Klima und Armin Laschet: Mut zur Zumutung
Laschet sollte sich ein Beispiel an Joe Biden nehmen. Der forciert den Öko-Umbau der Wirtschaft – die Union bremst, wo sie kann. Ein Kanzler muss das anders machen.
A rmin Laschet hat ein Talent, richtige Dinge zu sagen, die immer falsch verstanden werden. Wenn der Kanzlerkandidat der Union sagt, dass Deutschland nur zwei Prozent der globalen Treibhausgase ausstößt, ist das korrekt – klingt aber wie „erst mal sollen die anderen liefern.“ Und wenn er sagt „weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik“, dann stimmt auch dies – aber unterschwellig heißt es: Weiter wie bisher. Business as usual.
Zweideutigkeit mag im Wahlkampf taktisch geboten sein. Laschet hat da von Angela Merkels Erfolg gelernt. Aber unklare Signale sind fatal für Klimapolitik, die Tempo und Verlässlichkeit braucht. Danach ruft die Industrie, das wollen viele WählerInnen. Weit mehr Menschen als gedacht sind bereit, Veränderungen aktiv zu gestalten. Vor allem, wenn sie die Bilder von zerstörten Dörfern vor Augen haben.
Wird diese Katastrophe der „Fukushima-Moment“ der deutschen Klimapolitik, der alles ändert? Das liegt vor allem an der CDU/CSU, die vor einer Richtungsentscheidung steht.
Begreift sie in ihrer Mehrheit Klimapolitik weiter als Bremse und Gefährdung von Wachstum und Wohlstand? Oder sieht sie in der Modernisierung von Infrastruktur und dem Abschied von der fossilen Lebensweise tatsächlich die Chance auf „Klimawohlstand“? Dann muss ihre Politik nicht nur schneller und besser werden – sondern vor allem sichtbar und fühlbar.
Denn die zerstörerischen Fluten haben deutlich gezeigt: Die Folgen des Klimawandels treffen nicht nur andere Menschen weit weg oder in der Zukunft, sondern uns, hier und jetzt. Und so schnell und direkt müssen auch die Gegenmaßnahmen wirken: Sofort die Katastrophenhilfe. Dann die Anpassung an das veränderte Wetter, mit mehr Platz für die Natur und sicheren Häusern und Straßen. Und dann eine Klimapolitik, die in internationaler Kooperation drastisch die CO2-Emissionen senkt, um diese Risiken zu minimieren.
Das alles geht aber nicht mehr mit „Weiter so“. Die Methode Merkel „Ich kümmere mich, ihr könnt weiterschlafen“ funktioniert nach einem solchen Weckruf nicht mehr. Klimaneutralität erreicht man nicht im Schlafwagen. Die große Lüge der bisherigen Klimapolitik ist, dass alles so bleibt wie gewohnt.
Bisher liebt die Union solche Beruhigungspillen: „Innovation“, weil hier mit ein paar tollen Erfindungen plötzlich alles gut werden soll; den „grünen Wasserstoff“, weil mit ihm Industrie und Autofahrer weitermachen können wie bisher; den EU-Emissionshandel, weil dessen Preiserhöhungen nicht direkt sichtbar sind. Und deshalb hat die Union ein Problem mit steigenden Benzinpreisen, der EEG-Umlage, teureren Flugtickets oder höheren Heizkosten: Nicht nur, weil sie die Menschen belasten – sondern vor allem, weil die Menschen hier merken, dass sie belastet werden.
Aber so viel Ehrlichkeit muss eine Partei aufbringen, die das Land weiter führen will. Traut sich Armin Laschet, den Menschen zu sagen: Die Klimaneutralität, die wir wollen, kostet Anstrengung und Geld, aber nur sie sichert unsere Zukunft? Fordert er: Wir müssen jetzt Geld ausgeben und Schulden machen, damit es allen besser geht und wir von den Problemen nicht wieder überflutet werden? Er könnte sich bei Merkel den Begriff „alternativlos“ für diese Politik ausleihen. Aber bisher ist davon nicht viel zu merken.
Die Union könnte sich ein Beispiel an ihrem großen Vorbild USA nehmen. Dort begründet Präsident Joe Biden den grünen Umbau des Landes mit Jobs, Technologieführerschaft und „Klimagerechtigkeit“.
Armin Laschet lässt die Zuversicht vermissen, dass das Land die Herausforderungen des Klimawandels meistern kann. Was den ChristdemokratInnen dafür bislang fehlt, ist ein Abschied von ihrer Ideologie des „Weiter so“ und vom Grundsatz, man dürfe den Menschen nichts zumuten. Ein solcher Richtungswechsel erfordert Mut. Aber Feigheit vor der Zukunft und dem eigenen Volk ist keine Arbeitsgrundlage für das Amt des Bundeskanzlers.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste