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Klimaschutz-Zertifikate für Humusbildung„Nullsummenspiel fürs Klima“

Braucht es einen Emissionshandel für Treibhausgase in der Landwirtschaft? Das grün-geführte Agarministerium hält davon wenig.

Noch ein Vorteil von Agroforstwirtschaft: Schubberbäume Foto: dpa

Berlin taz | Das Bundesagrarministerium zeigt sich gegenüber einem Handel mit Zertifikaten zur Fixierung von Treibhausgasen in der Landwirtschaft kritisch. „Was handelbare Zertifikate angeht, bin ich sehr skeptisch und würde das aus heutiger Sicht eher ablehnen“, sagte Staatssekretärin Silvia Bender (Grüne) der taz.

Die EU-Kommission will in diesem Jahr einen Rechtsrahmen für sogenannte Carbon Farming-Zertifikate vorschlagen, die bescheinigen, wenn der Atmosphäre entzogener Kohlenstoff im Boden gespeichert wird. Bauern können dann Geld bekommen, wenn sie den Anteil des kohlenstoffhaltigen Humus im Boden erhöhen. Mehr Humus können sie erreichen, indem sie zum Beispiel Bäume und Früchte zusammen auf einem Feld anbauen (Agroforstwirtschaft), den Boden immer von Pflanzen bedeckt halten und Pflanzenreste auf dem Acker lassen. Das System mit handelbaren Zertifikaten soll helfen, die Landwirtschaft klimaneutral zu machen. Diese verursacht in Deutschland laut Umweltbundesamt derzeit 13 Prozent der Treibhausgase.

„Die Festlegung von Kohlenstoff als Humus im Boden ist nicht eine der stabilsten. Das kann auch schnell wieder abgebaut werden“, sagte Bender. In diesem Fall wäre das Klima langfristig nicht entlastet. Zudem seien in den Klimastrategien Deutschlands und der EU bereits erhebliche CO2-Mengen eingerechnet, die insgesamt in natürlichen Senken gespeichert werden müssen. „Wir können nach meiner Auffassung nicht so viel mehr Senkenleistung erbringen, dass überhaupt handelbare Zertifikate generiert werden können“, so die Staatssekretärin. „Wir wollen auf keinen Fall, dass die Industrie ihre eigenen Klimaanstrengungen hintanstellt, weil sie billige Bodenzertifikate kaufen kann und sich damit freirechnet. Für das Klima wäre das ein nicht akzeptables Nullsummenspiel.“

Weiterhin würde ein Zertifikatehandel für in Agrarflächen gebundenes CO2 den „Druck auf die ohnehin schon knappe Ressource Boden weiter erhöhen“. Wenn es ihn nicht nur in der EU, sondern auch in Entwicklungsländern geben würde, könnten internationale Unternehmen „zumindest theoretisch dort Boden kaufen, um Carbon Farming zu betreiben, damit sie ihre Emissionen schönrechnen“. Dieser Boden würde der Bevölkerung im globalen Süden entzogen.

Resilienzfaktor Humus

„Es ist richtig, dass wir den Humusaufbau in der Landwirtschaft fördern, nicht nur weil Humus CO2 bindet, sondern auch, weil er ja auch zur Klimaresilienz der Landwirtschaft beiträgt“, sagte Bender. Böden mit mehr Humus seien fruchtbarer und könnten mehr Wasser speichern. Entsprechende Anbaumethoden sollte die EU-Agrarpolitik fördern. „Wenn wir die Gemeinsame Agrarpolitik weiterentwickeln zu einem wirklichen Honorierungssystem, dann könnten dort solche konkreten Leistungen eingerechnet werden. Carbon Farming ist eine Leistung für das Gemeinwohl, die durch öffentliches Geld vergütet werden sollte.“

Als Beispiel nannte Bender Agroforstsysteme. Die Bodenbearbeitung ohne Pflug und mit Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat hält die Grüne dagegen nicht für förderwürdig. Auch diese wird häufig als humusaufbauend beworben. Jüngere Forschungen zeigen jedoch, dass der Verzicht auf den Pflug so gut wie keinen Kohlenstoff bindet.

Ureigenes Interesse der Bauern

Mit ihrer kritischen Haltung gegenüber Carbon Farming-Zertifikaten schließt sich Bender führenden Agrarwissenschaftlern an. Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock, sagte vor Kurzem, „einige wenige Anbaufehler in einem einzelnen Jahr“ reichten aus, dass der Humus wieder abgebaut und der so gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt wird.

Anders als Bender lehnt Lakner aber auch generell ab, für den Aufbau von Humus EU-Agrarsubventionen zu zahlen. „Hier würde ein Ziel gefördert, das eigentlich im Rahmen des gesetzlichen Bodenschutzes und der guten fachlichen Praxis umzusetzen ist“, so Lakner. Bauern sollten schon aus ihrem eigenem Interesse heraus hohe Humusgehalte in ihren Böden anstreben, etwa um die Fruchtbarkeit zu erhalten.

Statt durch Carbon Farming-Zertifikate will das Agrarministerium die Klimabilanz der Landwirtschaft zum Beispiel dadurch verbessern, dass weniger Tiere gehalten und weniger tierische Lebensmittel wie Fleisch und Milch konsumiert werden. Zudem müsste ein politischer Rahmen gesetzt werden, um Überdüngung weiter zu reduzieren, Moore wiederzuvernässen, in Gewächshäusern Energie zu sparen und Landmaschinen auf alternative Antriebe umzustellen.

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8 Kommentare

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  • "Pflanzenreste auf dem Acker lassen"

    Warum sollte man Lebensmittel, die angebaut werden, nicht wo möglich vollständig nutzen und stattdessen einen Teil auf dem Acker lassen? Das ist doch Verschwendung!

