Kein Parteiauschluss für Diether Dehm: Poltergeist darf weiter spuken
Die Landesschiedskommission der Linken in Niedersachsen hat den Ausschlussantrag gegen Diether Dehm abgelehnt. Nun wartet die Bundesschiedskommission.
Gestellt hatten den Ausschlussantrag Mitte November vergangenen Jahres die beiden Bundesvorstandsmitglieder Ates Gürpinar und Kerstin Eisenreich. Sie warfen Dehm vor, „vielfach vorsätzlich, öffentlich und mit Außenwirkung gegen die Satzung sowie die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen“ zu haben. Damit habe er „der Partei schweren Schaden mit Blick auf ihre Glaubwürdigkeit und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zugefügt“.
Doch dem folgte die Landesschiedskommission nicht. Da alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe bei Antragseinreichung schon mehr als einen Monat zurückgelegen hätten, seien sie „verfristet“, lägen also bereits zu lange zurück. „Schon deswegen war der Antrag abzuweisen“, heißt es in ihrem Beschluss. Allerdings beschränkt sich die Kommission nicht auf diese formale Argumentation, sondern begründet die Ablehnung in ihrer 15-seitigen Schrift, die der taz aus Kreisen der niedersächsischen Linkspartei zugespielt wurde, auch noch inhaltlich.
Anlass für den Ausschlussantrag war ein Auftritt Dehms bei einer Veranstaltung der DKP Ende August 2022 in Berlin, über die die taz zuerst berichtet hatte. Dort hatte der umtriebige Musikmillionär eine Konkurrenzkandidatur bei der Europawahl 2024 ins Gespräch gebracht. „Es muss eine Kraft antreten, die diesem Abbruchunternehmen da drüben im Karl-Liebknecht-Haus eine Alternative entgegensetzt“, forderte Dehm seinerzeit. Das Karl-Liebknecht-Haus ist die Parteizentrale der Linken.
Eigenwillige Interpretationen und Schlussfolgerungen
Dieser Aufruf zu einem „konkurrierenden Wahlantritt“ sei „der inakzeptable Höhepunkt unzähliger Äußerungen der letzten Jahre“, mit denen Dehm das Ansehen der Linken beschädigt habe, schrieben Gürpinar und Eisenreich in ihrem Ausschlussantrag. Doch das sieht die Landesschiedskommission anders. „Die Verwendung des Begriffs ‚Alternative‘ bedeutet denklogisch zunächst nur ein Bündnis anstatt eines Einzelantritts, nicht eine Kandidatur gegen die Partei Die Linke“, schreibt sie. Deswegen sei „eine abweichende, ‚mildere‘ Interpretation zumindest logisch und kontextuell möglich“.
„Unzweideutig“ werde die Aussage Dehms auch nicht durch den Hinweis auf das „Abbruchunternehmen im Karl-Liebknecht-Haus“. Zwar wäre die Interpretation der Antragsteller:innen „möglich“, dass hiermit die Linkspartei selbst gemeint sei. Doch „ebenso plausibel“ sei es, dass sich „die durchaus überzogene und womöglich unfaire Kritik“ Dehms „nur gegen einzelne Akteure, Personen oder (nicht formelle) Strömungen richtet, die er metaphorisch in der Parteizentrale verortet“.
Nicht minder eigenwillig ist die Schlussfolgerung der Landesschiedskommission, „die Äußerung von Überlegungen zu einem Wahlantritt“ zur Europawahl 2024, die ja noch weit in der Zukunft läge, könne „ohnehin nicht mit einem tatsächlich erfolgten konkurrierenden Wahlantritt gleichgesetzt werden, bei dem ein schwerer Schaden regelmäßig zunächst vermutet werden müsste“.
Was das Gremium völlig ausblendet: Tatsächlich wird im engeren politischen Umfeld der früheren Bundestagsfraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, zu dem Dehm zählt, seit Längerem bereits über ein solches Szenario zur Abspaltung von der Linkspartei intensiv diskutiert.
Aber auch mehrere Beleidigungen und Diffamierungen, die ihm in dem Ausschlussantrag zusätzlich zur Last gelegt wurden, wertete die Landesschiedskommission nicht als parteischädigend oder gegen die Grundsätze der Linkspartei verstoßend. Ihr Beschluss in der Causa Dehm war eine der letzten Amtshandlungen. An diesem Wochenende trifft sich die niedersächsische Linkspartei in Hannover zum Landesparteitag. Für Sonntag steht die Neuwahl der Landesschiedskommission auf dem Programm.
Jetzt wartet die Bundesschiedskommission
Dehm, der 1998 von der SPD in die PDS wechselte und von 2005 bis 2021 für die Linkspartei im Bundestag saß, sorgt seit Jahren mit markigen wie bizarren Sprüchen für Aufmerksamkeit. Kaum eine Verschwörungungserzählung ist dabei vor ihm sicher. So behauptete er unlängst in einem Interview mit dem früheren RT Deutsch-Chef Ivan Rodionov, „zur Zerstörung des guten Rufs von Sahra Wagenknecht“ würde sich in der Berliner BND-Zentrale zweimal in der Woche eine „mindestens“ sechsköpfige Arbeitgruppe treffen. Außerdem kürte er die taz zu „dem obersten CIA-Organ der Republik“, „zweitoberstes“ sei der Spiegel.
Wie nicht anders zu erwarten, zeigte sich Dehm zufrieden mit der Entscheidung der Landesschiedskommission. Den Parteivorsitzenden Martin Schirdewan, der den Ausschlussantrag unterstützt hatte, forderte er auf seiner Homepage und via Twitter auf, sich „für öffentliche und parteiinterne Diffamierungen Andersdenkender zu entschuldigen oder personelle Konsequenzen zu ziehen“.
Doch erledigt ist der Fall damit noch nicht. Denn nun wird sich wohl die nächste Instanz, die Bundesschiedskommission, mit dem fragwürdigen Agieren Dehms beschäftigen. „Die Begründung der Ablehnung finde ich fraglich und ich bin optimistisch, dass eine höhere Instanz eine andere Entscheidung trifft“, sagte der Antragsteller und stellvertretende Parteivorsitzende Ates Gürpinar der taz.
Schließlich sei es „nicht ungewöhnlich, dass eine Entscheidung auf Landesebene im Bund nochmal anders bewertet wird“, so Gürpinar. „Unser Ziel bleibt, dass jemand, der sich misogyn äußert, öffentlich eine Spaltung anstrebt und rechten Publikationen Interviews gibt, nicht Mitglied der Linken sein kann.“
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