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Klage gegen DeutschlandPer Eilantrag den Reisepass zurück

Flüchtlinge in Sudan klagen vor Gericht ihre verschollenen Pässe ein. Die wurden bei der Evakuierung in der deutschen Botschaft zurückgelassen.

Sudanesische Reisepässe Foto: Amr Nabil/dpa

Berlin taz | Noch immer haben viele europäische Länder keine nachhaltigen und flächendeckenden Lösungen dafür, wie sudanesische Staatsbürger:innen, deren Pässe sich zu Kriegsbeginn zur Vergabe von Visa in ihren Botschaften in Khartum befanden, diese zurückerhalten. Tausende Pässe wurden bei der Evakuierung der Botschaften im April einbehalten oder gar zerstört, die Betroffenen sind seitdem im Krieg gefangen.

In Deutschland hatte das Auswärtige Amt Ende Mai auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Clara Bünger (Linke) bekanntgegeben, es handle sich um ungefähr 600 Pässe. Es zeigte aber keine Möglichkeit auf, die Pässe zurückzugeben. Seitdem ist nichts passiert.

Ich hoffe, dass Deutschland uns zumindest elektronische Versionen unserer Reisepässe ausstellen kann

Geflüchteter aus Khartum

Fünf Betroffene haben jetzt einen Eilantrag an das Verwaltungsgericht Berlin gestellt. In dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 12. Juni fordern sie die sofortige Herausgabe ihrer Pässe.

„Ich hoffe, dass Deutschland uns zumindest elektronische Versionen unserer Reisepässe ausstellen kann, damit wir endlich über die Grenzen können“, sagt einer der Antragsstellenden. Er ist aus Khartum geflohen. Viele Hauptstadtbewohner halten sich mittlerweile in den Dörfern und Kleinstädten auf. Wie lange diese Orte noch sicher sind, ist nicht abzusehen.

Verhalten der Bundesregierung „höchst fragwürdig“

Rechtsanwalt Alexander Gorski vertritt die Su­da­ne­s:in­nen in dem Verfahren. Die gegenwärtige Situation halte er aus vielerlei Gründen für einen „unhaltbaren Zustand“, sagt er. Er sehe auf juristischer Seite einen klaren Anspruch auf die Herausgabe der Pässe seiner Mandant:innen: „Wenn ein Visumsverfahren nicht fortgeführt wird, weil eine Prüfung nicht weiter möglich ist, dann kann es nicht sein, dass die Deutsche Botschaft evakuiert wird und die Pässe dort liegengelassen werden, ohne Vorkehrungen für einen solchen Fall zu treffen.“

Aber auch auf moralischer Ebene sei das bisherige Verhalten der Bundesrepublik „höchst fragwürdig“. Während eigene Staats­bür­ge­r:in­nen in Sicherheit gebracht wurden, nehme man Su­da­ne­s:in­nen die Möglichkeit, sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen.

Sollte sich herausstellen, dass eine Rückgabe nicht möglich sei, „dann muss man eben die finanziellen Mittel in die Hand nehmen, um eine andere Lösung zu finden“, so Gorski. Schon bei der Evakuierung im April hätte die Bundesregierung einen Plan ausarbeiten müssen. „Ich halte das für ein moralisches Versagen der Bundesregierung und des Auswärtigen Amtes“, sagt der Jurist und sieht Parallelen zum Umgang mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan.

Angst vor dem deutschen Visumsprozess

Fast täglich werden auf sozialen Medien neue Skandale und Versagensgeschichten von Botschaften geteilt. Die Geschichten reichen von Menschen, die bei Evakuierungen vergessen wurden, bis zu Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit, denen die Evakuierung trotz europäischem Pass verweigert wurde.

Dass nur fünf Personen sich dazu entschlossen haben, einen Eilantrag zu stellen, hat Gründe. Wie Betroffene der taz gegenüber geäußert haben, haben sie große Angst, in Zukunft Visa verweigert zu bekommen, sollten sie sich an einer Forderung gegen den deutschen Staat beteiligen. Sie halten sich deshalb bedeckt.

Doch das Warten könnte zur Gefahr werden. Das wissen auch die Betroffenen: „Das ist das Hauptproblem. Die Zeit spielt gegen uns“, sagt einer der Antragsstellenden.

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18 Kommentare

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  • "haben sie große Angst, in Zukunft Visa verweigert zu bekommen, sollten sie sich an einer Forderung gegen den deutschen Staat beteiligen. Sie halten sich deshalb bedeckt."

    Leider berechtigte Angst. Willkürliche Ablehnung von Visumsanträgen gibt es leider viel zu oft. Auch bei deutschen Botschaften.

    • @Martin Weber:

      Und ich dachte immer, die Begründung muss aktenkundig festgelegt werden, sodass man Rechtsmittel hat

  • Asyl ist in Deutschland Grundrecht, auf das jeder Mensch ein Anrecht hat, wenn er politisch, religiös oder wegen seiner sexuellen Orientierung etc. verfolgt wird. Da gibt es keine Obergrenze. Wenn die Politik versucht mit bürokratischen Tricks dieses Grundrecht auszuhebeln, dann ist das rechtswidrig, unmoralisch und abscheulich.

    • @V M:

      Der Antrag auf Asyl ist in Deutschland zu stellen. Mit den Pässen hat das nichts zu tun.

  • Die deutschen Botschaften waren schon immer armselige, nur mit sich selbst beschäftigte und feige deutsche Dependancen. Hier spiegelt sich die deutsche Politik in der konkreten Realität.



    Ich halte nichts von den USA, aber ihre Botschaften sind wenigsten zu etwas nütze und verschwenden nicht nur Geld.

    • @buddhafragt:

      Ob dies schon immer so war, weiß ich glücklicherweise nicht, was aber ich aber bestätigen kann, ist, dass seit etwa 20 Jahren deutsche Botschaften dazu übergegangen sind, sich durch eine Schutztruppe aus Einheimischen abzuriegeln zu lassen, was seit COVID erheblich verschärft wurde. Wenn überhaupt bekommt man online einen Termin nach mindestens 4 Wochen, und viele, eigentlich einfache Amtshandlungen, wie eine Apostille (selbst wenn sie eigentlich nicht nötig wäre, da beide betroffenen Staaten das Wiener Abkommen über die Anerkennung der jeweiligen Urkunden unterzeichnet haben, werden verweigert.



      Beispiel: eine auch auf spanisch ausgestellte europäische Geburtsurkunde muss per Einschreiben am zuständigen Geburtsort in D beantragt werden, dann von dort mit Abholung durch DHL an die entsprechende Oberpolizeidirektion weitergeleitet, von dort aus wieder nach Abholung durch DHL z. B. an das Spanisch sprechende amerikanische Land versandt werden. Im besten Fall 3 Wochen, KP 120 €. Und das, obwohl eine europäische, vielsprachige Originalurkunde vorliegt.



      Schmankerl: der nordamerikanische "failed state" zahlt die geleisteten Rentenbeiträge zurück, für die das eigentlich unnötige Dokument gebraucht wurde, der deutsche nicht.



      Nur ein Beispiel von vielen.



      Zu denen der USA kann ich glücklicherweise nichts sagen.

  • Die Frage ist bereits, mit welchem Recht die deutsche Botschaft fremde Pässe einfach tage- und wochenlang einbehalten hat.



    Nur um ein Visum reinzukleben muss das nicht sein!

    • @stadtlandmensch:

      Es geht um eine genaue Prüfung eines Dokumentes (was in manchen Ländern etwas länger dauern kann)



      Und mit welchem Recht? Wenn Sie abends ausgehen wollen und Sie nach ihrem Ausweis gefragt werden, müssen Sie diesen nicht abgeben. Kommen aber evtl. nicht in die Lokalität ihrer Wünsche.

    • @stadtlandmensch:

      Ist doch international üblich. Wenn Sie nicht den Botschafter persönlich kennen, dauert die Visa-Vergabe immer etwas länger. Unter anderem aus diesem Grund ist es empfehlenswert, mehrere Pässe zu haben.

  • Die europäischen Staaten müssen auch dafür keine Lösung bereitstellen, weil es sie schon gibt:

    Hier greift Artikel 6 der Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit:

    „Vorbehaltlich des Artikels III stellen die Mitgliedstaaten Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, Reisedokumente im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie deren Anhang und Muster für Reisen ausserhalb ihres Hoheitsgebiet aus,(…)“

    au.int/sites/defau...ms_in_africa_e.pdf

    Die Betroffenen haben einen Anspruch, sich durch benachbarte Mitgliedsstaaten des Abkommens Reisepässe ausstellen zu lassen, um mit denen dann die entsprechenden Formalitäten für weitere Reisen erledigen zu können.

    Ich Frage mich, ob der Rechtsanwalt seine Mandanten über diese Möglichkeit aufgeklärt hat?

    Abgesehen hiervon scheint es mir unklug die Pässe zurückzulassen; wenn eine Mitnahme nicht möglich gewesen war, hätte man sie m.E. vernichten müssen. Geraten die in falsche Hände, könnte man vielleicht irgendwelche Betrügereien mit ihnen Anstellen, und die Betroffenen könnten sich unverschuldet auf internationalen Fahndungslisten wiederfinden.

    • @Socrates:

      Haben Sie schon mal die Möglichkeit in betracht gezogen, das Deutschland einfach nicht willig ist, sich mit diesen Menschen beschäftigen zu müssen? Man zieht die Sache so lange, bis sich das Problem, auf welche art auch immer, von selbst erledigt hat.



      Wenn sie gewollt hätten, wäre es kein Problem gewesen, mal 600 Reisepässe mitzunehmen.

      • @buddhafragt:

        Und wie kommen diese Reisepässe wieder zu den entsprechenden Personen?

  • Das passt zu diesem Kommentar in 'der Freitag'

    www.freitag.de/aut...nd-die-bessere-csu

    》[...] Baerbocks Lösung: Das Asylrecht zulasten der Humanität auflösen

    Jetzt, unter einer rot-grün-liberalen Regierung, kommt alles so, wie es sich die parlamentarische Rechte schon lange wünscht: beschleunigte und von Rechtsschutzauflagen praktisch gänzlich befreite Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, in die all jene Personen einbezogen werden, die wegen der restriktiven Anerkennungsentscheidungen der Mitgliedsstaaten nur „geringe Aussicht auf Schutz“ haben. Ausgenommen sind nur unbegleitete Minderjährige, womit man die Zustände, die später wortreich beklagt werden dürften, regulativ überhaupt erst herbeiführt. Während des Grenzverfahrens, und für eine Dauer von bis zu drei Monaten, werden die als nicht eingereist geltenden Betroffenen unter haftähnlichen Bedingungen interniert. Das freilich gilt rechtsförmlich nicht als Freiheitsentzug, denn „wer will“, so dazu dieFrankfurter Allgemeine Zeitunglakonisch, kann sich „jederzeit wieder in ein Land außerhalb der EU“ begeben.

    Baerbock bezeichnet dies mit einer marktgängigen Politfloskel als „schmerzhaften Kompromiss“ – was hier offen perfide Züge annimmt, wird doch suggeriert, dass das eigentliche Leid dem grünen Spitzenpersonal zugefügt werde. „Regierungsverantwortung zu tragen bedeutet für mich, sich solchen Dilemmata zu stellen“ – und zwar offensichtlich auf die Weise, sie zugunsten der Volksseele und zulasten der Humanität aufzulösen.《

    Es kann doch nicht sein, dass Betroffene nicht ausreisen können und aus nachvollziehbaren Gründen Angst davor haben, die Rückgabe ihrer Pässe von der Bundesregierung zu erstreiten

  • Ich würde gerne verstehen, wie Deutschland einen sudanesischen Pass ausstellen soll. Und wer diesen dann anerkennen würde?

    • @mlevi:

      Wie der Artikel klar stellt, waren die Pässe bei der Deutschen Botschaft im Rahmen der Visavergabe. Seit der Evakuierung der Botschaft werden logischerweise auch keine Visa mehr bearbeitet und die Pässe müssen zurückgegeben werden. Deutschland muss keine Pässe ausstellen, aber mit den der Botschaft anvertrauten Pässen sorgfältig umgehen und diese zurückgeben.

    • @mlevi:

      Deutsche Ersatzdokumente vielleicht. Oder beglaubigte "elektronische Versionen unserer Reisepässe", die was taugen (sicherstellen, dass sie Anerkennung finden

      Jedenfalls das, was die Botschaft verbockt hat, indem sie die ihr anvertrauten Dokumente hat liegenlassen, kompensieren.

      Und nicht mit den Achseln zucken, 'Pech gehabt'

      • 4G
        49732 (Profil gelöscht)
        @ke1ner:

        Nennt man wohl höhere Gewalt wenn einem die Kugeln um den Kopf fliegen.

  • „Ich hoffe, dass Deutschland uns zumindest elektronische Versionen unserer Reisepässe ausstellen kann, ...“



    Nein, keine Nation ist in der Lage, Personaldokumente einer anderen Nation auszustellen.

    "...dann kann es nicht sein, dass die Deutsche Botschaft evakuiert wird und die Pässe dort liegengelassen werden.."



    Bei einer durch höhere Gewalt ausgelösten Evakuierung gibt es Prioritäten, und Reisedokumente sind nicht das Wichtigste.

    "dann muss man eben die finanziellen Mittel in die Hand nehmen, um eine andere Lösung zu finden“



    Davon ausgehend, dass in Khartum keine Pässe (mehr) ausgestellt werden wird wohl die Forderung nach Ausstellung von Konventionspässen gestellt werden.