Keine Maskenpflicht in Berlin: Alles nicht so einfach
Der Senat empfiehlt, Maske zu tragen, ordnet es aber nicht an. Die Entscheidung mag enttäuschen, ist aber angesichts der aktuellen Lage angemessen.
K eine Maskenpflicht in Innenräumen, nur der Appell, selbstverantwortlich eine zu tragen: Mit dieser Festlegung – zumindest für die nächsten vier Wochen – ist der Senat aus seiner Sitzung am letzten Dienstag gekommen. Das kann enttäuschend nennen, wer auf die deutlich steigenden Infektionszahlen schaut, vielleicht sogar ignorant angesichts der gegenteiligen Empfehlung der Gesundheitssenatorin und von Medizinern.
Doch so einfach ist das nicht. Glaubt man Regierungschefin Franziska Giffey (SPD), dann wäre Berlin bei einem anderen Beschluss unter den 16 Bundesländern, egal ob Flächenland oder Stadtstaat, das einzige mit einer Maskenpflicht gewesen. Gut, ließe sich argumentieren, dafür haben wir ja ein föderales System, damit jedes Land nach Lage seiner Dinge entscheiden kann. Wenn es nur um Einheitlichkeit ginge, könnten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und das Bundeskabinett die Sache auch alleine und zentral beschließen.
Aber vor allem mit Blick auf Brandenburg gilt schon: Man kann nicht tagein, tagaus von der gemeinsamen Metropolenregion und möglichst einheitlichem Vorgehen reden und dann in einer so praxisrelevanten Frage wie der Maskenpflicht für eine Demarkationslinie mitten in Wohngebieten sorgen. Etwa zwischen Berlins Zehlendorf und Brandenburgs Kleinmachnow im Südwesten oder zwischen Hohenschönhausen und Ahrensfelde im Nordosten.
Ein unangenehmes Gefühl
Was bei der Pressekonferenz am Dienstag ein unangenehmes Gefühl hinterließ, war die Tatsache, dass Giffey die Haltung des Senats auch mit zwar angestiegenen, aber noch vergleichsweise niedrigen Corona-Zahlen begründete. Dabei stützte sie sich auf einen Wert, der ihren Angaben zufolge vom Robert-Koch-Institut stammte. Dieser Wert war aber nur knapp halb so hoch wie der zeitgleich im Corona-Lagebericht von Giffeys eigener Senatskanzlei aufgeführte Wert.
Natürlich könnte man fragen, warum es schlimm wäre, beim viertelstündigen Gang in den Supermarkt mal schnell eine Maske überzuziehen. Doch für manche ist Einkaufen eben mehr als hurtig Nudeln und Milch an die Kasse zu bringen: Das vom Einzelhandel propagierte Shopping-Erlebnis, das ja auch Arbeitsplätze mit sich bringt, hätte mehr Zeit unter der Maske bedeutet. Das aber hält nach Erfahrungen des Handels durchaus Menschen vom Einkaufsbummel ab. Den könnte man natürlich grundsätzlich als Kommerz gesteuert brandmarken – aber das ist eine andere Diskussion.
Giffey war durchaus offen genug anzudeuten, dass eine ausgeweitete Maskenpflicht schlicht und einfach schwierig durchzusetzen gewesen wäre. Dort, wo sie seit Langem gilt, nämlich in Bus und Bahn, respektieren sie nach einer Einschätzung der Berliner Verkehrsbetriebe aktuell nur noch 70 Prozent der Fahrgäste. Sprich: Fast jeder und jede Dritte verweigert sich dem Maskentragen. Da ist die Überlegung berechtigt: Wenn es schon dort, wo es etabliert sein sollte, nicht klappt, wie soll das dann in größerem Rahmen klappen?
Kapitulation oder Realitätssinn?
Das kann man als Kapitulation bezeichnen, aber genauso als realitätsorientiert. Natürlich könnte Berlin zeitweise seine Polizei vorrangig damit beschäftigen, die Maskenpflicht durchzusetzen. Maskenverweigerer könnte man viel stärker als bisher mit Ordnungs- oder Bußgeldern belegen.
Doch zum einen hat die Polizei genug andere Aufgaben. Zum anderen brodelt es, glaubt man den Sicherheitsbehörden, wegen drohender Energieknappheit, Inflation und auch Angst vor einem Atomschlag sowieso schon im Land. Dann noch Maskenverweigerer zu verfolgen, könnte das Fass zum Überlaufen bringen.
Die Senatsentscheidung vom Dienstag ist unbefriedigend, aber angesichts der aktuellen Lage angemessen. Umso mehr, weil die Maske ja nicht nur hilft, wenn alle sie tragen: Selbstschutz ist bei Corona schließlich die halbe Miete.
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