Kirchentag in Münster: Keine Kollekte für Katholiken
Erstmals könnte eine Gastgeberstadt darauf verzichten, den Katholikentag zu subventionieren. Es geht um 3,5 Millionen Euro - und ums Prinzip.
MÜNSTER taz | Münster könnte in dieser Woche Geschichte schreiben: Die Stadt des Westfälischen Friedens schickt sich an, als erste in Deutschland einen Barzuschuss für einen Kirchentag zu verweigern. Es geht um die städtische Unterstützung des Deutschen Katholikentags 2018.
Für die entscheidende Ratssitzung am Mittwoch zeichnet sich keine Mehrheit ab, die bereit wäre, den vom Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) beantragten Millionenbetrag aus der Stadtkasse zu zahlen. Stattdessen soll die Veranstaltung lediglich mit Sachleistungen unterstützt werden.
Angefangen hatte alles Mitte 2014 mit der Einladung des Bistums Münster an das Zentralkomitee, den Katholikentag 2018 in der Universitätsstadt abzuhalten. Daraufhin beantragte das ZdK bei der Stadt Münster zunächst einen Barzuschuss von 1,5 Millionen Euro. Die Entscheidung darüber stand eigentlich schon im September an, der Stadtrat vertagte die heikle Abstimmung aber. Gespannt warten Bistum und ZdK nun auf die Entscheidung.
„Für uns ist die Situation derzeit unübersichtlich, die Details sind noch unklar“, so ZdK-Pressesprecher Theodor Bolzenius. 9,3 Millionen Euro soll der Etat des Katholikentags eigentlich betragen. Davon sollen Bund, Land und die Stadt Münster über ein Drittel übernehmen: 3,5 Millionen.
„Bundesweite Werbung für die Stadt“
„Acht bis neun Millionen Euro fließen erfahrungsgemäß in die Kommune zurück“, sagt Bolzenius. „Das ist eine bundesweite Werbung für die Stadt.“ Er rechnet mit über 30.000 Dauerteilnehmern und mehr als 1.000 Journalisten beim Katholikentag. Wie Bistum und ZdK mit einer Ablehnung des Barzuschusses umgehen würden, dazu wollten sich beide nicht vor dem Ratsbeschluss äußern.
Vor allem CDU-Oberbürgermeister Markus Lewe rührt derweil kräftig die Werbetrommel. Er ist seit 2009 im Amt und war zuvor selbst im Dienst des Bistums: zuerst als Revisor, später als Leiter des Referats Controlling und Chef der Organisationsentwicklung. Um die Zustimmung im Rat zu erleichtern, hat er inzwischen einen Barzuschuss von 1,2 Millionen Euro als Kompromiss vorgeschlagen.
Doch eine Mehrheit von Münsters Stadtverordneten sieht nicht ein, den Haushalt ihrer Stadt zusätzlich zu belasten, die bereits mit rund 750 Millionen Euro in der Kreide steht. „Die Katholiken sind uns in Münster willkommen, aber wir werden uns für ihren Kirchentag nicht weiter verschulden“, macht Otto Reiners, Fraktionschef der Grünen, unmissverständlich klar. Bis auf die CDU, stärkste Kraft im Rat, sehen das alle Fraktionen so.
FDP und Linke wollen überhaupt keine Unterstützung, SPD und Grüne lediglich Sachleistungen gewähren, etwa die erst unlängst beschlossene mietfreie Nutzung städtischer Immobilien (SPD) oder die Rabattierung von Sachleistungen (Grüne). Die Kosten dafür sollen aber deutlich unter 1,2 Millionen Euro bleiben. In ihrem Ratsantrag machen die Grünen dem Bistum den süffisanten Gegenvorschlag, der Stadt dringend benötigten „bebaubaren kirchlichen Grundbesitz zu Marktpreisen“ zu verkaufen, um dem ZdK zusätzliche Finanzmittel bereitstellen zu können.
Trennung von Staat und Kirche
1,2 Millionen Euro für einen Kirchentag sind auch vielen Bürgern entschieden zu viel. Nicht wenige halten es sogar für die beste Lösung, wenn Bistum und Katholiken sämtliche Kosten übernähmen. Dazu zählen nicht nur die Aktivisten des Projektes „11. Gebot“, die bereits im November vor Münsters Dom unter dem Motto „Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ demonstrierten.
In einem offenen Brief an die Ratsmitglieder forderten sie diese dazu auf, gegen die finanzielle Förderung des Katholikentages zu stimmen. Die Aktion wird vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und der Giordano-Bruno-Stiftung getragen.
„Es geht uns um eine Trennung von Staat und Kirche und die Gleichbehandlung der Katholiken mit anderen Gruppen der Gesellschaft“, erläutert IBKA-Regionalsprecherin Daniela Wakonigg. Zwar gingen die Sachleistungen auch zu Lasten der Stadt, aber „wir begrüßen besonders die Haltung der SPD, keinen Barzuschuss zu gewähren. Das ist eine mutige Entscheidung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt