Klage gegen Zugriff auf Handy: Polizei wertete Smartphone-Daten von Journalisten aus
Der Journalist Hendrik Torner dokumentierte eine Aktion der Letzten Generation. Die Polizei wertete danach seine Handydaten aus. Durfte sie das?

Hendrik Torner ist ein engagierter bayerischer Gewerkschafter, derzeit ist er Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Bamberg. Für die GEW-Zeitschrift Die deutsche Schule wollte er über die Letzte Generation (die sich jetzt neue Generation nennt) schreiben und besuchte daher im September 2023 eine Aktion der Gruppe in Bamberg. Dabei dokumentierte er mit seinem Smartphone akustisch eine Polizeimaßnahme gegen die Aktivist:innen.
Die Polizei beschlagnahmte daraufhin sein Smartphone, weil er unbefugt das gesprochene Wort der Polizist:innen aufgenommen hätte. Das kann mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet werden, so Paragraf 201 des Strafgesetzbuchs. Weil Torner die PIN seines Geräts nicht preisgab, wurde es mit Hilfe der Extraktionssoftware UFED der israelischen Firma Cellebrite ausgelesen. Das Smartphone erhielt er erst ein Jahr später zurück, das Strafverfahren wurde eingestellt.
Erst bei der Akteneinsicht erfuhr Torner, dass die Polizei anhand der Handydaten ein politisches Profil von ihm angefertigt hatte. Er sei in der „linken Szene“ Bambergs engagiert und habe eine Abneigung gegen die Polizei. Torner war über die Handyauswertung schockiert: „Das hat meine Privatsphäre und die Pressefreiheit verletzt.“ Nun klagt er, der Schriftsatz seiner Hamburger Anwältin Gül Pinar liegt der taz vor.
Kein Anfangsverdacht
Pinar argumentiert, dass schon die Beschlagnahme des Smartphones rechtswidrig war, weil gar kein Anfangsverdacht gegen Torner bestand. Da die Polizeimaßnahme gegen die Letzte Generation in der Öffentlichkeit stattfand, habe es keine „vertrauliche“ Kommunikation geben können.
Außerdem sei die Erstellung eines politischen Profils von Torner für die Prüfung des Tatvorwurfs überflüssig gewesen; es hätte genügt, die konkrete Tonaufnahme zu sichern. Es sei auch nicht ersichtlich, so die Anwältin, dass die Polizei den Kernbereich des privaten Lebens oder den Schutz von journalistischen Kontaktdaten im Blick hatte.
Der Schwerpunkt der Klage ist aber viel grundsätzlicher. Hendrik Torner will gerichtlich klären lassen, ob die Beschlagnahme eines Handys wirklich eine umfassende Auswertung der darauf gespeicherten Daten erlaubt. Bisher gibt es hierfür keine spezielle Rechtsnorm. Das Mobiltelefon kann wie ein normaler Gegenstand beschlagnahmt werden. Wenn ein Gericht dies erlaubt, dann ist auch die Auswertung der gespeicherten Daten möglich.
Grundrechtverletzung
Die Beschlagnahmenorm (Paragraf 94 der Strafprozessordnung) genüge aber nicht als Grundlage für die Auswertung eines Smartphones, so Pinar, denn dabei könne ein „umfassendes Verhaltens- und Persönlichkeitsprofil“ erstellt werden. Sie wendet sich damit gegen die Praxis der Polizei und auch der Gerichte, die Paragraf 94 für ausreichend halten. Dies verletze nicht nur das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch das strengere sogenannte Computergrundrecht (Schutz der Integrität informationstechnischer Systeme).
Das Computer-Grundrecht will Pinar (anders als das Bundesverfassungsgericht) nicht nur bei heimlichen Polizeiermittlungen anwenden, sondern auch bei offenen Maßnahmen. Schließlich ermögliche auch eine Beschlagnahme des Handys der Polizei den „Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung“.
Pinar stützt sich zudem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2024 zu einem Fall in Österreich („Landeck“). Danach müsse die gesetzliche Norm, die der Polizei den Zugriff auf Mobiltelefone ermöglicht, auch regeln, bei welcher Art von Straftaten dies möglich ist. Auch dieser Anforderung werde die Beschlagnahmenorm nicht gerecht, so die Anwältin.
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