Klimamythen bei FDP und Bauernverband: Klimabremser aus der Landwirtschaft
Die Agrarlobby blockiert Klimaschutz: ein dubioser FDP-Politiker, der Klimamythen streuende Bauernverband und klimaskeptische Landwirte.
Dabei verursacht die Agrarbranche laut Umweltbundesamt immerhin rund 13 Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland (inklusive der Emissionen aus Agrarböden und landwirtschaftlichem Verkehr). Auch die Bauern müssten also viel tun, damit die Bundesrepublik wie im Gesetz vorgeschrieben bis 2045 treibhausgasneutral wird. Wer ist verantwortlich, dass der Bund dennoch so wenig von der Landwirtschaft fordert?
Das Bundesagrarministerium war von 2005 bis 2021 fest in der Hand von CDU und CSU. Zuletzt verhinderte vor allem die Christdemokratin Julia Klöckner an der Spitze, dass die Klimaziele für die Branche so verschärft werden, wie es WissenschaftlerInnen für nötig halten.
Weniger Tiere, weniger Emissionen
In einem Entwurf des Klimaschutzgesetzes von Mai 2021 hatte das damals von der SPD geführte Bundesumweltministerium vorgesehen, dass die Landwirtschaft ihre Emissionen bis 2030 auf 54 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente senken muss. Doch selbst dieses schon nicht sehr ehrgeizige Ziel schwächte die Regierung auf 56 Millionen Tonnen ab. Die damalige Agrarministerin Klöckner stellte das vor JournalistInnen als Erfolg dar. Sie sagte, da Landwirtschaft in biologischen Systemen betrieben werde, wäre ein strengeres Sektorziel unrealistisch gewesen.
Hielten die Bauern weniger Tiere, würde der Ausstoß aber sehr wohl sinken. „Die Ziele sind extrem unambitioniert“, sagt Martin Hofstetter, Agraringenieur der Umweltorganisation Greenpeace.
Auch nach dem Antritt der Ampelkoalition und des grünen Agrarministers Cem Özdemir muss die Branche bisher immer noch keine harten Einschnitte befürchten. Die meisten Treibhausgase entstehen wegen der Tierhaltung. Führende Agrarwissenschaftler haben deshalb in einem Gutachten für die Stiftung Klimaneutralität unter anderem empfohlen: „Konsum und Produktion tierischer Produkte verringern.“ Aber in den Koalitionsvertrag schaffte es nur die vage Formulierung, die neue Regierung wolle die „Entwicklung der Tierbestände“ in Einklang mit den Zielen des Klimaschutzes bringen.
„Klimaschmock des Monats“ für FDP-Agrarpolitiker
Das liegt zum Beispiel an Gero Hocker, der seit 2017 agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion ist. Er hat die Abschnitte zu Landwirtschaft und Ernährung im Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen mitverhandelt. Wes Geistes Kind Hocker ist, zeigte sich am deutlichsten, als er im Oktober 2013 als niedersächsischer Landtagsabgeordneter bei einer Rede im Parlament in Hannover den Klimawandel in Frage stellte. Seine Zweifel versuchte er etwa mit dieser nachweislich falschen Behauptung zu belegen: „Vor 1000 Jahren war Grönland eisfrei – zu einer Zeit, als es keinen nennenswerten, von Menschen gemachten CO2-Ausstoß gegeben hat.“ Den Weltklimarat IPCC erklärte er für unglaubwürdig, weil dieser eine falsche Prognose zum Temperaturanstieg abgegeben habe.
Der Klimaforscher Georg Hoffmann stellte daraufhin richtig, „Grönlands Eisschild stammt aus dem mittleren Miozän und hat so zirka 10 Millionen Jahre auf dem Buckel.“ Der IPCC habe die von Hocker kritisierte Temperaturprognose nie abgegeben. Hoffmann verlieh Hocker deshalb den Schmähpreis „Klimaschmock des Monats“ und als Preisgeschenk einen Link zum IPCC, damit er da künftig nachlesen kann.
