Klage gegen Audi: Der Unterstrich bleibt
Beschäftigte bei Audi sollen in schriftlicher Kommunikation gendern. Ein VW-Mitarbeiter wollte das nicht akzeptieren und klagte dagegen – ohne Erfolg.
Er sah seine Persönlichkeitsrechte darin verletzt, dass Kolleg*innen des VW-Tochterunternehmens Audi mit ihm in schriftlicher Kommunikation gegenderte Sprache verwendeten. Die Audi-Beschäftigten folgen damit dem Leitfaden des Unternehmens, der vorsieht, mit Unterstrich zu gendern. Diese Vorgabe gibt es seit März 2021. Audi will damit nach eigenen Angaben ein Zeichen für Gleichberechtigung setzen und die Vielfalt der Geschlechter besser abbilden.
Das Gericht schmetterte die Forderung von Alexander B. nach Unterlassung nun ab, befand am Freitag aber auch, dass der Kläger als VW-Mitarbeiter selbst nicht zum Gendern verpflichtet sei. Der Leitpfaden richte sich explizit nur an Audi-Mitarbeitende. Der Kläger habe aber kein Recht darauf, „in Ruhe gelassen zu werden“, so der Vorsitzende Richter Christoph Hellerbrand. Alexander B. hatte neben der Unterlassung von gegenderten Mails an ihn eine Zahlung von 100.000 Euro bei Verstößen dagegen gefordert. Eine mündliche Verhandlung dazu war im Juni gescheitert.
Der Kläger sagte vor Gericht, dass er „weitere Schritte“ nicht ausschließe, um sein Recht durchzusetzen. Er könnte gegen das Urteil in Berufung gehen, dann würde der Fall vor dem Oberlandesgericht München landen.
In der Öffentlichkeit hatte der Prozess einige Diskussionen über verpflichtendes Gendern losgelöst. Gendergegner*innen schlugen sich auf die Seite des Klägers und wetterten im Netz. Viele andere sahen die Debatte gelassener, die taz beschreibt den Kläger als „beleidigtes Leberwürstchen“. Vor Gericht hatte der Kläger betont, dass er nicht gegen das Gendern sei, wenn die Regeln der Grammatik nicht verletzt würden.
Bundesweites Interesse gab es an dem Fall auch, weil es das erste Urteil zu einer möglichen Unterlassung von Gendersprache war. Andere Verfahren vor Gericht beschäftigten sich mit dem Thema Gendern sonst, weil sich Menschen durch Formulierungen im generischen Maskulinum nicht abgebildet fühlten. Große Aufmerksamkeit erhielt zum Beispiel die Klage der nun 85-jährigen Marlies Krämer, die 2018 vor dem Bundesgerichtshof erwirken wollte, dass sie von der Sparkasse nicht als „Kunde“ angesprochen wird. Der Bundesgerichtshofs (BGH) wies ihre Verfassungsbeschwerde 2020 ab, da sie nicht ausreichend begründet war.
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