Internationales Desinteresse am Sudan: Darfur, war da was?

Vor 20 Jahren folgten auf Sudans Überfall auf Darfur ein internationaler Aufschrei – und Konsequenzen. Heute denkt niemand ans Eingreifen.

Unscharfe Aufnahme, ein Panzer im Bild, ein großer Pappkarton deckt notdürftig eine Leiche ab, eine Mauer, eine sandige Straße

Eines von wenigen verfügbaren aktuellen Bildern von der Gewalt in Darfur Foto: afp via getty

Was waren das für Zeiten, als vor 20 Jahren Sudans Militärregime über Darfur herfiel. Die halbe Bevölkerung der Aufstandsregion wurde vertrieben oder getötet, die daran beteiligten Volksgruppen dauerhaft durch Verlust ihrer Lebensgrundlagen bestraft. Die internationale Gemeinschaft war außer sich. Es ergab sich daraus der erste Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen einen amtierenden Präsidenten, weltweit wurde über militärisches Eingreifen zur Rettung bedrohter Zivilbevölkerungen diskutiert, und aus dieser Debatte entwickelte sich das völkerrechtliche Gebot der „Schutzverantwortung“.

Die Welt ist daraus nicht klüger geworden, im Gegenteil. Der Haftbefehl gegen Baschir wurde nicht vollstreckt. Die „Schutzverantwortung“ blieb eine Totgeburt. In Syrien schützte niemand die Menschen, als Assad es zehn Jahre später Baschir nachmachte. Militärinterventionen sind komplett außer Mode geraten. Sogar wenn Sudan brennt und weiße Ausländer evakuiert werden müssen, denkt keine mächtige Regierung daran, dass vielleicht auch Sudans Bevölkerung Rettung bräuchte.

Eingreifen in Sudan? Die Frage, an geeigneter Stelle gestellt, stößt nicht einmal auf Empörung, eher auf Belustigung, so weltfremd erscheint sie im diplomatischen Comment dieser Zeiten. Genausogut könnte man vorschlagen, die nächste Fußball-WM in Khartum auszurichten. Da können sich verzweifelte Darfuris heute noch so sehr auf den Kopf stellen und auf Parallelen mit Ruanda 1994 verweisen; da können Analysten noch so sehr die zersetzerische Kraft des russischen Wagner-Imperiums und seiner Freunde anprangern – es passiert einfach: nichts.

Klar, die sicherheitspolitische Aufmerksamkeit der westlichen Welt ist voll und ganz auf die Ukraine gerichtet. Aber es gibt Dinge, die man trotzdem für Sudans Menschen tun könnte. Wo bleiben die humanitären Visa für Fliehende? Was antwortet man Darfurs Intellektuellen, die Schutzkorridore fordern, damit Fliehende ihren Weg nach Tschad finden könnten, ohne von Milizen an Straßensperren ethnisch selektiert zu werden – bei der Evakuierung der Weißen nach Saudi-Arabien ging das doch auch? Wieso spricht niemand ernsthaft über die Überlegungen der Afrikanischen Union, den Flughafen des umkämpften Khartum militärisch zu sichern, damit überhaupt Helfer und Vermittler in die sudanesische Hauptstadt können – sogar in Somalia war das doch möglich?

Eine solche Debatte würde zumindest dem Eindruck entgegenwirken, Sudans Schlächter könnten ungestraft tun, was sie wollen. Liegt Sudan auf dem Mond? Den Menschen dort muss es allmählich so vorkommen.

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Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

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