2020 flog auf, dass Hocker in Videos auf seiner Facebook-Seite Firmenlobbyisten interviewte, die dafür mehrere Tausend Euro zahlten. Darunter war auch ein Vertreter des russischen Düngemittelriesen Eurochem. Düngung ist neben der Tierhaltung ein wesentliche Quelle von Treibhausgasen in der Landwirtschaft. Nachdem die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet hatte, räumte Hocker ein, dass die verantwortliche Agentur, die zwei Mitarbeitern seiner Abgeordnetenbüros gehörte, den Gesprächspartnern „Produktionskosten von jeweils rund 1.500 Euro“ in Rechnung gestellt habe. Der Politiker selbst erhielt nach eigenen Angaben kein Geld und ließ die Agentur inzwischen auflösen.
Derzeit verhindern Hocker und seine FDP ziemlich erfolgreich Versuche von Grünen und SPD, die Tierhaltung artgerechter zu machen. Vor allem sperrt sich Hocker dagegen, eine Tierwohlabgabe auf Fleisch einzuführen. Experten empfehlen so eine Abgabe, um den tierschutzgerechten Umbau von Ställen zu bezuschussen. Die Abgabe und eine artgerechtere Haltung würden Fleisch verteuern, was den Konsum und damit den Treibhausgasausstoß senken würde. Wegen des Widerstands aus der FDP konnte Agrarminister Özdemir nur für den Schweinesektor ein aus dem Bundeshaushalt finanziertes Stallumbauprogramm auflegen.
Hocker redet wohl auch deshalb so, weil er seinen Wahlkreis in Niedersachsen hat – dem „Agrarland Nummer eins“, dem Zentrum der Massentierhaltung in Deutschland. Dort sitzen Agrarindustrielle, die immer noch auf Masse statt Klasse setzen. Sie lehnen alles ab, was die Fleischproduktion verteuern könnte, weil sie über den Preis konkurrieren wollen. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch auf dem Weltmarkt.
Diese Interessen dominieren auch den Deutschen Bauernverband unter seinem Präsidenten Joachim Rukwied. Dieser fordert zwar ständig eine Tierwohlabgabe, aber er weiß genau, dass die FDP sie blockiert. So gelangt Rukwied zu dem Schluss, dass in der Tierhaltung im Großen und Ganzen alles beim Alten bleiben muss. Trotz aller Studien über den hohen Treibhausgasausstoß der Viehbranche lehnt Rukwied es kategorisch ab, die Tierbestände zu verkleinern. Es dürfe zu „keinem weiteren Abbau“ kommen, sagte der Landwirt etwa Ende Januar in Berlin. Die Deutschen würden bereits deutlich weniger Fleisch essen als der EU-Durchschnitt, der Verzehr nehme schon lange ab. „Fleisch gehört zu einer ausgewogenen Ernährung. Der menschliche Körper braucht tierisches Eiweiß“, ergänzte der Verbandschef.
Bauernverband kämpft fürs Fleisch
Dieser Behauptung widersprach die wichtigste ernährungswissenschaftliche Fachgesellschaft hierzulande, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), umgehend. „Eine abwechslungsreiche und sorgfältig zusammengestellte ovo-lacto-vegetarische Ernährung ist eine ernährungsphysiologisch günstige und gesundheitsfördernde Ernährungsweise“, teilte die DGE mit. Sie rät zu maximal 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche. Derzeit verzehren Männer im Schnitt fast das Doppelte.
In einer Stellungnahme zur Änderung des Klimaschutzgesetzes lehnte es Rukwieds Verband im Mai 2021 sogar ab, überhaupt Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen im Sektor Landwirtschaft festzulegen. Das sei „aufgrund der besonderen Rolle des landwirtschaftlichen Sektors nicht sachgerecht“. Noch schärfere Ziele würden die Versorgung mit Nahrungsmitteln gefährden.
Aber niemand würde wohl ernsthaft behaupten, dass in Deutschland oder anderswo Hunger drohte, weil weniger Fleisch produziert würde. Im Wirtschaftsjahr 2021/22 wurden laut Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft 54 Prozent des hierzulande verwendeten Getreides nicht gegessen, sondern verfüttert. Damit könnte man viel mehr Menschen ernähren, wenn sie es direkt äßen, als wenn Tiere es fressen und in Fleisch umsetzen müssen. „Die Treibhausgas-Emissionen aus der Produktion von Lebensmitteln tierischen Ursprungs liegen je Einheit Eiweiß wesentlich höher als für Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs“, ergänzt das Gutachten für die Stiftung Klimaneutralität.
Desinformation zu Methan
Immer wieder streut Rukwied Desinformation zum wichtigsten Treibhausgas aus der Landwirtschaft: Methan, das zum Beispiel entsteht, wenn Rinder verdauen. „Im Bereich der Emissionen ist für Methan dringend eine wissenschaftliche Neubewertung seiner Wirkungsweise als kurzlebiges Treibhausgas und in der Folge eine Anpassung der Emissionsziele für Landwirtschaft erforderlich“, teilte Rukwied im Mai 2021 mit. Dieses Methan aus der Tierhaltung werde innerhalb von etwa 12 Jahren zu CO2 abgebaut, das zuvor über das Pflanzenwachstum (Fotosynthese) aus der Atmosphäre entnommen worden sei. „Durch biogenes Methan entsteht demnach kein zusätzlicher Treibhausgaseffekt.“ Deshalb reiche es, den Methanausstoß der Landwirtschaft langfristig zu stabilisieren, um klimaneutral zu werden. „Pauschale Forderungen nach einer Abstockung der Tierbestände sind mit dieser Begründung aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar.“
Greenpeace-Agraringenieur Hofstetter sagte dazu: „In Nebelkerzen ist der Bauernverband super.“ Selbst wenn alle Methanemissionen so bleiben würden wie heute, wäre trotzdem viel mehr Methan in der Atmosphäre als vor 150 Jahren, vor allem aus der Landwirtschaft. „Das heißt, wie haben einen Temperaturanstieg dadurch.“ Methan baue sich zwar ständig ab, es werde aber auch ständig neues emittiert.
Für Unsinn hält Hofstetter auch die Behauptung, die Landwirtschaft würde das Klima entlasten, weil sie durch Photosynthese CO2 in Getreide speichere. „Wenn die Bauern ihr Getreide ganz tief vergraben würden, dann wäre das tatsächlich eine Senke. Aber Bauern verkaufen ihr Getreide, damit Menschen das essen oder als Ethanol verfahren, auf jeden Fall wird dieser Kohlenstoff innerhalb kurzer Zeit wieder freigesetzt“, so der Umweltschützer.
Klimaskeptische Bauern
Nun ist Rukwied nicht Teil einer Agrarelite, die sich gegen die Umwelt und die einfachen Bauern verschworen hätte. Vielmehr ist er gewählt von den Landesbauernverbänden, deren Delegierte auch gewählt werden und letztlich von ihren Mitgliedern legitimiert sind: den Bauern selbst.
Unter denen gibt es offenbar außergewöhnlich viele, die den menschengemachten Klimawandel für Quatsch halten, eine grüne Ideologie sozusagen. Bei einer Umfrage des Fachblatts agrarheute von 2019 stimmten nur 26 Prozent der 2.678 Teilnehmer der Aussage „Der Klimawandel ist Realität und wird überwiegend durch menschliche Aktivitäten verursacht“ zu. In der Gesamtbevölkerung waren es aber 49 Prozent, wie eine kurz zuvor veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov gezeigt hatte.
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