    • @Rudolf Fissner:

      ? Auf dem Acker lassen ist ja die Nutzung, nämlich als Mulch - der verhindert z.B. dass Nährstoffe vom Regen ausgeschwemmt werden und hilft auch, Feuchtigkeit im Boden zu halten. Kannst ja nicht alles von jeder Pflanze essen, gell..

  • "Die Bodenbearbeitung ohne Pflug [...] hält die Grüne dagegen nicht für förderwürdig. [...] Jüngere Forschungen zeigen jedoch, dass der Verzicht auf den Pflug so gut wie keinen Kohlenstoff bindet."

    Die Vorstellung, dass eine andere Bearbeitungsmethode allein automatisch mehr Kohlenstoff bindet ist tatsächlich falsch. Wer das vermutet, hat die Komplexität von "Boden" nicht begriffen.

    Tatsache ist aber auch, dass der Pflug die komplette Bodenstruktur zerstört, das Bodenleben durcheinander bringt und dabei die natürliche Genese des Bodens (Stichwort: Lebendverbauung) behindert, wenn nicht gar verhindert.

    Im biologischen Bereich haben immer mehr Betriebe verstanden, dass der Pflug großen Schaden am Boden anrichtet und versuchen soweit wie möglich darauf zu verzichten. Nicht für den Humusaufbau im Speziellen, sondern für einen gesunden, belebten Boden, welcher wiederum den Humusaufbau begünstigt und allgemein zu deutlich mehr Resilienz gegen Allerlei führt.

    • @this.is.ridiculous:

      Ich schätze, das Flügen ist auch eine Folge der Bodenverdichtung durch schwere Geräte, die in der Agrarindustrie eingesetzt werden. Flüge(n) gehören zur agrarindustriellen Anbauweise wohl dazu. Ohne Flug und schwerem Gerät zu arbeiten, bedürfte dann eines anderen Ansatzes, der ja auch durchaus ertragreich sein kann. Hierzu ost wohl auch folgendes zu zählen:



      www.3sat.de/wissen...heinander-100.html

      • @Uranus:

        zuerst mal, das Gerät heißt PFLUG und mit diesem wird GEPFLÜGT.



        Der Pflug ist das älteste Landwirtschaftliche Gerät, angefangen mit einem Ast den man selber durch den Boden zog bis hin zu den Pflügen die man heute kennt.



        Pflügen ist die älteste Art der Unkraut Bekämpfung ohne Chemie.



        Das Pflügen hat, genauso wie eine Pfluglose Bewirtschaftung, seine Vor- und Nachteile, entscheidend ist die Art des Bodens, seine Lage, Vorfrucht, Saatzeit, usw.

        • @Günter Witte:

          Andrea Beste fass dies im "Kritischen Agrarbericht gut zusammen":

          Im Ökolandbau hatte man schon mindestens zehn Jahre früher begonnen über das Für und Wider des Pflugeinsatzes zu diskutieren. Ich selbst habe in den 1990er-Jahren in einem ökologischen Forschungs- projekt dazu gearbeitet und über die Entwicklung der Bodenstruktur in diesem Versuch promoviert. Dass der Pflugverzicht, kombiniert mit vielfältigen Frucht- folgen und organischer Düngung, im Ökolandbau Vorteile für den Boden haben kann, ist inzwischen gut dokumentiert, doch wurden hier auch von Anfang an die Nachteile (Unkrautdruck, Gefahr der Bodenver- dichtung) gesehen und diskutiert.

          Die im Ökolandbau getätigten positiven Aussagen und Erkenntnisse zur Bodenentwicklung bei pflugloser Bodenbearbeitung hat man in den 1990er-Jahren dann allerdings undifferenziert (und teilweise falsch, weil nicht zutreffend) als Argument für den Pflugverzicht im konventionellen Landbau übernommen. Die Anwen- dung dieser Technik führt in beiden Systemen jedoch zu sehr unterschiedlichen Effekten. Darauf hinzuwei- sen, war lange in Wissenschaft und Beratungspraxis in Deutschland nahezu unmöglich – ja fast ein Tabu."

          www.kritischer-agr...de/2019.393.0.html und www.kritischer-agr..._182_186_Beste.pdf

        • @Günter Witte:

          Oh, huch, da habe ich mich tatsächlich in Reihe verschrieben. :D



          Dass der Pflug älter als die Industrialisierung ist, ist mir klar. Ich formulierte mit Absicht im ersten Satz mit "AUCH eine Folge der ...".

  • Freut mich sehr, dass unser Agrarministerium hier auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreift und die Gefahr des Missbrauchs durch Dritte einkalkuliert. Der Ökolandbau ist, noch stärker als der konventionelle Landbau, auf den Erhalt und wo es geht die Steigerung des Humusgehaltes angewiesen. So ist der Ansporn systemintern und muss nicht mit gewaltigem Aufwand gemessen und kontrolliert werden.



    Und es müssen nicht einmal wie genannt "Anbaufehler" sein, die den Humusgehalt senken können (dann müsste der Landwirt ja was zurückzahlen....). Trockene Sommer und extrem nasse milde Winter können ebenfalls einen potentiellen Aufbau vermasseln. Und dann müsste das Land noch in Klimazonen eingeteilt werden, die unterschiedlich gute Möglichkeiten haben Humus aufzubauen.



    Und schlussendlich wird so noch verhindert, dass sich ein Markt für "Pülverchen" entwickelt, der den Landwirten den ultimativen Kick beim Humusaufbau versprechen würde.