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Aber wie kann der gordische Knoten von Krieg und Gewalt im Sudan durchschlagen werden, Herr Johnson, wenn es nicht einmal möglich ist, sichere Fluchtkorridore für die Zivilisten zu schaffen?
Die Afrikanische Union fällt als Vermittler und Friedensstifter aus, sie ist schon mit dem Konflikt in der DR Kongo hoffnungslos überfordert. Die arabischen Staaten, die möglicherweise über entscheidenden Einfluss im Sudan verfügen, sind an einer Friedenslösung nicht interessiert.
Und die EU? Die wird sich - nach den bitteren Erfahrungen in Mali und anderswo - im Sudan keine blutigen Finger holen wollen. Obwohl der Westen mit der Aufpäppelung einer der beiden Kriegsparteien, der FSF (deren Vorgänger während des Völkermordes in Darfur vor 20 Jahren eine wesentliche Rolle spielten), durchaus eine Mitverantwortung trägt.
Also, so bitter es sich anhören mag: eine direkte Möglichkeit, den sudanesischen Bürgerkrieg beenden zu helfen, gibt es für die Europäer aktuell nicht. Selbst die Möglichkeiten der humanitären Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung sind momentan begrenzt.
Was aber kann dennoch getan werden? Z.B. sich im internationalen Rahmen für den Stopp von Rüstungsexporten einzusetzen, Waffen und Kriegstechnologie wirksam zu ächten (auch die Rüstungsindustrie). Und nicht bloss die Kriegstreiber zu sanktionieren, die diese von uns hergestellten und gelieferten Waffen einsetzen.
Und nicht ausschließlich mit den Fingern auf Russland und China zeigen, die in Afrika durchaus eine unheilvolle Rolle spielen, wenn man als kollektiver Westen keine Verantwortung für die mitverursachten Schäden übernehmen will.
Eine europäische Migrationspolitik, die dieser Verantwortung endlich, endlich gerecht wird, statt die Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen.
Und, ach ja, nicht permanent von einer “wertegeleiteten” Außenpolitik schwadronieren. Dann wird’s nämlich komplett unglaubwürdig.
Wir sind nicht einmal in der Lage, Putin vor unserer Haustür zu stoppen. Was sollen wir da im Sudan? Die Bundeswehr ist schon in Mali völlig überfordert. Für eine Intervention braucht es eine Interventionsarmee. Die haben wir nicht, und ich kann mich auch nicht erinnern, dass sich die Taz jemals für mehr Militär starkgemacht hätte.
@Kurt Kraus "Wir sind nicht einmal in der Lage, Putin vor unserer Haustür zu stoppen."
Doch. Das passiert doch gerade. Wünsche Sie der Ukraine etwa keinen Erfolg in der Abwehr der russischen Aggression? Außerdem kann ich nicht erkennen, dass sich die taz-Redaktion - jedenfalls mehrheitlich - gegen eine militärische Unterstützung der Ukraine bzw. Waffenlieferungen ausgesprochen hat.
"Was sollen wir da im Sudan?"
Na, zum Beispiel Verantwortung übernehmen für eine verfehlte europäische Außenpolitik gegenüber den afrikanischen Staaten. Das wiederum kann auch auf politischer Ebene geschehen, dazu sind keine Militärinterventionen nötig.
Verantwortungsübernahme etwa durch eine an humanen Grundsätzen orientierte Migrationspolitik, die Flüchtlinge nicht im Mittelmeer ertrinken lässt oder sie - EU-finanziert (!) - den Sklavenhaltern im failed state Libyen ausliefert.
"Klar, die sicherheitspolitische Aufmerksamkeit der westlichen Welt ist voll und ganz auf die Ukraine gerichtet." Das ist untertrieben.
Die westliche Welt ist geopolitisch in der Defensive. Gerade Afrika steht jetzt mehr unter dem Einfluss der autokratischen Gegner der liberalen Staaten. Der Westen hat derzeit einfach nicht die Einfluss und Möglichkeiten für eine erfolgreiche(!) Intervention - politisch wie militärisch.
@Chris McZott Es ist auch einfacher, sich aus dem Staub zu machen als einen Brand zu löschen, den man selbst mitverursacht hat.
Aber ich stimme ja zu: eine militärische Intervention im Sudan würde nur bedeuten, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Möglicherweise käme man da mit heiler Haut auch nicht mehr raus.
Was fällt Ihnen denn zu den politischen Interventionsmöglichkeiten ein?k
Ja, da war was. Die Hölle auf Erden für Menschen von Menschenhand.
Ein Dokumentarfilm wurde mehrfach - auch im Fernsehen - gezeigt, über die Todesreiter von Dafur:
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"Die beiden Filmemacherinnen Ricki Stern und Annie Sundberg erzählen die Geschichte des ehemaligen US-Marine Brian Steidle, der als neutraler Beobachter in den Sudan geschickt wurde und mit unsäglichem Leid konfrontiert wurde. Auf sich allein gestellt und unbewaffnet – nur mit einer Kamera ausgerüstet – dokumentiert Steidle in entlarvenden Bildern die grauenvolle Entwicklung des blutigen Konflikts. Dort, wo es keine Journalisten gibt, erlebt er mit, wie die berittene Dschandschawid – arabischstämmige, von der Regierung rekrutierte Milizen – in die Dörfer einfällt, die afrikanischen Bewohner niedermetzelt und deren Frauen vergewaltigt, bevor auch sie getötet werden. Steidle erzählt rückblickend von dem Albtraum, den er sah und dokumentierte."
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www.fernsehserien....sreiter-von-darfur
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Ein grausames Déjà-vu!
„Boy-Sober“ heißt der Trend: Frauen bleiben alleine statt Männer zu daten. Kein Wunder, findet unsere Autorin – und preist das Single-Leben.
Internationales Desinteresse am Sudan: Darfur, war da was?
Vor 20 Jahren folgten auf Sudans Überfall auf Darfur ein internationaler Aufschrei – und Konsequenzen. Heute denkt niemand ans Eingreifen.
Eines von wenigen verfügbaren aktuellen Bildern von der Gewalt in Darfur Foto: afp via getty
Was waren das für Zeiten, als vor 20 Jahren Sudans Militärregime über Darfur herfiel. Die halbe Bevölkerung der Aufstandsregion wurde vertrieben oder getötet, die daran beteiligten Volksgruppen dauerhaft durch Verlust ihrer Lebensgrundlagen bestraft. Die internationale Gemeinschaft war außer sich. Es ergab sich daraus der erste Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen einen amtierenden Präsidenten, weltweit wurde über militärisches Eingreifen zur Rettung bedrohter Zivilbevölkerungen diskutiert, und aus dieser Debatte entwickelte sich das völkerrechtliche Gebot der „Schutzverantwortung“.
Die Welt ist daraus nicht klüger geworden, im Gegenteil. Der Haftbefehl gegen Baschir wurde nicht vollstreckt. Die „Schutzverantwortung“ blieb eine Totgeburt. In Syrien schützte niemand die Menschen, als Assad es zehn Jahre später Baschir nachmachte. Militärinterventionen sind komplett außer Mode geraten. Sogar wenn Sudan brennt und weiße Ausländer evakuiert werden müssen, denkt keine mächtige Regierung daran, dass vielleicht auch Sudans Bevölkerung Rettung bräuchte.
Eingreifen in Sudan? Die Frage, an geeigneter Stelle gestellt, stößt nicht einmal auf Empörung, eher auf Belustigung, so weltfremd erscheint sie im diplomatischen Comment dieser Zeiten. Genausogut könnte man vorschlagen, die nächste Fußball-WM in Khartum auszurichten. Da können sich verzweifelte Darfuris heute noch so sehr auf den Kopf stellen und auf Parallelen mit Ruanda 1994 verweisen; da können Analysten noch so sehr die zersetzerische Kraft des russischen Wagner-Imperiums und seiner Freunde anprangern – es passiert einfach: nichts.
Klar, die sicherheitspolitische Aufmerksamkeit der westlichen Welt ist voll und ganz auf die Ukraine gerichtet. Aber es gibt Dinge, die man trotzdem für Sudans Menschen tun könnte. Wo bleiben die humanitären Visa für Fliehende? Was antwortet man Darfurs Intellektuellen, die Schutzkorridore fordern, damit Fliehende ihren Weg nach Tschad finden könnten, ohne von Milizen an Straßensperren ethnisch selektiert zu werden – bei der Evakuierung der Weißen nach Saudi-Arabien ging das doch auch? Wieso spricht niemand ernsthaft über die Überlegungen der Afrikanischen Union, den Flughafen des umkämpften Khartum militärisch zu sichern, damit überhaupt Helfer und Vermittler in die sudanesische Hauptstadt können – sogar in Somalia war das doch möglich?
Eine solche Debatte würde zumindest dem Eindruck entgegenwirken, Sudans Schlächter könnten ungestraft tun, was sie wollen. Liegt Sudan auf dem Mond? Den Menschen dort muss es allmählich so vorkommen.
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Schwerpunkt Krieg in Sudan
Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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