Neue Studie zur Erderhitzung: Keine Entspannung in Glasgow

Eine Studie zeigt: Realistisch führen die Klimapläne der Staaten zu 2,4 Grad Erwärmung, nicht zu 1,8 Grad. Am besten kommen die Skandinavier weg.

Fische über einer orangenen Korallenkolonie

Das Great Barrier Reef leuchtet farbenfroh, leidet aber stark Foto: Lucas Jackson/reuters

GLASGOW taz | Die Tage der Begeisterung bei der Klimakonferenz in Glasgow sind vorbei. In der vergangenen Woche hieß es, alle Versprechen der Länder zusammen würden die Erderhitzung „nur“ auf 1,8 Grad steigen lassen und damit fast das Ziel der COP26 anpeilen, 1,5 Grad in Reichweite zu halten. Aber am Dienstag agierte der renommierte Thinktank „Climate Action Tracker“ (CAT) als Spielverderber: Die Staaten seien auf dem Weg „zu einer Erwärmung von 2,4 Grad, wenn nicht mehr“, errechnete der ­Thinktank. Es gebe eine „massive Lücke bei Glaubwürdigkeit, Handeln und Verpflichtungen“, erklärte Niklas Höhne von CAT bei der Vorstellung der neuen Rechnung.

Bisher hatten die Staaten mit Plänen für weniger Methan­-Emissionen, weniger Waldvernichtung, weniger Kohle und mehr grünen Investments geglänzt. Der Erfolg: Mit den neuesten Klimaplänen ergebe sich eine Erwärmung von 1,8 Grad bis 2100, meldete die Internatio­nale Energieagentur.

Da sieht Höhne eine große Gefahr: „Wir können uns nicht zurücklehnen und entspannen“, warnt der CAT-Experte vom New Climate Institute. Denn „Mit allen Versprechen werden die Emissionen 2030 immer noch doppelt so hoch sein wie für 1,5 Grad nötig.“ Mit den Ankündigungen für 2030 ergebe sich eine Erwärmung von 2,4 Grad, die aktuell geltenden Pläne würden sogar zu 2,7 Grad führen.

Auch die Aussicht auf 1,8 Grad, falls alle für 2050 ausgegebenen Ziele erreicht würden, sei „weit davon entfernt, eine gute Nachricht zu sein“, erklärte Bill Hare vom Thinktank Climate Analytics. „Die übergroße Mehrheit der Ziele für 2030 steht nicht im Einklang mit der Klimaneutralität“, sagte er. „Zwischen den Netto-Null-Zielen der Regierungen und ihren jetzigen Politikern klafft eine Lücke von fast 1 Grad Celsius Erwärmung.“

Kein Land tut genug

Kein Grund zum Zurücklehnen ist auch der neue „Klima-Bewertungsindex“, mit dem die Umweltgruppen CAN und Germanwatch und das New Climate Institute jährlich die Bilanz der einzelnen UN-Staaten beim Klimaschutz ziehen. Auch in der 17. Ausgabe des „Climate Change Performance Index“ (CCPI) bleiben die ersten drei Plätze frei – kein untersuchtes Land tut genug, um auf den 1,5-Grad-Pfad einzuschwenken und ein „sehr gutes“ Zeugnis zu bekommen.

Am besten bei den nicht so Tollen ist Dänemark, gefolgt von Schweden und Norwegen. Dann folgen Großbritannien, Marokko, Chile und Indien. Ganz unten wie immer: Kasachstan, Saudi-Arabien und der Iran, auch Kanada, Korea, Australien, Russland und die USA befinden sich in der Abstiegszone.

Der CCPI bewertet 64 Staaten, die weltweit für mehr als 90 Prozent der Klima-Emissionen verantwortlich sind. Die Klimaleistung der Länder misst er nach CO2-Emissionen, erneuerbaren Energien, Effizienz und Klimapolitik. In den aktuellen Zahlen von 2019 ist der Covid-Einbruch von Wirtschaft und Emissionen noch nicht berücksichtigt.

Wer im Ranking erfolgreich sein will, müsse früh mit ernsthafter Klimapolitik angefangen haben und „gut auf allen Gebieten sein“, es reiche also nicht, etwa nur für Erneuerbare zu bauen. „Der Index zeigt, wie wichtig kohärente Politik ist“, sagte Jan Burck, CCPI-Verantwortlicher bei Germanwatch, „etwa bei Subventionen für fossile Energien.“

Deutschland auf Platz 13

Deutschland hat sich um 6 Plätze auf den 13. Rang hochgearbeitet – Grund sind vor allem die verschärften Klimaziele nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Die Bundesrepublik liegt damit hinter Litauen und Malta, aber vor Finnland, der Schweiz und Portugal. Die EU als ganze ist auf Platz 22 abgesackt, weil Aufsteiger wie Skandinavien und die Niederlande nicht ausgleichen können, wie die Politik von Slowenien, Tschechien, Polen und Ungarn die Bilanz verhagelt.

Aber auch die G20 sieht schlecht aus: Zwar sind mit Großbritannien, Indien, Deutschland und Frankreich 4 Mitglieder im „guten“ Bereich, aber 11 bekommen ein niedriges oder sehr niedriges Rating. China, mit über 30 Prozent der größte Emittent, ist ebenfalls um 4 Plätze auf 37 abgerutscht, weil trotz gutem Erneuerbaren-Ausbau weiter hohe Emissionen dominieren. Die USA geben das Schlusslicht der Trump-Jahre ab und klettern wegen Joe Bidens Versuchen, ernsthaften Klimaschutz zu betreiben, immerhin auf Platz 55.

Wie vorsichtig man insgesamt mit Klimadaten sein muss, zeigt allerdings eine Recherche der Washington Post. Demnach sind die realen Treibhausgasemissionen in vielen Ländern deutlich höher als offiziell gemeldet. Für das Jahr 2019 berechneten Wissenschaftler eine Differenz von 8 bis 13 Milliarden Tonnen, bei mehr als 50 Milliarden Tonnen Gesamtausstoß. Teils lägen die Fehler an problematischen Regeln und unvollständigen Daten, teils an absichtlichen Manipulationen. Größtes Problem: Die Menge an CO2, das natürliche Senken an Land speichern, werde überschätzt. Daneben spielen nicht erfasste Methan-Emissionen eine wichtige Rolle.

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