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Klima-Entscheid in BerlinGutes Klima für Veränderung

Mit einem „Ja“ würde Berlin zu einer der fortschrittlichsten Klimaschutz-Metropolen der Welt. Die Chance, dass es klappt, ist groß.

Extinction Rebellion schreitet vorab zur Tat: Schilder-Demontage zur Schaffung von Tempo 30 Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Für Klimaaktivistin Luisa Neubauer ist dieser Sonntag so wichtig, dass sie auf eines der bekanntesten Berlin-Zitate zurückgreift: „Schaut auf diese Stadt! In Berlin passiert diese Tage etwas Spektakuläres“, schrieb sie Anfang der Woche auf Twitter. Neubauer meinte damit den anstehenden Volksentscheid. Der darin enthaltene Gesetzentwurf verpflichtet das Land, bis 2030 klimaneutral zu werden. Bisher will der Senat dieses Ziel bis 2045 erreichen. Ein Erfolg der Be­für­wor­te­r*in­nen wäre historisch, so Neubauer: „Bislang gibt es keine Stadt dieser Größe, die sich so konkret dem Klimaschutz und der Verbesserung der Lebensqualität verschreibt.“

Auch Bettina Jarasch, Berlins grüne Senatorin für Klimaschutz und Umwelt, hat angekündigt, beim Volksentscheid mit „ja“ zu stimmen

Berlin hat vor nicht langer Zeit schon einmal mit einem Volksentscheid Geschichte geschrieben. Im September 2021 stimmte eine klare Mehrheit angesichts der dramatischen Wohnungsnot in der Stadt für die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne. Seitdem ist der Begriff der Enteignung kein Tabu mehr in der politischen Debatte. Allerdings ist der Wille der Ber­li­ne­r*in­nen noch lange nicht Realität geworden; Mie­t­ak­ti­vis­t*in­nen sagen, der rot-grün-rote Senat verschleppe die Umsetzung.

Kein bloßer Appell

Beim Klimaentscheid besteht diese Gefahr weniger: Denn anders als 2021 liegt kein bloßer Appell an den Senat vor. Stimmt eine Mehrheit am Sonntag mit Ja und besteht diese Mehrheit aus mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Berliner*innen, tritt das Gesetz unmittelbar nach dem Entscheid in Kraft. Es ist also vor Gericht einklagbar – und bisher hat sich noch keine Berliner Regierung getraut, ein auf diesem Weg zustande gekommenes Gesetz wieder im Kern zu ändern.

Die Vorgaben, die die Initiative „Klimaneustart Berlin“ dem Land mit dem Gesetz machen will, sind streng. Bis 2030 müssten die Kohlendioxidemissionen im Vergleich zu 1990 um „mindestens 95 Prozent“ verringert werden; bis 2025 bereits um 70 Prozent, heißt es in dem Entwurf. Dass Letzteres umsetzbar ist, sieht man inzwischen selbst bei der Initiative skeptisch.

Geschuldet ist dieser inzwischen enge Zeitplan dem langen Vorlauf für direkte Demokratie in Berlin. Damit es zu einem Entscheid kommt, braucht es zwei Unterschriftensammlungen; zudem wird die Vorlage von der SPD-geführten Innenverwaltung auf rechtliche Zulässigkeit überprüft, was in der Vergangenheit schon mal ein Jahr und mehr dauern konnte.

Entsprechend dreht sich die aktuelle Debatte vor allem darum, ob eine Klimaneutralität bis 2030 überhaupt noch machbar wäre. Denn klar ist: Um die Vorgaben zu erfüllen, müsste das Land die Anstrengungen in den Bereichen Verkehr, Wärmeversorgung und Gebäudedämmung immens verstärken. Und aus der Wirtschaft wird eingewandt, es gäbe angesichts des Fachkräftemangels gar nicht genug Hand­wer­ke­r*in­nen für die anstehenden Arbeiten.

Ähnlich hatte im vergangenen Sommer vor Beginn der zweiten Unterschriftensammlung der grüne Fraktionschef Werner Graf im taz-Streitgespräch mit der Initiative argumentiert. Seine Schlussfolgerung: Auch die Grünen könnten, obwohl Klimaschutz „zur DNA der Partei“ gehöre, ein nicht umsetzbares Gesetz nicht befürworten.

Grüne jetzt doch für Ja

Ein halbes Jahr und eine Abgeordnetenhauswahl später hat sich der Wind gedreht: Sie werde mit Ja stimmen, kündigt Bettina Jarasch, noch grüne Umweltsenatorin, an. Es brauche andere Rahmenbedingungen, um in Berlin mehr Druck für mehr Klimaschutz machen zu können.

Offenbar zeigt dieser Druck schon vor dem Entscheid Wirkung. Zumindest haben CDU und SPD in ihren laufenden Koalitionsverhandlungen einem kreditfinanzierten Sondervermögen in Höhe von bis zu 10 Milliarden Euro zugestimmt, das für mehr Klimaschutz verwendet werden kann. Ob das ausreicht, ist allerdings fraglich: In seiner offiziellen Kostenschätzung für das Gesetz geht der Senat von Kosten „in hoher zweistelliger Milliardenhöhe“ aus.

wochentaz

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Bislang gibt es dennoch keine nennenswerte Gegenkampagne von CDU und SPD. Das liegt zum einen daran, dass die Parteien bis 12. Februar mit dem Wahlkampf zur Wiederholungswahl der Bürgerschaft voll ausgelastet waren; zum anderen aber auch daran, dass die Taktik der Geg­ne­r*in­nen vor allem darin besteht, die Beteiligung möglichst gering zu halten, indem man dem Entscheid nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig zubilligt. So hofft man, dass weniger als die 609.000 Jastimmen zustande kommen, die es braucht, um das Quorum von 25 Prozent der Stimmberechtigen zu knacken.

Erfolg ist greifbar

Ob diese Rechnung aufgeht, ist fraglich. Allein rund 450.000 Menschen haben eine Abstimmung per Brief beantragt, die meisten dürften wohl dafür stimmen. Und auch wenn die Initiative warnt, dass es eng wird am Sonntag: Ein Erfolg ist greifbar.

Dazu tragen aktuelle Nachrichten der Woche bei, etwa der alarmierende Bericht des Weltklimarats (IPCC) vom Montag. Danach sei das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, durch langes Zögern der Regierungen praktisch unmöglich geworden.

Auf einem großen Konzert am Brandenburger Tor wird die Initiative am Samstag noch einmal für ein Ja werben. Erwartet wird auch Luisa Neubauer. Sie könnte dann ihr Zitat („Schaut auf diese Stadt!“) fast an gleicher Stelle wiederholen, an der es Ernst Reuter, der spätere Westberliner Bürgermeister, in seiner berühmten Rede gesagt hat.

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