Schwedens Kehrtwende bei Atomenergie: Nichts als Augenwischerei
Die Ankündigung von Schwedens Regierung, neue AKWs zu bauen, muss man nicht ernst nehmen. Aktuell findet sich niemand, der ein Interesse daran hätte.
I n diesen Tagen flattern den SchwedInnen die Stromabrechnungen für Dezember ins Haus. Für manche wird das ein Schock werden. Viele Wohnungen und Einfamilienhäuser sind mit Elektroheizungen ausgestattet, und ihre BesitzerInnen müssen mit mehrfach höheren Kosten als vor einem Jahr rechnen. Nicht zufällig hat die Regierung in Stockholm deshalb in dieser Woche neue Strombeihilfen genehmigt, mit denen die Haushalte entlastet werden sollen.
Auch mit der Ankündigung, die Voraussetzungen zum Bau neuer Atomreaktoren zu schaffen, soll offenbar vor allem Handlungskraft demonstriert werden. Was die Regierung von Ulf Kristersson als Lösung für den Bedarf künftiger Energieversorgung präsentiert, ist indes reine Augenwischerei. Sollte es wirklich eine Mehrheit für die Pläne der Regierung geben, so ist weit und breit kein Energieunternehmen in Sicht, das das Risiko eingehen würde, einen künftigen AKW-Neubau auch nur zu planen.
Denn es kann keine Garantie dafür geben, dass derlei Pläne nicht schon nach der nächsten Wahl zur Makulatur werden. Gerade das Schicksal des letzten Abkommens, das alle Parteien mit Ausnahme der Schwedendemokraten 2016 stützten und das die jetzigen Regierungsparteien nach weniger als sieben Jahren wieder aufkündigen, dürfte Investoren abschrecken. Der staatliche Energieversorger Vattenfall jedenfalls macht aus seinem Desinteresse an neuen AKWs keinen Hehl.
Niemand könne das Unternehmen zwingen, in die unprofitable Atomstromproduktion zu investieren, betonte jüngst die Chefin des Unternehmens und kritisierte im selben Atemzug die Regierung, die die Realisierung von Plänen zum Ausbau von Offshore-Windkraft erschwere. Daran nämlich ist Vattenfall viel mehr interessiert.
Schließlich schreckt auch das Beispiel des letzten skandinavischen AKW-Neubaus. Die Planungen für den dritten Reaktor des finnischen AKWs Olkiluoto begannen vor zwei Jahrzehnten. Um 14 Jahre verspätet und viermal teurer als geplant soll er nach den letzten Ankündigungen nun im Februar ans Netz gehen. Aber Schweden braucht jetzt neue Stromquellen. Nicht erst 2037.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen