piwik no script img

Keine Förderung mehr für BeratungsstelleNeuer Träger gesucht

Niedersachsens Justizministerium beendet die Förderung der Beratungsstelle RespAct für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

„Verschärfte Gefährdungslage“: Gegen Nazis helfen Sticker leider nur bedingt Foto: dpa

Bremen taz | Die niedersächsische Beratungsstelle RespAct für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt steht vor dem Aus. Ende Juni läuft ihre Förderung durch das Land aus. Bereits Anfang März sei dies den Mitarbeitenden „knapp und ohne weitere Begründung“ mitgeteilt worden, heißt es in einer vor wenigen Tagen gestarteten Online-Petition zum Erhalt von RespAct. In den ersten fünf Tagen haben über 400 Menschen unterschrieben.

Die Förderung der Beratung werde nicht beendet, sagt Christian Lauenstein, Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums. „Insbesondere in Anbetracht der verschärften rechtsextremistischen Gefährdungslage sieht das Ministerium die Notwendigkeit, die professionelle Beratung von Betroffenen zu gewährleisten.“

Man suche vielmehr nach einem neuen Träger, der die Opferberatung künftig regionalisiert anbieten soll. Ein entsprechender Förderaufruf steht seit Ende März auf der Webseite des Landespräventionsrats. „Einen nahtlosen Übergang, damit es keine Lücke in der Betroffenenberatung gibt“, möchte man gewährleisten.

Dass es einen anderen Träger brauche als den momentanen Verein Parteiliche Beratung e.V., habe sich aus einer Bewertung der „Qualität von Beratungsangeboten, Standards, Verwaltungsabläufen, Mittelverwendung und Transparenz“ ergeben, erklärt Lauenstein. „Die Einzelheiten wurden gegenüber dem Träger ausführlich kommuniziert“, sagt er weiter zum Vorwurf der Petent:innen. In der Vergangenheit seien zudem die Möglichkeiten erörtert worden, wie die Zusammenarbeit fortgesetzt werden kann – „ohne positives Ergebnis“.

Die Abwicklung ist eine Folge des grundsätzlichen Misstrauens gegenüber der Beratungsstelle.

Mitarbeiterin von RespAct

Den bundesweiten Trend, „Beratungen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt aufzulösen hin zu Beratungen für Betroffene jeglicher politischer Gewalt“, vermutet eine Mitarbeiterin als möglichen Grund für die Schließung. „Wir haben schon lange deutlich gemacht: Mit uns nicht.“

Die Sozialwissenschaftlerin, psychosoziale Beraterin und psychosoziale Prozessbegleiterin möchte aufgrund zunehmender Hassnachrichten anonym bleiben. „Ein weiterer Grund für die Schließung könnte darin liegen, dass dem seit 2018 tätigen Vereinsvorstand als auch der Mitarbeitendenschaft schon länger überwiegend Misstrauen in ihrer Arbeit entgegengebracht wird.“

„Ich habe den Eindruck, dass nicht verstanden wurde, dass der Verein keine migrantische Selbstorganisation ist, sondern einer Tätigkeit innerhalb der Mehrheitsgesellschaft nachgeht“, sagt dazu Tsepo Bollwinkel, Initiator der Petition. Er war zwei Jahre lang als Supervisor für die Mitarbeitenden der Beratungsstelle tätig. Bollwinkel begrüßt, dass die Beratung künftig regionaler aufgestellt werden soll. „RespAct wurde aber in den letzten Jahren permanent daran gehindert, dies zu tun, es gab zu wenig Personal.“

Dass in der Ausschreibung für einen neuen Träger von mehr Geld und drei statt bisher zwei Büros die Rede ist, nahm die Mitarbeiterin ebenso „mit Erstaunen“ zur Kenntnis. „Dafür haben wir immer plädiert.“ Ein weiterer Diskussionspunkt zwischen RespAct und Ministerium war die Unabhängigkeit der Beratungsstelle. Es sei versucht worden, diese aufzuweichen. „Wir wurden angehalten, Herkunft und Geschlecht der Klient:innen zu dokumentieren und das ans Ministerium weiterzuleiten.“

Dabei wollte man so wenig Infos wie möglich sammeln. „Wir haben wissenschaftlich fundiert ans Ministerium zurückgemeldet, warum wir bestimmte Kategorien nicht dokumentieren beziehungsweise weiterleiten.“

Statt auf diese inhaltlichen Stellungnahmen einzugehen, habe das Ministerium dann im nächsten Zuwendungsbescheid die Pflicht festgeschrieben, dies zu tun. „Da waren wir natürlich unbequem, aber aus Schutz für unsere Klient:innen.“ Die Abwicklung sei eine Folge des grundsätzlichen Misstrauens gegenüber der Beratungsstelle, so die Mitarbeiterin weiter.

Lauenstein nennt als mögliche Alternative zu RespAct die Stiftung Opferhilfe, angesiedelt beim Justizministerium. Die Mitarbeiterin der Beratungsstelle hält dies für unpassend. „Die haben ein ganz anderes Konzept.“ Die Opferhilfe sei nicht unabhängig und auch nicht aufsuchend. Auch Bullwinkel sagt: „Ich als schwarze Person würde mich im Falle eines Übergriffs niemals an eine Stelle wenden, die Justizministerium in der Mailadresse stehen hat.“

Seit 2017 bietet RespAct kostenlose Beratung, Unterstützung und Empowerment-Angebote für Betroffene von Gewalttaten sowie deren Freund:innen, Angehörige und Zeug:innen. Auch zu juristischem Vorgehen und Möglichkeiten finanzieller Unterstützung informiert die Beratungsstelle.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare