Klimaprotest in Stockholm: Alle an einem Strang
In Schweden demonstrieren Tausende gegen die Klimapolitik der rechten Regierung, die sich nun offiziell von den Zielen für 2030 verabschiedet hat.
In vielen Städten gab es Demonstrationen, in Stockholm blockierte Extinction Rebellion Straßen. Sie protestierten dagegen, dass mit dem Kapital des staatlichen schwedischen Pensionsfonds nach wie vor klima- und umweltschädliche Investitionen finanziert werden.
„Wir können die Klimakrise nicht lösen, ohne uns mit den sozialen Ungleichheiten zu befassen, und umgekehrt“, erklärte Christofer Kebbon von Fridays for Future das Motto, unter dem sich mehr als 100 Organisationen zu dieser Aktionswoche zusammengeschlossen haben. Darunter Fridays for Future, Extinction Rebellion, die Zukunft zurückerobern, Rebellenmütter und -väter und Teachers Rebellion, aber auch Greenpeace, Amnesty, Black Lives Matter, die Schwedische Kirche und Dutzende lokaler Initiativen.
Eine Woche lang organisierten die Gruppen verschiedensten Aktionen: Seminare, Gebete, Tanzabende oder Proteste vor Banken und Firmen der fossilen Industrie. Ebenso kam es zu Straßenblockaden an Häfen und am Flugplatz von Stockholm-Bromma, die teils die Polizei beendete.
Steuersenkungen auf fossile Brennstoffe
„Unsere Antwort ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen – in dieselbe Richtung“, heißt es in einem am Freitag veröffentlichtem Aufruf. „Wir wollen eine vereinte Kraft werden“, betont Agnes Hjortsberg von der Gruppe Aurora, die einen Klimaprozess gegen die schwedische Regierung koordiniert: „Wir akzeptieren nicht länger Schweigen und Ausreden, Leid und Ungerechtigkeit. Wir brauchen die Gesellschaft als Ganzes, um diese miteinander verknüpften Krisen als Krisen zu behandeln.“
Sich um vereinte Kräfte zu bemühen sei um so wichtiger angesichts der blau-braunen Regierung Schwedens. Die habe nachdrücklich bewiesen, „dass sie die Situation nicht ernst nimmt“, sagte die Fridays For Future-Sprecherin Linna Gadde. Deutlich werde das aktuell am neuen Plan für das Staatsbudget, den die Regierung am Mittwoch vorgelegt hat. Darin verabschiedet sich Ministerpräsident Ulf Kristersson, dessen Koalition von den rechtsextremen Schwedendemokraten abhängig ist, ganz offiziell von den bisherigen schwedischen Klimazielen.
Durch neu beschlossene Steuersenkungen für fossile Brennstoffe ist es nun günstiger, Treibhausgase auszustoßen. Entsprechend geht man in Stockholm davon aus, dass die Klimaemissionen bis 2030 nicht wie vorgesehen sinken, sondern um bis zu 9,8 Millionen Tonnen an CO₂-Äquivalenten ansteigen könnte. Zum Vergleich: 2022 lagen Schwedens Emissionen bei insgesamt 45,22 Millionen Tonnen.
„Die bisherigen Staatshaushalte waren schon schlecht, aber der jetzige ist noch schlechter“, sagt Gadde. Für Alde Nilsson von Fridays For Future Stockholm sei klar: „Die von den Faschisten unterstützte Regierung stellt den kurzfristigen wirtschaftlichen Gewinn über das Gemeinwohl“.
Dabei galt Schweden einmal wegen seiner CO₂-Besteuerung als internationales Klimavorbild. Aber die geplanten Senkungen seien „das Klimaschädlichste, das eine Regierung derzeit tun könnte“, urteilt Roger Hildingsson, Forscher für Umwelt- und Klimapolitik an der Universität Lund. Auch Märta Stenevi, Vorsitzende der grünen Miljöpartiet, spricht von einer „Katastrophe für das Klima“.
Was hier passiere, sei ein Novum, kritisiert Rickard Nordin, der klimapolitische Sprecher der oppositionellen Zentrumspartei: Keine schwedische Regierung habe in den vergangenen Jahrzehnten bewusst den Treibhausgasausstoß gesteigert. Man prüfe deshalb ein Misstrauensvotum gegen Klima- und Umweltministerin Romina Pourmokhtari. Schließlich sei in Schweden gesetzlich verankert, dass die Klimapolitik das Ziel der Emissionsminderung haben müsse.
Greta Thunberg muss sich am kommenden Mittwoch vor dem Amtsgericht Malmö verantworten. Bereits im Juli wurde sie wegen der Teilnahme an einer Hafenblockade in Malmö zu einer Geldbuße verurteilt. Wie da lautet der Vorwurf: „Ungehorsam gegen die Ordnungsmacht“. Doch dieses Mal geht es um ihre Teilnahme an einer Straßenblockade.
Die in der vergangenen Woche bekannt gewordene zweite Anklage hinderte sie allerdings nicht daran, sich am Donnerstag an einer weiteren solchen Blockadeaktion im Hafen von Södertälje zu beteiligen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe