Kinderarmut in Deutschland: Das Problem wird größer
Laut Statistischem Bundesamt sind mehr Kinder als im Vorjahr von Armut bedroht. Besonders Kinder mit Einwanderungsgeschichte seien gefährdet.
Aktuelle Zahlen des statistischen Bundesamts zeigen einen unguten Trend: Immer mehr Kinder und Jugendliche sind von Armut bedroht. In machen Bevölkerungsgruppen sind es über 40 Prozent. Die Auswirkungen zeigen sich in allen Lebensbereichen und die politischen Antworten sind bislang schmal.
Es gibt verschiedene Wege, das Risiko von Armut zu erfassen. Einer davon ist die relative Armutsgefährdungsquote, demnach gilt als von Armut bedroht, wer weniger als 60 Prozent des sogenannten mittleren Nettoäquivalenzeinkommens verdient. Dabei werden haushaltsgröße und Alter der Kinder berücksichtigt.
Ein Alleinerziehendenhaushalt mit einem Kind unter 14 Jahren gilt als armutsgefährdet, wenn ihm weniger als 1.795 Euro netto im Monat zur Verfügung stehen, bei Haushalten mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern sind es weniger als 2.900 Euro netto. 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche waren laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr betroffen, das sind 15,2 Prozent aller Unter-18-Jährigen. In der Gesamtbevölkerung, inklusive der Erwachsenen, ist der Anteil noch etwas größer (15,5 Prozent) und auch der europäische Durchschnitt ist noch schlechter (19,3 Prozent). Aber im Vergleich zum Vorjahr (14,0) ist er doch recht deutlich gestiegen.
Dabei machten die Statistiker*innen in zwei Gruppen eine besonders hohes Armutsrisiko aus. Haben die Eltern einen Haupt- oder Realschulabschluss ohne beruflichen Abschluss, waren 41,8 Prozent der Kinder und Jugendlichen armutsgefährdet. Zum Vergleich: Bei einem mittleren Bildungsabschluss der Eltern (Berufsausbildung oder Abitur) waren es 15,2 Prozent. Bei einem höheren Bildungsabschluss wie etwa Meistertitel oder abgeschlossenes Studium, waren es 7,2 Prozent.
Die zweite Gruppe – die sich aber zum Teil mit der ersten überschneiden dürfte – sind laut Statistischem Bundesamt Kinder und Jugendliche mit Einwanderungsgeschichte. Sie waren demnach viermal häufiger (31,9 Prozent) von Armut bedroht als die Unter-18-Jährigen ohne Einwanderungsgeschichte (7,7 Prozent).
Erst vor wenigen Tagen hatte das Kinderhilfswerk Unicef ebenfalls einen Bericht zu Kinderarmut vorgelegt. Demnach sind mehr als eine Million Kinder in Deutschland direkt von Armut betroffen: Sie müssten beispielsweise auf ein zweites paar Schuhe oder Freizeitaktivitäten verzichten, lebten in überbelegten Wohnungen oder könnten nicht einmal für eine Woche im Jahr in den Urlaub fahren. Armut wirke sich zudem massiv auf alle Lebensbereiche aus: Armutsgefährdete und arme Kinder und Jugendliche sind häufiger krank, haben geringere Bildungschancen. Jährlich verließen über 60.000 die Schule ohne Abschluss. Von ihren Eltern und auch von den Lehrkräften in der Schule fühlen sie sich nicht ausreichend unterstützt.
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