  • Was nun - hat die CDU versucht mit den extremen Rechten eine Mehrheit für den verwässerten Vorschlag zu organisieren, wie es der Mann von den Grünen sagt oder hat die extreme Rechte zusammen mit SPD und Grünen gegen den verwässerten Vorschlag gestimmt, wie es der CDU Mann sagt.



    Beides zusammen geht auf jeden Fall nicht ;)

    • @CrushedIce:

      Also, es gab einen Kompromiss aus dem Umweltausschuss, den die jeweiligen Europäischen Pendents von SPD, CDU, Grünen und Linken mittragen wollten.

      Dann hat die EPP (CDU) mit der AfD-Gruppe zusammen ein Amendment zu diesem Kompromiss angenommen, sodass der Gesetzesvorschlag verwässert wurde.

      Anschließend haben die anderen (SPD, Grüne, Linke) dann gesagt, diesem verwässerten Vorschlag stimmen sie nicht mehr zu. Die ganz Rechten hatten sowieso nie vor, diesem Vorschlag zuzustimmen, sodass am Ende eben nur noch die EPP(CDU) dafür gestimmt hat.

      Im Endeffekt hat also die EPP freudig die Stimmen der ganz Rechten genommen, um einen Kompromiss kaputt zu machen, den sie selber mit ausgehandelt hat, und behauptet jetzt, die Linken seien Schuld an der Misere...

    • @CrushedIce:

      Viele extreme Rechte unterwegs

  • Moderne Politik kann der "Fit seit 33" Gesellschaft, die altersbedingt mit der Auffrischung von Gedächtnislücken, Behebung von Denkschwächen, Therapie des Aufmerksamkeitsdefizit Wachstumsyndroms und teilweise grob fahrlässigen Gesetzesvorhaben zu kämpfen hat, schlicht nicht abverlangt werden. Jetzt sind diese Leute wahltechnisch wählbar und bereit, sich in jedes Parlament zu setzen. Am Umgang mit Abweichlern sieht man bereits, wie schlimm die Lage ist.

  • Also, die CDU (EVP) ist mit ihrem Dreckshandel nicht durchgekommen und macht nun die "Linke" dafür verantwortlich. Mal schauen wie die Konservativen auf die sicherlich bessere Vorschläge der "Linken" reagieren.

  • Die Dummheit und negative Beeinflussbarkeit der Nein-Sager zum Klimaschutz offenbart sich hier. Kein Tag für Vertrauen in die EU-Demokratie.

  • So sieht wirkungsvoller Lobbyismus aus.

  • Irgendwann kapieren auch die Grünen, dass der deutsche Ottonormalverdiener sich kein Elektroauto leisten kann. Wo soll er in einer Mietwohnung das Auto denn aufladen?

    • @Dirk Osygus:

      Wo tankt der Ottonormalverdiener denn sein Auto aktuell in der Mietwohnung? Die Ladeinfrastruktur muss nur massiv ausgeweitet werden und alle Tankstellen auf Ladesäulen umgestellt werden dann geht das schon.



      Der Ottonormalverdiener soll sowieso lieber nur noch den ÖPNV benutzen wenn ich die aktuelle Politik richtig interpretiere. Für uns Hausbesitzer gibt es dann eine eigene Wallbox und freie Fahrt bei weniger Verkehr und das auch noch mit guten Gewissen.

  • CDU-mann Liese sagt: „Wie bei vielen anderen Gelegenheiten haben die extreme Rechte, die Sozialdemokraten und die Grünen zusammengestimmt„ darauf Bloß von den Grünen: „Liese ist eine Allianz mit der Rechten eingegangen„



    Scheint ganz schön viele rechtsextreme im Europaparlament zu geben!

  • 2035? Wenn dann noch jemand lebt.



    Das ist nur Dummheit.



    Genau wie NRWE und der ganze Autobahnausbau.



    Hat nichts mit einem Kampf gegen die Erderhitzung zu tun.



    "Klimaschutz" ist eines dieser Worthülsen...

    • @nzuli sana:

      Natürlich lebt dann noch jemand! Selbst wenn es einen Atomkrieg geben sollte sind bis dahin noch nicht alle Menschen gestorben.

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Verkehrte Welt

    1.) Egal welche Uneinigkeit, die, die am wenigsten haben müssen weiterhin für alles herhalten – das kann man ja "getrost" bis zum St. Nimmerleinstag rausschieben..."...auf bessere Zeiten warten wie der neue Klimasozialfonds, von dem einkommensschwache Bürger profitieren sollen."

    2.) Vorreiter für Klimawandel – ein sehr schlechter Witz, denn:



    "Die Ergebnisse zeigen, dass selbst wenn alle Länder so engagiert wären wie die derzeitigen Spitzenreiter, die Anstrengungen immer noch nicht ausreichen würden, um den gefährlichen Klimawandel zu verhindern. Auch die Länder, die in der Rangliste ganz oben stehen, haben keinen Grund, nachzulassen. Es bedarf noch größerer Anstrengungen und Maßnahmen der Regierungen, um die Welt auf den richtigen Weg zu bringen, damit die globale Erwärmung deutlich unter einem Anstieg von 2°C bleibt. Noch besser: 1,5°C."



    (aus dem Englischen übersetzt: ccpi.org/ranking/)

    4.) Wie schlecht es aktuell um mangelnde Verbindlichkeiten u.a. auch bzgl. des Pariser Abkommens (die Länder liefern weitgehend nicht!) steht, verdeutlicht nur zu gut folgende aktuelle Kategorisierung: vgl. climateactiontracker.org/countries/.



    Siehe auch unter www.klimareporter.de/

    5.) Hinzu kommt die "grandiose" Entscheidung der EU, Atomstrom als "grüne Energie" zu deklarieren. Als ob die Desaster in Tschernobyl, Fukushima nie stattgefunden hätten, derweil vor sich hin alternde AKW-"Pulverfässer" wie z.B. in Belgien "schön" weiter laufen und die Deponierung von unsagbarem Giftmüll, der Generationen beschäftigen wird, anscheinend eher als "Haushaltsmüll" abgetan wird, oder?

    So what!?

  • Wie oft schreibt eigentlich noch jemand unreflektiert ab:

    "Dann soll ein sogenannter Flottenzielwert greifen, der eine Reduzierung der Treibhausgase um 100 Prozent vorsieht – also auf Null."

    Das ist pure Ideologie. Die Reduzierung würde erfordern, dass der Strommix auf 100% regenerative Energie geändert wird. Das heisst dann nach meinem Verständnis - anders als in der EU politisch gemauschelt - dass es auch keine Atomkraft mehr geben dürfte, die man wohl kaum als nachhaltig bezeichnen kann. Und das würde bedeuten, im Winter entweder Wärmepumpe oder Arbeitsweg, da bisher keinerlei Plan besteht, wie die Energie für Heizung, Industrie und Transport bis 2035 für eine Industrienation wie Deutschland umgesetzt sein soll.

    Konsequenterweise müßte dann auch die Rinder- und Schweinezucht beendet werden, schließlich entsteht dabei auch ein erheblicher Teil des Treibhausgas in Deutschland, oder die noch fortschreitende Moortrockenlegung, oder ....

    Und natürlich echte Treibhausgas-Reduktion, nicht nur weiter so und über Zertifikatekauf Absulution erlangen. Wie im Mittelalter, weiter sündigen und sich dann frei kaufen kann ja wohl kaum das Ziel sein.