Kennzeichnungspflicht für Polizisten: Hamburg zieht Lehre aus G20
Bremen und Schleswig-Holstein haben sie schon: Zum Jahresende will Hamburg eine Kennzeichnungspflicht für Demo-Polizisten einführen.
Die vom Senat jetzt beschlossene Regelung sieht vor, dass auf den Polizeiuniformen sowohl auf der Vorder- wie auf der Rückseite eine sechsstellige Ziffernfolge und die Kennung „HH“ aufgebracht wird. Der Identifizierungscode soll allerdings, so heißt es in einer Erläuterung zu der Verordnung, „nur bei öffentlichen Einsätzen aus Anlass von Versammlungen, öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen“ getragen werden.
Dass der Senat seinen Beschluss nicht offensiv kommuniziert hat, liegt daran, dass die Kennzeichnungspflicht noch durch die „Verbändeanhörung“ muss, in der die betroffenen Gewerkschaften und Berufsverbände noch acht Wochen Zeit haben, Kritik und Änderungsvorschläge einzubringen. Die Polizeigewerkschaften DPolG und GdP interpretieren die Kennzeichnung als „Misstrauensvotum“ gegen die Beamten und lehnen sie ab.
Auch die CDU war gegen die Kennzeichnungspflicht Sturm gelaufen, hatte dem rot-grünen Senat „ein gestörtes Verhältnis“ zur Polizei vorgeworfen und sieht eine „ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht gestellt“. Innensenator Andy Grote (SPD) hatte hingegen darauf verwiesen, dass bereits sieben Bundesländer, darunter Bremen und Schleswig-Holstein, eine entsprechende Kennzeichnungspflicht eingeführt haben, die inzwischen allseits akzeptiert sei.
Ermittlungen gegen Beamte eingestellt
Ein letztes Argument für den neuen Nummernquote hatte Grote der Hamburger G20-Gipfel geliefert: Die Ermittlungen gegen mehrere Beamte, die möglicherweise Straftaten im Dienst begangen hatten, mussten eingestellt werden, weil sie nicht identifizierbar waren.
Nach der Verbändeanhörung wird sich der Senat vermutlich unmittelbar vor der Sommerpause mit den Reaktionen befassen und den Entwurf gegebenenfalls ändern. Allerdings ist mit großen Korrekturen nicht zu rechnen – auf die Grundlinie hat sich die rot-grüne Koalition festgelegt.
Die Bürgerschaft und ihre Fachausschüsse werden sich erst nach der Sommerpause mit dem Gesetz befassen. Eine rot-grüne Mehrheit im Landesparlament gilt als sicher. Im fortgeschrittenen Herbst, spätestens aber zum Jahreswechsel, wird die Kennzeichnungspflicht dann in Kraft treten. Die Regelung ist zunächst – bis zum 31. 12. 2021 – befristet.
Mitte Juni 2018 hatte Grote die Einführung einer individuellen Kennzeichnungspflicht für Polizisten in geschlossenen Einsätzen verkündet. Am 1. November 2018 hatte die Bürgerschaft daraufhin den Senat ersucht, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen