piwik no script img

Klagen gegen Correctiv-RechercheRechtsstreits zum Rechtsextremen-Treffen

Wer behauptet, beim Potsdamer Treffen sei es um die „Ausweisung“ von Deutschen gegangen, wird verklagt. Das bedeutet nicht, dass es harmlos war.

Potsdamer Geheimtreffpunkt von Rechtsextremisten: Das Landhaus Adlon Foto: Sean Gallup/getty

Die Correctiv-Enthüllung über das Potsdamer Geheimtreffen von Rechtsextremisten beschäftigt immer wieder die Gerichte. Inzwischen greifen Teilnehmer der Veranstaltung auch die zentrale Correctiv-Aussage an, bei dem Treffen sei über einen „‚Masterplan‘ zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern“ diskutiert worden.

Der Correctiv-Bericht hat deshalb so große Wirkung erzielt, weil die enthüllten Remigrations-Pläne auch Deutsche mit Migrationshintergrund betrafen. Der eingeladene österreichische Rechtsextremist Martin Sellner wolle die Ansiedlung von Ausländern „rückabwickeln“, hieß es, und dabei gehe es ihm auch um „nicht assimilierte Staatsbürger“.

Dass deutsche Staatsbürger im rechtlichen Sinne „ausgewiesen“ werden sollen, dass ihnen also das Aufenthaltsrecht in Deutschland genommen werden soll, das steht freilich nur am Ende des Correctiv-Artikels in der Zusammenfassung. Dort ist die Rede von einem „‚Masterplan‘ zur Ausweisung deutscher Staatsbürger“, obwohl Sellner laut Correctiv-Artikel nur erklärte, man müsse einen „hohen Anpassungsdruck“ auf die Menschen ausüben, zum Beispiel über „maßgeschneiderte Gesetze“. Was das genau heißen soll, ist unklar.

Correctiv selbst erklärte schon im Februar 2024 in einem Gerichtsverfahren, dass auf dem Potsdamer Treffen nicht über Ausweisungen von Deutschen gesprochen worden sei. „Im Gegenteil: Die deutsche Staatsbürgerschaft hat Sellner ausdrücklich als juristische Sperre für eine Ausweisung anerkannt“, heißt es im Schriftsatz des Correctiv-Anwalts, „dementsprechend entwickelte sich unter den Teilnehmern auch keine Diskussion darüber.“

Randständige Details und Kernaussagen

Rechtsanwalt Carsten Brennecke, der einige Teilnehmer des Potsdamer Treffens vertritt, klagte gegen Correctiv zunächst aber nicht auf Unterlassung der Masterplan-Äußerung. Er sah wohl wenig Chancen vor Gericht, weil die Rechtsprechung ungenaue und unvollständige Formulierungen in Überschriften und Zusammenfassungen meist akzeptiert, wenn der dazugehörige Artikel korrekt berichtet. Die ungenauen Formulierungen gelten dann nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung.

Anfangs klagte Brennecke deshalb nur wegen randständiger Details, etwa zu Wahlrechtsfragen. Teilweise gewann er, teilweise verlor er. Correctiv betonte, die Kernaussagen des Berichts seien unbeanstandet geblieben.

Später verklagte ­Brennecke Medien wie NDR und ZDF, wenn diese von Plänen einer „Ausweisung“ oder gar „Deportation“ deutscher Staatsbürger schrieben. Das Landgericht Hamburg untersagte diese Formulierungen, weil sie falsch sind.

Im Dezember 2024 ging es vor Gericht erstmals um die Kernaussagen des Correctiv-Berichts. Die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch hatte sie als „dreckige Correctiv-Lüge“ bezeichnet. Das Landgericht Berlin II hielt dies für eine zulässige Meinungsäußerung, weil der Correctiv-Bericht zumindest einen falschen Eindruck erweckt habe.

Gefahr einer Klage

In zwei der taz vorliegenden Klagen wagt Brennecke nun doch noch den Versuch, ­Correctiv auch die Formulierung verbieten zu lassen, in Potsdam sei es um einen „‚Masterplan‘ zur Ausweisung deutscher Staatsbürger“ gegangen. Dass dies keine bloße Meinungsäußerung von Correctiv war, ergebe sich aus den zahlreichen Übernahmen von Medien, die darin eine Tatsache sahen, so die Klage.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Unabhängig davon, wie dieser Prozess ausgeht: Wichtig ist, dass Medien im Zusammenhang mit dem Potsdamer Treffen nicht von „Ausweisung“, „Deportation“ oder „Ausbürgerung“ deutscher Staatsbürger sprechen. Sonst besteht die große Gefahr, dass sie erfolgreich verklagt werden.

Zulässig wäre aber wohl die Formulierung, dass es in Potsdam um eine Art „Vertreibung“ nicht assimilierter Deutscher ging. Brenneckes juristische Erfolge heißen also keineswegs, dass das Potsdamer Treffen harmlos war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Soweit ich mich erinnere, lautete der Begriff "unangepaßte Staatsbürger" - geprägt von wem auch immer.

    Aber würde sich wirklich die Frage stellen, "unangepaßt" aus wessen Blickwinkel? Fährt man quer durch die Republik, lädt Gäste aus dem Ausland zu einem Wochenende ein, um dann eine Feuerzangelbowle anzuzünden? Oder ist es nicht so, daß die diskutierten Pläne durchaus umgesetzt werden sollen, sobald die Mitdiskutanten über die Machtpositionen dazu verfügen? Dann hieße es "unangepaßt" aus deren Blickwinkel. Und das wären alle politische Ansichten, die sich mit den ihrigen nicht in Einklang bringen lassen.

  • Schon irgendwie schade, dass Herr Dr. Brennecke auch mutmaßliche Neonazis vertritt. Er scheint ja durchaus kompetent zu sein.

  • Harmlos war dieses Treffen keinesfalls, aber es wurden da eben keine "Pläne geschmiedet", schon gar keine "Masterpläne" über Abschiebungen von dt. Staatsbürgern oder gar "Deportationen" (was im dt. Kontext assoziiert wird Viehwaggons und Auschwitz).

    Correctiv hat mit dieser journalistisch unsauberen und haltungsgeleiteten Arbeit sich selbst und der Medienlandschaft einen Bärendienst erwiesen. Und ja, sowas muss man Correctiv unter die Nase reiben, auch und gerade wenn man das Anliegen teilt, die AfD zu enttarnen.

  • Interessanter Rechtsstreit, interessante Rechtsfrage.



    Die sich darum dreht, ob der Durchschnittsbürger davon ausgehen durfte, dass die wirklich in "Familien- und Arbeitslager" deprotiert werden.



    Und wie diese Version der Umschreibungen eines Masterplanes Bedingung werden konnte, ihn dann auch wirklich umzusetzen.

    Tatsache scheint doch zu sein, das Martin Sellner zusammen mit AfD und CDU das Staatsangehörigkeitsrecht dazu benutzen will, Gesellschaft in berechtigte und unberechtigte Bevölkerung zu teilen.



    Hat die CDU, die AfD zusammen mit dem Martin-Sellner-Rechtsterror-Milieu erstmal die Möglichkeit der Aberkennung von Staatsangehörigkeit geschaffen,



    werden im Terrorplan "Remigration" ja tatsächlich eine Deutschen betroffen sein.



    Man erklärt halt wie bei Juden schon mal -aus solcher Sicht erfolgreich- zu Nicht-Deutschen. Dann mal weiter sehen.

  • Ich weiß nicht was in Sellners Kopf vorgeht und was diese "Correctiv-Recherche" zu Tage gebracht hat, aber lt. GG können deutsche Staatsangehörige nicht "deportiert" oder "ausgebürgert" oder "remigriert" werden. Wohin denn auch?

    Insofern verstehe ich das ganze Gewese nicht.

    • @Tom Tailor:

      Vielleicht erschließt sich das "Gewese" nunmehr aus dem Interview von Musk und Weidel, in welchem man interessanterweise auf die zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts zu sprechen kam (in Thüringen ging es nicht erst 1933, sondern schon 1924 los), warum auch immer.

      Nach der Machtergreifung in Berlin hatte es ganze zwei Wochen gedauert, um das Rechtssystem der Weimarer Republik zu atomisieren. Die Voraussetzungen mögen damals günstiger gewesen sein, aber auch heute wäre es letztlich nur eine Frage der Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Und selbst, wenn es dort noch nicht gleich reicht - Gesetze sind immer nur das wert, was der praktische Wille zu ihrer Durchsetzung hergibt.

      • @dtx:

        Ach so, und falls immer noch jemand davon träumt, Brandmauern würden halten oder irgendwer würde sich schon noch durch Machtübernahme "entzaubern":



        Ein Blick über den westlichen Tellerrand wäre hilfreich gewesen. taz.de/Aus-dem-Mag...URZWEI/!vn6060708/

  • ich finde erfreulich, dass die taz über die Klagen berichtet. Ich finde aber bedauerlich, dass er erste Satz richtig feststellt, was ein wesentlicher Kern der Empörung war und dass dann doch relativ locker darüber hingeweggegangen wird, dass genau dieser Punkt überhaupt nicht zutrifft, sondern von Gerichten nur akzeptiert wurde, weil "der Rest" stimmt, der diese Schlussfolgerung aber nicht stützt.

    Ich würde schon erwarten, dass Correctiv nicht in einem Bericht zu Folgerungen kommt und diese verbreitet, die falsch sind. Folgerungen, die riesige Empörung in ganz Deutschland hervorrufen und einige Personen in arbeitsgerichtliche Verfahren zwingen (um eine Kündigung zu verhindern, bisher wohl immer erfolgreich) .