Kenias Präsident William Ruto: Nackter Kaiser, zwei Gesichter
Ruto wird in Berlin respektvoll empfangen, zeigt sich auf der Weltbühne offen und inspiriert. Zugleich boykottiert er in Kenia seine eigenen Ziele.
K enias Präsident William Ruto ist noch kein Jahr im Amt, aber er hat schon zwei Gesichter, ein lokales und ein internationales. Der internationale Ruto ist ein progressiver Panafrikanist, der sich nichts sehnlicher wünscht, als dass die Grenzen zwischen Afrikas 54 Ländern fallen, damit alle Afrikaner zusammen eine große glückliche Familie bilden. Rutos starkes geeintes Afrika kennt keine Handelsgrenzen oder Visa, nutzt eine gemeinsame Währung und setzt alle seine Ressourcen zugunsten all seiner 1,5 Milliarden Menschen ein.
Dieser Ruto, auch in Berlin respektvoll empfangen, zeigt sich auf der Weltbühne bei jeder Gelegenheit, zuletzt beim Entwicklungsgipfel in Paris, wo er Emmanuel Macron kurzerhand mit den Chefs von Weltbank und IWF in einen Topf warf und die Auflösung des internationalen Finanzsystems zugunsten irgendeiner gerechteren Alternative vorschlug. Dann trat er vor dem Eiffelturm beim Ökokonzert „Power of our Planet“ vor Tausenden als Rockstar auf, der der globalen Finanzwelt den Kampf ansagt, und lud schließlich die ganze Welt zum afrikanischen Klimagipfel in Nairobi im September ein.
Zum Glück für Rutos PR-Abteilung werden die meisten Delegierten beim Klimagipfel keine Zeit haben, um mit Akteuren aus Kenias Nachbarländern zu sprechen. Die nämlich haben zumeist eine etwas andere Sicht. Die ökonomische Integration Ostafrikas, die oft als Vorbild für Afrika gesehen wird, hat stark gelitten. Die Ruto-Regierung hat Handelshemmnisse errichtet und geltende Protokolle gebrochen.
So können Ugandas Milchbauern ihre Milch nicht mehr über die Grenze nach Kenia bringen und haben in den letzten Monaten umgerechnet mehrere hundert Millionen Euro verloren. Man spekuliert, dass Ruto sich damit an seinem Vorgänger Uhuru Kenyatta rächen will, der ihn bei den Wahlen 2022 nicht unterstützte und selbst wirtschaftliche Interessen in der Vermarktung von Milch aus Uganda hält. Wird die zunehmende Feindseligkeit zwischen Kenyatta und Ruto tatsächlich auf dem Rücken von Ugandas Bauern ausgetragen? Dann würde der lokale Ruto als rachsüchtiger, kleinkarierter Präsident dastehen, der Handelsbeziehungen opfert, um alte Rechnungen zu begleichen. Leider ist dies derzeit die gängigste Erklärung für Kenias Vorgehen gegen Uganda.
Nicht nur Uganda beschwert sich. Andere Mitglieder der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) sind verärgert darüber, dass Kenia ein EPA-Freihandelsabkommen mit der EU gebilligt hat, das die EAC als Ganzes zurückwies.
Auch Kenianer haben immer größere Schwierigkeiten mit ihrem Präsidenten, der vor einem Jahr als Anwalt der Armen antrat, der der Jugend eine Perspektive geben wolle. Während er international Weltbank und IWF verdammt, hat Ruto vergangene Woche beim IWF einen neuen Milliardenkredit aufgenommen und empfing den chinesischen Chefdiplomaten Wang Yi, dem er seine Unterstützung für Chinas umstrittene „Belt & Road Initiative“ erklärte.
Andere Länder wie Tansania lehnen Chinas Projektfinanzierungen ab, weil sie in große Abhängigkeiten führen können. Tansanias neue Präsidentin Samia Suluhu, die ihren Amtskollegen Ruto zunächst in die Arme schloss, ihn heute aber immer komplizierter findet, machte sich kürzlich öffentlich lustig über einen ungenannten Nachbarn, der das relativ arme Tansania um eine Finanzspritze gebeten habe, um seine Schulden zu bezahlen. Alle wussten, von wem sie sprach.
Wer wird sich durchsetzen? Der internationale Ruto oder der lokale?
Aus dem Englischen Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin