Kein WBS für Geflüchtete: Wohnungssucher zweiter Klasse

Geflüchtete erhalten oft keine Wohnberechtigungsscheine. Der Berliner Flüchtlingsrat fordert eine andere Praxis.

Preiswerten Wohnraum fordern Teilnehmer*innen einer Demo in Berlin im September 2018 Foto: dpa

Der Berliner Flüchtlingsrat fordert von der Landesregierung, Geflüchtete nicht länger vom Wohnberechtigungsschein (WBS) und damit vom Zugang zu Sozialwohnungen auszuschließen. Derzeit haben Menschen im laufenden Asylverfahren, auch wenn sie eine gute Bleibeperspektive haben, keinen Anspruch auf einen WBS. Ausgeschlossen davon sind auch geduldete Flüchtlinge, selbst wenn sie auf Dauer in Berlin leben, weil etwa eine Abschiebung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist oder sie eine sogenannte Ausbildungsduldung haben. Die ermöglicht ihnen bei erfolgreichem Abschluss der Ausbildung eine Bleibeperspektive.

Sogar anerkannte Geflüchtete, kritisiert der Flüchtlingsrat in einer vergangene Woche veröffentlichten Pressemitteilung, „erhalten in Berlin – anders als in anderen Bundesländern – weiterhin keinen WBS, wenn die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels innerhalb der nächsten 11 Monate ansteht“. Für viele Familien bedeute das, dass sie nie einen WBS bekommen, denn die befristeten Aufenthaltserlaubnisse der einzelnen Familienmitglieder endeten oft zu unterschiedlichen Zeiten.

Die Folge aus der Sicht des Flüchtlingsrates: Geflüchtete müssen in den Sammelunterkünften verbleiben, in denen derzeit rund 22.000 Menschen leben, denn der Zugang zum freien Wohnungsmarkt ist vielen aus finanziellen Gründen nicht möglich. „Eine Mietwohnung bleibt vor allem für Familien mit Kindern ein unerreichbarer Traum. Integrationspolitisch ist die Haltung der Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) eine Katastrophe“, sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat. Diese Praxis stehe im Widerspruch zur Koalitionsvereinbarung und zu öffentlichen Äußerungen des Senats.

Zwei Prüfvermerke der Senatsbauverwaltung von diesem Frühjahr, die der Flüchtlingsrat im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes einsehen konnte, vermittelten jedoch nicht den Eindruck, dass der Senat seine Praxis ändern wolle, so Classen: „Die Argumentation in beiden Vermerken vermittelt leider den Eindruck, dass die zuständige Senatsverwaltung die rechtliche Prüfung ausschließlich zu dem Zweck durchführt, jede Ausweitung des WBS auf weitere Ausländer und Geflüchtete zu verhindern.“ Als Argument werde die geringe Zahl der Sozialwohnungen in Berlin aufgeführt.

Als Argument werde die geringe Zahl der Sozialwohnungen in Berlin aufgeführt

Ähnlich argumentiert Katrin Lompschers Sprecherin Petra Rohland auch gegenüber der taz. Rund 831.000 Berliner Haushalte seien WBS-berechtigt. Denen stünden nur 101.000 Sozialwohnungen entgegen. „Mit der Erteilung eines WBS für Asylsuchende und Geduldete ist also das Problem nicht gelöst. Wenn der Flüchtlingsrat behauptet, Berlin hätte genügend Sozialwohnungen, ist er über die Wohnungssituation in Berlin einfach schlecht informiert“, so Rohland. Die Koalition arbeite an dem Problem. Roh­land verweist darauf, dass es bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ein Kontingent von 320 Wohnungen gibt, das ausschließlich Menschen im Asylverfahren zur Verfügung gestellt wird.

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