Kiel will Lieferkettengesetz befördern: Wirtschaft fürchtet Menschenrechte
Die schleswig-holsteinische Landesregierung will Unternehmen weltweit auf ökologische und soziale Standards festnageln.
Ein Lieferkettengesetz soll das nun ändern. Die Grundidee: Ähnlich wie bei einer Qualitätsnorm sollen Hersteller die Einhaltung von Menschenrechten und ökologisch nachhaltiger Produktion auch bei ausländischen Zulieferern kontrollieren. „Ziel ist es, dass Unternehmen keine Wettbewerbsnachteile haben dürfen, weil andere Unternehmen sich nicht an Standards halten“, fasst Siglinde Hessler, Leiterin des Bereichs Grundsatz/Politische Planung im DGB Nord, zusammen. Der DGB ist eineR der UnterstützerInnen des Gesetzes.
Die Initiative dafür kam von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). 2015 hatte er ein „Textilbündnis“ für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Bekleidungsindustrie gegründet. Die Teilnahme war freiwillig, was nicht funktionierte: Lediglich 46 Prozent der Textilfirmen traten dem Bündnis bei, und in einer aktuellen Umfrage gaben nur 17 Prozent an, ökosoziale Kriterien in ihrer Produktion zu berücksichtigen.
Deshalb hat Müller nun zusammen mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein noch nicht veröffentlichtes Eckpunktepapier für ein Branchen übergreifendes Gesetz entwickelt. Ob es Bußgelder und Klagemöglichkeiten für Geschädigte vorsieht und ob es für alle oder nur für größere Unternehmen greifen soll, ist noch unklar.
Quer durch die politischen Lager
Während Müller und Heil verhandeln, hat im Schleswig-Holsteinischen Landtag die SPD- Abgeordnete Kerstin Metzner den Antrag „Lieferkettengesetz jetzt!“ eingebracht, „damit sich bei dem Thema etwas tut“. Der Antrag wurde Ende August im Landtag verhandelt und ist seitdem durch mehrere Ausschüsse gegangen.
Die „Initiative Lieferkettengesetz“ mit 13 Mitgliedern aus der Zivilgesellschaft, hinter denen landesweit hundert UnterstützerInnenorganisationen stehen, reichte dafür eine Petition mit mehr als 200.000 UnterzeichnerInnen ein und verfasste ein Positionspapier. Es erinnert die Regierung daran, dass ein solches Gesetz im Koalitionsvertrag vereinbart ist, ebenso wie in Hamburg und in Thüringen. Zudem habe die Bundes-CDU sich auf ihrem Parteitag Ende 2019 dafür ausgesprochen.
Auch Gegner des Gesetzes positionierten sich. Die Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein (IHK) fürchtet Bürokratisierung und die Benachteiligung des Mittelstands: „Es droht der Ausschluss insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen vom internationalen Marktzugang.“ Diese machten die überwältigende Mehrheit der Betriebe im Land aus.
Allerdings sehen das nicht alle Unternehmen so. 70 Firmen wünschen sich ein Lieferkettengesetz, darunter Größen wie Kik und Tchibo, dessen CSR-Chefin strenge und verbindliche Regelungen für alle fordert, also auch für kleine Firmen.
CDU ist gespalten – und entscheidend
In der Jamaika-Koalition unterstützen die Grünen das Gesetz, während FDP-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz es strikt ablehnt: „Für die Einhaltung der Menschenrechte weltweit zu sorgen, ist staatliche Verantwortung“.
Die Christdemokraten sind sich in der Frage nicht einig: Während der CDU-Abgeordnete Lukas Kilian sich entschieden hinter die Initiative stellt, lehnte CDU- Ministerpräsident Daniel Günther im vergangenen Jahr ökosoziale Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ab: „Wir haben eine Entbürokratisierung versprochen und umgesetzt.“
Die Landesregierung werde nun den Gesetzentwurf der Bundesregierung abwarten, sagt der Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein, Staatssekretär Dirk Schrödter. Danach werde die Landesregierung eine abschließende sachgerechte Prüfung und Bewertung vornehmen. Sollte sich die Landes-CDU tatsächlich an der Position des Bundes orientieren, sieht es gut aus für das Lieferkettengesetz: Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannte sich Mitte Dezember ausdrücklich zum Lieferkettengesetz.
Kerstin Metzner hofft nun, dass Schleswig-Holstein zum deutschen Vorreiter wird. Kanada, Australien, Kalifornien, Großbritannien, die Niederlande und Frankreich hätten schon ähnliche Gesetze. „Es gibt ja auch den TÜV und Lebensmittelkontrollen“, argumentiert Metzner. Weder Qualitätsstandards noch der Mindestlohn hätten zum Untergang der Wirtschaft geführt. „Wenn menschenrechtliche Sorgfaltspflicht Standard wird“, sagt sie, „verändert das auch die Menschen.“
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