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Klimaproteste von Fridays for FutureFridays gegen FDP

FDP und SPD blockieren im Koalitionsausschuss eine klimafreundliche Politik. Die Bewegung geht auf die Straße. Sie ist wütend, aber auch ratlos.

Sie trotzten dem Regen am Freitag in Berlin Foto: dpa

Berlin taz | Ganz still ist es, als die Demonstration von der Invalidenstraße rechts auf den Platz vor dem neuen Tor abbiegt. An der Bundesgeschäftsstelle der Grünen hängt ein blau-gelbes Banner als Solidarität mit der Ukraine. Irgendwie solidarisch mit den Grünen sind auch die vielleicht 500 Demonstrantinnen und Demonstranten, die am Freitag dem Aufruf von Fridays for Future gefolgt sind. Oder ist es eher Mitleid? Keine Parolen, keine Kritik. Die Klimabewegung zieht an den Grünen vorbei und straft sie mit Missachtung.

Ganz anders ist die Stimmung kurze Zeit später in der Reinhardtstraße. „Ganz Berlin hasst die FDP“, ruft die Menge. Direkt vor die Parteizentrale der Liberalen dürfen die Demonstrierenden nicht. Aber auch so ist die Stimmung angespannt.

„Als ich das Ergebnis des Koalitionsausschusses gesehen habe, war ich nur noch müde“, sagt eine Rednerin. „Nun aber ist die Müdigkeit in Wut umgeschlagen.“

Wütend sind sie, aber auch wenig. 1.000 Personen hatte Fridays for Future für die Demo am Freitag angemeldet. Sie hätte eine Reaktion sein können auf die 30-stündigen Verhandlungen der Ampelregierung, aus denen einmal mehr FDP und SPD als Sieger hervorgegangen sind. Und auf den verlorenen Volksentscheid Berlin 2030 klimaneutral. Doch nun scheint es, als sei die Luft raus. Von einer Radikalisierung der Bewegung, die einige Beobachter prophezeit haben, ist am Freitag wenig zu sehen.

200.000 Unterschriften übergeben

Bei der Auftaktkundgebung am Invalidenpark versuchte Luisa Neubauer ihre Fassungslosigkeit in Worte zu fassen. „Fünf Jahre lang haben wir für Klimaschutzgesetz gekämpft, und jetzt sitzt der Koalitionsausschuss zusammen und schreddert das, was wir erreicht haben“, ruft die Klimaaktivistin. Vor allem die Aufgabe der Sektorziele im Klimaschutzgesetz macht die Demonstranten wütend. „Man will durchkommen mit dem, was man als Arbeitsverweigerung bezeichnen muss.“

Einen Seitenhieb auf die Grünen gibt es immerhin. „An dieser Stelle hätte man sagen müssen, wir gehen raus“, sagt Neubauer. Und auch der Bundeskanzler bekommt sein Fett weg. „Klimakanzler war Olaf Scholz zuletzt vor zwei Jahren im Wahlkampf.“

Der Saurier der Straßen: Protest am Freitag in Berlin Foto: dpa

Der ganze Unmut aber richtet sich auf dem Invalidenpark auf denjenigen, der seinen Sitz im Nachbargebäude hat: Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP. Als „Dinosaurier der Verkehrspolitik“ wird er auf einem Schild bezeichnet.

Nach Luisa Neubauer spricht eine Vertreterin von Campact. 200.000 Unterschriften wurden gesammelt, mit denen der Verkehrsminister zum Rücktritt aufgefordert wird. „Die FDP ist wenigstens ehrlich“, sagt die Campact-Sprecherin. „Sie macht Politik für Porschefahrer. Und Scholz guckt zu und stellt sich auf die Seite der FDP.“ Noch aber sei nichts beschlossen, betont sie. „SPD und Grünen dürfen dem nicht zustimmen. Die Bundestagsabgeordneten sind jetzt am Zug.“

Am Ende gießt es in Strömen

Kurz darauf setzt sich der Demonstrationszug in Bewegung. Am Eingang des Ministeriums werden die Unterschriften entgegengenommen. Ein Mitarbeiter nimmt sie höflich dankend in Empfang. „Er sieht aus wie der Pförtner“, sagt eine Demonstrantin. Der Demonstrationszug hatte zuvor gestoppt. Abstand halten lautet das Gebot.

Nach der Kundgebung vor der FDP-Zentrale kehrt der Demozug um und zieht weiter Richtung Kanzleramt. Gab es vorher nur einzelne Schauer, gießt es nun in Strömen. „Klimaziele abschaffen. How dare you?!“, heißt es auf dem Leittransparent, das die Demonstrierenden tragen. Die Drohung wirkt an diesem Freitag etwas dick aufgetragen.

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10 Kommentare

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  • Derweil passieren durchaus Dinge, die das Blatt noch wenden können. Z.B. dieses Vernetzungstreffen am 18. und 19.4. in Berlin:

    "Diese Veranstaltung wird das Thema Armut und Umverteilung in der sozial-ökologischen Transformation in den Fokus rücken und nimmt Bezug auf den Bericht „Earth for All“ an den Club of Rome. Darin wird die wachsende Ungleichheit (zwischen Staaten, aber auch innerhalb von Gesellschaften) als Haupthindernis gesehen, angemessene Maßnahmen gegen den Klimawandel durchzusetzen."



    eveeno.com/309331441

  • Die Fokussierung auf die FDP ist falsch. Die Mehrheit der Bevölkerung dürft exakt diese Einstellung haben: Wir machen was gegen den Klimawandel, aber bitte nichts was uns einschränkt, Geld oder Wohlstand kostet. "Ausser dem fahre ich etwas weniger Auto und fliege nur 3mal in den Urlaub statt früher 5mal". Wie oft hört man solche Argumentation! Insofern muss man die Menschen erreichen, das benötigt viel Zeit und Überzeugungskraft. Die Parteien werden keine Umweltpolitik gegen den Mainstream machen!

  • Was soll man auch noch machen? Eine überwältigende Mehrheit der Menschen unterstützt bei jeder Wahl (aktiv oder passiv) politisch die Zerstörung des Weltklimas, und damit die Erde als Lebensraum..

    Schade, aber wir haben ja noch den anderen Planeten.

  • Die Grünen stecken in einer strategischen und machtpolitischen Falle.



    Sie werden beim Klimaschutz von FDP und SPD in Arbeitsteilung abgekocht. Vermutlich knallen in den FDP-Bundestagsbüros die Sektkorken!

    Was ist die Alternative? Die Grünen verlassen die Koalition? Das wird nicht geschehen. Denn erst mal spielen die Grünen auf Zeit, bis die nächste Klimajahresbilanz fällig ist. Dann werden die Grünen Krokodiltränen vergießen und einen weißen Hasen aus dem Zauberhut ziehen, der die parteiinternen Kritiker wieder einmal still stellt. Glaubt keiner? Die jungen Bundestagsabgeordneten der Grünen machen zurzeit keinen Mucks zur Klimaschutz-Blockade von SPD und FDP.

    Fridays sollte deshalb die letzte Trumpfkarte gegen die Klimaschutzverweigerer in den Parteien ziehen: die Gründung einer neuen grünen, feministischen und sozialen Partei mit der Klimaliste Deutschland und den langen harten Weg durch die Institutionen gehen. Gleichzeitig muss vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt werden, wo es nur geht. Fridays Demos sitzen die eiskalt kalkulierenden Machtpolitiker von FDP, SPD und CDU mit einer Backe aus.

    • @Lindenberg:

      > die Gründung einer neuen grünen, feministischen und sozialen Partei mit der Klimaliste Deutschland

      Dann wird dasselbe passieren, was mit den Grünen passiert ist, mit der Linken, und was auch mit der AfD passieren wird:

      (1) Gründe eine Partei, um die Stimmen der Leute aufzufangen, die gegen die etablierten Parteien sind.

      (2) Sei ein Paria, sei Außenseiter, und sammle dadurch immer mehr dieser Stimmen ein.

      (3) Wenn du genug Stimmen hast, bist du koalitionsfähig, kannst mitregieren. Geld und Ämter winken.

      (4) Werde so wie die etablierten Parteien, und guck dann hilflos einer neuen Protestpartei bei der Gründung zu.

      Es ist immer dasselbe Schema, begünstigt durch diese merkwürdige Parteienwirtschaft in der BRD.

  • Hass ist nie eine gute Idee („Ganz Berlin hasst die FDP“). Insbesondere nicht, wenn es gegen eine demokratische Partei geht, deren Inhalte man nicht teilt. Mehrheiten für eine gute Klimapolitik schafft man durch hartnäckiges, aber respektvolles Handeln.

    Neubauer scheint mit ihrer rigiden und überheblichen Art auch keine Hilfe zu sein, im Gegenteil. Einfach als Grüne rauszugehen, wenn es nicht passt („An dieser Stelle hätte man sagen müssen, wir gehen raus“) sollte nicht der Umgang zwischen politischen Partnern sein. Dialog und Verhandeln ist angesagt.

    Wenn ich mir die Aushängeschilder der klimapolitischen Demonstrationskultur LG oder FfF anschaue, wird mir angst und bange. Mit Nötigungen, Respektlosigkeiten und Hass wird es schwer die Fortschritte zu machen, die wir gegen den Klimawandel benötigen.

    • @Black & White:

      Sehe ich genau so.

      • @Kristina Ihle:

        Ich sehe das anders. Den jungen Menschen, die sich aus guten Gründen Sorgen um ihre und die Zukunft des Planeten machen, die seit Jahren protestieren und unbezahlte Aufklärungsarbeit leisten, die alles versucht haben, um sich Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen, werden von den Politer*innen und vielen ihrer - meist älteren - Mitmenschen mit größter Respektlosigkeit behandelt. Dialog und Verhandlungen haben trotz der enormen Dringlichkeit überhaupt nicht stattgefunden, weil die Politik in diesem Land schlicht wirtschaftshörig ist! Und ignorant gegenüber der berechtigten Sorgen der jüngeren Generationen. Mich macht das fassungslos wie Menschen die ganze Verantwortung auf die Jungen abwälzen können und dann noch tadeln und maßregeln.



        Ich habe absolut keinen Respekt vor denen, die diese "sehr, sehr, sehr guten Beschlüsse" gefasst haben, denn damit haben sie sich keinen Respekt verdient.

  • Werte Frau Neubauer, Mitglied der Partei Bündnis90/die Grünen



    Ihre Partei hat im Koalitionsausschuss dem Anliegen der FDP zugestimmt.



    Sie hätten es mit einem Nein verhindern können. Doch haben sie es nicht getan.



    Also ziehen Sie jetzt bitte nicht nur über die FDP her, sie haben auch JA dazu gesagt.



    So ist das halt in einer Koalition, die FDP wird auch manche grüne Kröte schlucken müssen.

    • @Rudi Hamm:

      100% Zustimmung. Sehe ich genau so.