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Kennzeichnung von LebensmittelnGen-Honig wohl bald inkognito

Pollen soll in der EU nicht mehr als „Zutat“ gelten. Wenn er gentechnisch verändert ist und in Honig gelangt, könnten die Verbraucher das nicht erkennen.

Auch wenn diese Biene Gentech-Pollen sammeln sollte, werden Verbraucher es nie erfahren Bild: ap

BERLIN taz | Honig mit Pollen, der zu mehr als 0,9 Prozent von Gentech-Pflanzen stammt, muss künftig wohl nicht gekennzeichnet werden. Der federführende Umweltausschuss des EU-Parlaments stimmte am Mittwoch einem entsprechenden Kompromiss mit dem Rat der Mitgliedstaaten und der Kommission zu. „Dass nun Plenum und Rat offiziell grünes Licht geben, ist nur noch Formsache“, hieß es in Parlamentskreisen.

Die Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen für Mensch und Natur sind Umweltschützern zufolge zu wenig untersucht. Zudem erleichtere Gentech-Saatgut Monokulturen, die dazu führten, dass mehr umweltschädliche Pestizide und Dünger verbraucht sowie die Artenvielfalt gefährdet werden.

Deshalb hatten Gentech-Gegner das „Honig-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs vom September 2011 als Sieg gefeiert. Die Richter entschieden nämlich, dass Pollen von Gentech-Pflanzen wie eine „Zutat“ zu werten sei. Ist eine Zutat zu mehr als 0,9 Prozent gentechnisch verändert, muss das laut Gesetz auf der Packung stehen. Wegen der großen Ablehnung in der Bevölkerung, lässt sich so ein Lebensmittel in Europa kaum verkaufen.

Bisher hat die Wirtschaft das Urteil weitgehend ignoriert. Denn es ist sehr schwierig zu messen, wieviel Prozent eines Pollen von Gentech-Pflanzen stammen. Dabei kommt der meiste in Deutschland und anderen EU-Staaten verzehrte Honig aus Ländern, in denen solche Pflanzen angebaut werden.

Foodwatch kritisiert EU-Kommission

Deshalb wird die EU-Honig-Richtlinie nach dem Beschluss des Umweltausschusses nun festlegen: „Da Pollen ein natürlicher Bestandteil von Honig ist, soll er nicht als Zutat betrachtet werden“. Damit muss der Honig in der Praxis nicht als „Gentech-Honig“ gekennzeichnet werden. Die Europäische Kommission hatte das damit begründet, dass nicht Menschen, sondern Bienen den Pollen in den Honig bringen.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch dagegen kritisiert, dass die Konsumenten bei so einer Regelung nicht zwischen „Honig mit und ohne Gentechnik“ unterscheiden könnten. „Die EU-Kommission will ein Urteil des höchsten europäischen Gerichts aushebeln.“

Müsste Honig im Sinne der Richter gekennzeichnet werden, würde das den Gentechnik-Anbau erheblich erschweren. Denn Imker könnten auf Schadenersatz klagen, wenn sie ihren Honig als gentechnisch verändert brandmarken müssten.

Imker Bablok klagt in Karlsruhe

Die Hürden für den Gentechnikanbau will der Deutsche Imkerbund nun auch durch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhöhen. „Wir wollen, dass ein ausreichender Abstand zwischen Bienenständen und Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen eingehalten wird“, sagte Geschäftsführerin Barbara Löwer der taz. Bisher sei etwa bei Mais nur ein Abstand von 500 Metern vorgeschrieben. „Doch die Bienen fliegen bis zu 3 bis 5 Kilometer weit.“

Aus diesem Grund finanziere der Verband die Beschwerde des Imkers Karl-Heinz Bablok. Dieser ist ein gewichtiger Gegner der Industrie: Eine frühere Klage Babloks hatte zum Honig-Urteil des Europäischen Gerichtshofs geführt.

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10 Kommentare

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  • Imkerei spielt eine wichtige Rolle zur Aufrechterhaltung der Artenvielfalt unserer Flora und Fauna! Dass Imkerei nicht wie z.B. in Kalifornien oder in China als Massenimkerei oder mit Fütterung von Antibiotika passieren sollte, hat meiner Meinung nach sehr gut der Film more than honey gezeigt. Als Student habe ich zwar nicht super viel Geld aber trotzdem achte ich immer darauf von deutschen Imkern regional produzierten Honig zu kaufen. Ein Kommilitone von mir hat ein Honig Start-up gegründet, so dass ich mir meistens von ihm Honig bestelle. Er produziert den Honig selbst und mischt ihn noch mit regionalen Produkten wie Nüssen oder getrockneten Apfelstücken. Ihm ist Nachhaltigkeit sehr wichtig. Es sind Honigaufstrichte - echt lecker. Von daher finde ich sein Start-up echt unterstützenswert: www.honigplus.de

  • Wer mag, kann die Aktion "Schluss mit Gentechnik wider Willen" von Foodwatch unterstützen: https://www.foodwatch.org/de/informieren/gentechnik/e-mail-aktion-schluss-mit-gentechnik-wider-willen/

     

    Der Link hat mir im Beitrag gefehlt.

  • Die Forderung der Imker kann ein Eigentor werden. Haben sie an Auskreuzungen der GVO-Pflanzen gedacht? Sogenannte Superunkräuter sind auch in D bereits entstanden. Also wird jede Honigcharge vom Imker untersucht?

    Viel bedenklicher ist der Pestizidgehalt in Honig und vor allem in Blütenpollen. Für Bienenprodukte gilt keine Wartezeit, wie für andere Lebensmittel. Bienenprodukte weisen daher die höchste Kontamination an PSM auf

  • D.J."Solche Pflanzen sind zumindest hundertmal gründlicher auf Risiken untersucht als aus "natürlicher" Züchtung entstandene."

    Das interessiert mich sehr. Koennten Sie mehr Informationen geben, wo ich diese Risikountersuchungen finden kann. Meine bisherigen Nachforschumgen dazu waren ziemlich erfolglos.

  • Diese „Gen-Kritiker“ sind sonderbare Menschen. Den gezielten Feineingriff mittels grüner Gentechnik lehnen sie als Methode grundsätzlich ab. Selbst ein Non-Profit-Projekt wie den „goldenen Reis“.

    Die etwas ältere und ungezielte Dampfhammermethode der Genmanipulation durch radioaktive Bestrahlung ist für diese „Gen-Kritiker“ akzeptabel. Derart „gezüchtete“ Produkte bekommen anstandslos die Bio-Zulassung – wenn sie nur „ökologisch“ vermehrt wurden.

    Anders als die mittels grüner Gentechnik erzeugten Sorten brauchen diese „Atom-Sorten“ keinerlei Zulassung. Ja, es wird nicht einmal behördlich registriert, was da so aus durch Radioaktivität zur Mutation gezwungenen Pflanzen gezogen wird. Das läuft einfach unter „herkömmliche Züchtung“. In Kanada ist das anders, da durchlaufen auch diese Sorten ein Zulassungsverfahren. Bei uns wird so etwas seltsamerweise nicht einmal gefordert. Am allerwenigsten von den sogenannten „Gen-Kritikern“. Ihre stärkste Waffe ist das Unwissen gutgläubiger Verbraucher.

  • D
    D.J.

    "Die Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen für Mensch und Natur sind Umweltschützern zufolge zu wenig untersucht."

     

    Solche Pflanzen sind zumindest hundertmal gründlicher auf Risiken untersucht als aus "natürlicher" Züchtung entstandene. Aber seit wann kümmern sich Angstreligionen um Fakten?

    Ja, es gibt Gründe, gegen bestimmte Firmen in dem Bereich zu sein, aber man verzettelt sich lieber an völligen Nebenkampfschauplätzen.

    • @D.J.:

      hundertmal ? Wenn das überhaupt so ist, so sollte man davon ausgehen, dass es wohl nötig ist.

      Also hundertmal besser heißt nicht zwingend besser als.

  • Die Imker tun gut daran, ihren Honig dann selbst du kennzeichnen.... sonst könnte dieses Nahrungmittel auf der generellen Vermeidungsliste landen.....